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Fusion-Festival: Trotz massiver Kontrollen weniger Strafverfahren als beim letzten Mal

Über fünf Tage bietet das Fusion-Festival Konzerte, Theater, Kino und viel Techno. CC-BY-NC 4.0 netzpolitik.org

Landes- und Bundespolizei haben Personenkontrollen und Durchsuchungen zum diesjährigen Fusion-Festival zumindest in Teilen ausgeweitet. Dabei wurde auch der Zoll außerhalb des Zollgrenzbezirks rund um das Festival für Durchsuchungen eingesetzt. Trotz dieser Ausweitung konnte die Polizei dieses Jahr deutlich weniger Anzeigen schreiben als beim letzten Fusion-Festival im Jahr 2019.

Während die Landespolizei nach eigenen Angaben nicht erfasst, wieviele Autos sie im Umkreis des Festivals auf den Straßen insgesamt einer Kontrolle unterzogen hat, liefert die Bundespolizei genaue Angaben. Alleine am Bahnhof Neustrelitz hat die Bundespolizei eigenen Angaben zufolge bei der An- und Abreise zum Festival 207 Personenkontrollen durchgeführt und dabei 160 Mal Gepäckstücke und Personen durchsucht. Beim letzten Fusion-Festival im Jahr 2019 waren es insgesamt nur 10 Kontrollen am Bahnhof gewesen. Die Zahl der Kontrollen hat sich dort also mehr als verzwanzigfacht.

Das Festival hatte die neuen Kontrollen am Bahnhof als „anlasslos“ bezeichnet und kritisiert, weil dort laut dem Festival Anreisende in der Hitze ausharren mussten und dehydriert sein sollen. In den Vorjahren hatten sowohl Festivalmitarbeiter:innen wie Polizei die Sicherheit bei der massenhaften Anreise auf dem Bahnhof organisiert. Dieses Jahr führte die Polizei dann plötzlich vermehrt Personenkontrollen durch, weswegen das Festival ankündigte, seine Mitarbeiter aus Protest abzuziehen. 

Zwanzig mal mehr Kontrollen am Bahnhof

Als Rechtsgrundlage benannte die Bundespolizei gegenüber netzpolitik.org „Gefahrenabwehr auf Grundlage der sich aus § 23 (1) Nr. 4 und § 43 (1) Nr. 4 Bundespolizeigesetz (BpolG) ergebenden Befugnisse“. In einer Pressemitteilung heißt es dazu: „Auf Grund der zu erwartenden hohen Zahl an Reisenden hat die Bundespolizeidirektion Bad Bramstedt den Bahnhof Neustrelitz zeitweise als gefährdetes Objekt eingestuft. Auf dieser Grundlage führte die Bundespolizei in der Anreise stichprobenartige Kontrollen durch.“

Die Rechtsgrundlage für die Kontrollen auf der Landstraße sind einerseits die „Allgemeine Verkehrskontrolle“, welche die Polizei jederzeit durchführen darf, sowie eine polizeiliche Anordnung zur Durchführung von Anhalte- und Sichtkontrollen nach § 27 a SOG MV. Die Polizei will hier angeblich „Straftaten von erheblicher Bedeutung“ abwehren und begründet dies gegenüber netzpolitik.org damit, dass sie in der Vergangenheit beim Festival Verstöße im Zusammenhang mit dem Betäubungsmittelgesetz festgestellt habe. Ein Jurist von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) schätzte die genannten Rechtsgrundlagen der Maßnahmen gegenüber netzpolitik.org als vermutlich „überwiegend legal“ ein.

Deutlich weniger Strafverfahren als beim letzten Mal

Auf Twitter lösten die vielen Kontrollen teilweise wütende Reaktionen aus. Nutzer:innen warfen der Polizei vor, dass sie damit lediglich Konsument:innen verfolge und Steuergelder verschwende. Die alternative Polizist:innenvereinigung „Polizeigrün“ stellte die These auf, dass der Polizei das linke Festival ein Dorn im Auge sei.

Trotz der offenbar gestiegenen Kontrollen hat die Polizei nicht mehr Straftaten registriert als bei der letzten Fusion im Jahr 2019. Die Landespolizei stellte dieses Mal bei 80 Personen einen Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz fest. Im Jahr 2019 waren es noch 199 gewesen, sagt die Polizei auf Anfrage von netzpolitik.org. Bei den Kontrollen am Bahnhof leitete die Bundespolizei 24 Strafverfahren wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz ein. Mit insgesamt 104 Verfahren halbiert sich die Zahl der Strafverfahren in diesem Bereich also fast.

Auch konnte die Polizei in diesem Jahr weniger Fahrer:innen unter Drogeneinfluss feststellen. Hier verringerte sich die Zahl fast auf ein Drittel von 158 auf 56 Fälle. Insgesamt besuchen etwa 70.000 Menschen das Festival. 

Zusammenhang mit Konflikt von 2019?

Im Jahr 2019 hatte die Fusion bundesweit in den Schlagzeilen gestanden. Der damals neue – und mittlerweile ins mecklenburgische Innenministerium gewechselte – Polizeipräsident von Neubrandenburg hatte geplant, eine Polizeiwache mitten auf dem Festival zu installieren und das Festival anlasslos mit Beamt:innen zu bestreifen. Die Veranstalter:innen wehrten sich: Sie argumentierten mit der Kunstfreiheit und der Tatsache, dass sie in der Vergangenheit auch ohne Polizei Sicherheit herstellen konnten und somit eine Ausweitung der polizeilichen Einflusssphäre unnötig sei. 

Im Verlauf der Auseinandersetzung kam heraus: Weil die Polizei mit Widerstand von Festivalbesucher:innen gegen ihr Vorhaben rechnete, plante sie sogar mit Räumpanzern, Wasserwerfern und dem Einsatz von 1.000 Beamten. Zudem gab sie interne Dokumente des Festivals an einen verurteilten rechten Gewalttäter an einer Polizeischule weiter.

Nach einer bundesweiten Debatte und einer Welle der Solidarität, die bis zur CDU hineinreichte, konnte das Festival die Forderung der Polizei erfolgreich abschmettern

Ob die Ausweitung von Kontrollen nun eine Antwort auf die Vorkommnisse von 2019 ist oder der Einsatzplanung des neuen Polizeipräsidenten geschuldet sind, lässt sich nicht feststellen. Die Polizei bestreitet jedenfalls gegenüber netzpolitik.org, eine neue Strategie im Umgang mit dem Festival zu fahren.


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