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Neue Grenzkontrolltechnik: Milliarden für Europas Biometrie-Giganten

Das Bild zeigt eine Person an einem Selbstbedienungskiosk zur Abgabe von Fingerabdrücken.

Schätzungen zufolge soll der globale Markt für biometrische Systeme von 28 Milliarden Dollar im Jahr 2019 auf 55 Milliarden Euro im Jahr 2024 wachsen. Ein großer Teil davon betrifft Grenzkontrolltechnik, darunter etwa stationäre und mobile Scanner, Sensoren, Datenbanken, Server und Infrastruktur für Netzwerke. In Europa wird dieser Markt von den französischen Konzernen wie Idemia, Atos und Sopra Steria sowie Accenture aus Irland und Hewlett Packard aus den USA dominiert. So haben es dänische Forscher:innen in einer von der EU-Kommission finanzierten Studie rekonstruiert. 

Die Europäische Union zahlt fast eine Milliarde Euro für den Ausbau ihrer großen Migrationsdatenbanken. Dabei handelt es sich teilweise um jahrzehntealte Informationssysteme. Einige von ihnen wurden bereits erneuert, jetzt erhalten sie abermals neue Funktionen. Die dort enthaltenen Fingerabdrücke und Gesichtsbilder werden zukünftig in einem neuen „Speicher“ abgelegt und mit einem „Gemeinsamen System für den Abgleich biometrischer Daten“ durchsucht.

SIS, VIS und Eurodac

Betreiberin der in Rede stehenden Datenbanken ist die Agentur der Europäischen Union für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen (eu-LISA) mit Sitz in Tallin (Estland). Physisch befinden sich diese jedoch in Frankreich, deshalb unterhält die Agentur auch einen operativen Standort in Straßburg. Dort laufen auch die nationalen Schnittstellen zusammen, die jeder Mitgliedstaat für die Teilnahme an den Systemen einrichten muss.

Die älteste Datenbank zur Grenzkontrolle ist das ab 1995 aufgebaute Schengener Informationssystem (SIS). Dort werden auch Informationen zu Fahndungen, Haftbefehlen oder Vermissten gespeichert. Die Einträge zu Ausreisepflichtigen oder Abgeschobenen dominieren aber die rund eine Million ausgeschriebenen Personen deutlich. Seit 2018 können im Nachfolgesystem SIS II auch die enthaltenen Fingerabdrücke abgeglichen werden, für Gesichtsbilder fehlt diese Funktion noch. Zukünftig sollen aber auch Handflächenabdrücke sowie Finger- und Handabdruckspuren durchsucht werden können.

Mit Gründung von eu-Lisa 2014 wurde das bereits 2003 gestartete Fingerabdruck-Identifizierungssystem Eurodac von Luxemburg in die Datenzentren in Straßburg verlegt. Dort werden biometrische Daten aller Asylbewerber:innen über 14 Jahre gespeichert, außerdem von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen. 2016 schlug die Kommission vor, die Speicherung der Informationen von 18 Monaten auf fünf Jahre zu verlängern und das Registrierungsalter auf sechs Jahre zu senken. Das EU-Parlament hat seine Zustimmung jedoch von einer umfassenden „Reform“ des Asylsystems abhängig gemacht, 2020 hat die Kommission hierzu einen Vorschlag für ein „Migrations- und Asylpaket“ vorgelegt.

2011 nahmen die EU-Mitgliedstaaten das Visa-Informationssystem (VIS) in Betrieb. Es dient der Speicherung von Antragssteller:innen von Kurzzeit-Visa, die Behörden wollen damit das Überziehen der Aufenthaltsdauer kontrollieren. Auch einladende Personen werden dort registriert.

303 Millionen Euro für biometrische Suchmaschine

In der Antwort auf eine Schriftliche Frage des EU-Abgeordneten Patrick Breyer macht die Kommission Angaben dazu, wer von den aktuellen Verträgen profitiert. Allein die neue Suchmaschine für Fingerabdrücke und Gesichtsbilder kostet 303 Millionen Euro. Den Vertrag für dieses „Shared Biometrics Matching System“ (SBMS) erhielten die Firmen Idemia und Sopra Steria, rund ein Drittel davon sind bereits ausgegeben. Es basiert auf einem bereits vorhandenen System, für das die Kommission vor 15 Jahren 157 Millionen Euro bezahlt hatte.

Weitere 442 Millionen Euro zahlt die Kommission für die Errichtung eines neuen „Ein-/Ausreisesystems“ (EES), das alle Reisenden in die Europäische Union betrifft. An jeder EU-Außengrenze an Land, zu Wasser und in der Luft werden Anlagen errichtet, um ab 2022 Gesichtsbilder und vier Fingerabdrücke zu registrieren. Diese werden entweder aus biometrischen Ausweisen ausgelesen oder, falls diese nicht vorhanden sind, an Selbstbedienungskiosken einmalig erfasst. Über ein Gateway sind auch Fluglinien und andere Beförderungsunternehmen an das EES angeschlossen.

Alle bereits bestehenden, migrationsbezogenen Datenbanken werden teilweise zusammengeführt und mit einem „Europäischen Suchportal“ durchsuchbar gemacht. Das Projekt trägt den Titel „Paket zur Interoperabilität“ und enthält einen „gemeinsamen Speicher für Identitätsdaten“ und einen im Hintergrund arbeitenden „Detektor für Mehrfachidentitäten“. Für die hierzu erforderlichen technischen Änderungen gibt die Kommission 187 Millionen Euro aus. Erste Komponenten sollen demnächst zur Verfügung stehen. Nach und nach werden die Zugangsberechtigten erweitert. So sollen etwa die Agenturen Europol und Frontex Daten in den „Speicher für Identitätsdaten“ eingeben dürfen.

Dasd Bild zeigt drei Grafiken zu den Herstellern für die Datenbanken SIS II, Eurodac, VIS.
Hersteller, die von der EU-Kommission Verträge für die Datenbanken SIS, Eurodac und VIS erhielten. - Alle Rechte vorbehalten ADMIGOV


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