Es bleibt dabei: Meta muss Postings mit Falschaussagen von Renate Künast eigenständig suchen und löschen – auch in sinngleichen Variationen. Das Oberlandesgericht Frankfurt bestätigt damit ein wegweisendes Urteil und schiebt die Verantwortung in Richtung Konzern.
Die Bundestagsabgeordnete Renate Künast (Grüne) hat vor Gericht ein weiteres Mal gegen Meta gewonnen. Wie das Oberlandesgericht Frankfurt am Main heute mitteilte, bleibt es dabei: Meta ist dazu verpflichtet, Memes mit einem Falschzitat der Politikerin eigenständig zu suchen und zu löschen. Das gilt auch für abgeänderte, aber sinngleiche Varianten und ohne, dass Künast diese einzeln melden müsste. Meta hatte gegen ein entsprechendes Urteil zu einem Unterlassungsanspruch Künasts aus dem Jahr 2022 Berufung eingelegt, diese hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen.
Anlass für Künasts Klage war ein Meme, das seit annähernd zehn Jahren in immer wieder neuen Variationen auf Facebook kursiert. Es besteht aus einem Bild der Politikerin, garniert mit einem falschen Zitat: „Integration fängt damit an, dass Sie als Deutscher mal türkisch lernen!“ Künast klagte gegen Meta und bekam Recht: Das Zitat sei falsch, urteilte das Landgericht Frankfurt im Jahr 2022. Künast habe den Satz nie gesagt und einen Anspruch auf Unterlassung.
Künast selbst hatte bereits 2015 in einem Post auf Facebook klargestellt, der Satz sei falsch. Sie habe damals in einer Gesprächsrunde der Talkshow „Beckmann“ auf Thilo Sarrazin reagiert, der sich geweigert habe, den Namen einer weiteren Gesprächspartnerin korrekt auszusprechen. Künast sagte daraufhin: „Integration fängt damit an, dass Sie als Deutscher sich ihren Namen mal merken.“
Selbst suchen ist für Meta zumutbar
In seiner Begründung des Urteils geht das Oberlandesgericht auf weitere Details ein: Facebook habe vor Gericht nicht glaubhaft gemacht, dass es für das Unternehmen technisch und wirtschaftlich nicht zumutbar sei, die betreffenden Memes zu finden und zu löschen. Das Suchen nach sinngleichen Posts sei in der Regel mit Hilfe von „automatisierten Techniken“ machbar und damit zumutbar. Meta müsse anschließend dann lediglich noch beurteilen, ob die Abweichungen vom ursprünglichen Meme „nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Empfängers“ deutlich machen, dass es sich um ein Falschzitat handelt oder nicht. Das könnten menschliche Moderator*innen erledigen, auch dies sei zumutbar.
Ein Schmerzensgeld von 10.000 Euro an Renate Künast hat das Oberlandesgericht dagegen wieder gestrichen. Die identischen Inhalte habe Meta ja tatsächlich zügig gelöscht. Streit gab es nur um die sinngleichen Postings, zu denen es damals noch keine Rechtsprechung gab. Deswegen muss Meta für seine Weigerung, auch solche Posts zu löschen, kein Schmerzensgeld zahlen.
„Meilenstein“ bei der Durchsetzung von Nutzer*innenrechten
Das ursprüngliche Urteil von 2022 gilt als Meilenstein bei der Durchsetzung der Rechte von Betroffenen gegen Social-Media-Plattformen. Erstmals hatte ein Gericht in Deutschland entschieden, dass Plattformen wie Facebook eine Mitverantwortung dafür tragen, wenn strafbare Postings dort weiter verbreitet werden.
Künast selbst freut sich über den Erfolg. „Je mehr wir über die Arbeit und Vernetzung von rechtsextremen Strukturen wissen, desto offensichtlicher wird die Verantwortung von Social-Media-Plattformen“, sagt sie und nennt das Urteil „einen Meilenstein für das Persönlichkeitsrecht“. Begleitet wurde ihre Klage von der Organisation HateAid, die Betroffene von Hetzkampagnen im Netz mit Beratung und Prozesskostenfinanzierung unterstützt.
Grundlage für die Klage von Künast war ein Urteil aus dem Jahr 2019, das die ehemalige österreichische Politikerin Eva Glawischnig vor dem Europäischen Gerichtshof gegen Meta anstrengte. Hier entschied das Gericht, dass auch die Entfernung sinngleicher Postings von der Social-Media-Plattform verlangt werden kann.
Mit der heutigen Entscheidung des Oberlandgerichts Frankfurt ist diese Auslegung nun auch für Deutschland etabliert – zumindest fürs Erste. Denn Meta kann gegen das Urteil weiterhin in Revision gehen. Dann muss am Ende der Bundesgerichtshof als oberste Instanz entscheiden, was als „sinngleich“ durchgeht.
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