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Kritik an Vestager: EU-Abgeordnete warnen vor Abschaffung der Netzneutralität

Die EU-Digitalkommissarin Margrethe Vestager kommt für ihre Überlegungen, womöglich die Netzneutralität auszuhöhlen, zunehmend unter Druck. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / CTK Photo

Die Netzneutralität dürfe nicht achtlos über Bord geworfen werden, mahnen mehrere Dutzend EU-Abgeordnete die Digitalkommissarin Margrethe Vestager. Bevor an den geltenden EU-Regeln gerüttelt werde, brauche es eine breite Konsultation mit der Zivilgesellschaft, Tech-Expert:innen und Regulierungsbehörden, schreiben die Abgeordneten in einem offenen Brief an die Kommissarin.

Vestager hatte angekündigt,  möglicherweise große Online-Dienste wie Youtube und Netflix für ihren Datentransfer extra zur Kasse zu bitten. Davon profitieren würden die Provider: Betreiber wie Telekom Deutschland oder Telefonica wollen an den Profiten der IT-Branche mitnaschen und fordern einen „fairen Anteil“ ein. Seit Mai gibt es an dem Vorhaben scharfe Kritik.

Geplantes Gesetzespaket

Bereits im Herbst will die EU-Kommission ein Infrastrukturpaket vorstellen, den Connectivity Infrastructure Act. Das Paket soll die Weichen für den weiteren Ausbau von 5G- und Glasfasernetzen stellen. Es könnte auch die befürchteten Zugangsgebühren für Online-Dienste enthalten. Die Gebühren wären fällig, damit sie die Netze der Betreiber nutzen und Kund:innen in Europa erreichen können.

Solche erstmals eingeführten Aufschläge würden „Jahrzehnte erfolgreicher Internetwirtschaft“ umwerfen, warnen nun die EU-Abgeordneten in dem Brief. „Große Netzbetreiber versuchen seit Jahrzehnten, eine Vergütung von Inhalte-Anbietern einzufordern, um den Zugang zu Kund:innen herzustellen – trotz der Tatsache, dass Netzbetreiber bereits von ihren eigenen Kund:innen für den Internetzugang bezahlt werden.“

Unterzeichnet haben den Aufruf insgesamt 54 Abgeordnete vor allem linker, grüner und liberaler Parteien. Aus Deutschland beteiligen sich Patrick Breyer, Cornelia Ernst, Alexandra Geese, Helmut Scholz, Birgit Sippel und Tiemo Wölken.

Zurück in die Zukunft

Ähnliche Vorhaben wurden in der Vergangenheit bereits wiederholt begutachtet und verworfen, etwa vom Gremium Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (Gerek). Die Behörde war zuletzt 2012 zu dem Schluss gekommen, dass sich damit die Machtverhältnisse zugunsten der Netzbetreiber verschieben. Sie könnten demnach ihre Marktmacht missbrauchen wie zuvor auf dem Telefoniemarkt .

Derzeit untersucht Gerek die Forderungen der Telekommunikationsindustrie erneut. Dabei will das Gremium unter anderem feststellen, ob die früheren Ergebnisse heute noch haltbar und die Behauptungen der Telekomlobby gerechtfertigt sind. Allerdings sieht der Zeitplan vor, dass der Abschlussbericht erst im Dezember 2023 fertig sein wird.

Unklare Geldflüsse

Es gebe keine „Notsituation“, schreiben die Abgeordneten, die ein Handeln schon im Herbst 2022 nötig machen würde. Und sie weisen darauf hin, dass derartige Mehreinnahmen der Netzbetreiber nicht notwendigerweise in den Netzausbau fließen würden – ein zentraler Punkt in den Überlegungen der EU-Kommission. Tatsächlich wollte sich jüngst der stellvertretende Orange-Chef Ramon Fernandez partout nicht darauf festlegen, was mit dem zusätzliche Einkommen geschehen würde. Orange ist ein Netzbetreiber aus Frankreich.

In dem Brief warnen die Abgeordneten, Zwangsgebühren an die Netzbetreiber würden nicht nicht zu erweiterter, neuer Infrastruktur führen, selbst wenn die Finanzierung des Breitbandausbaus ein Problem wäre. Das zeige die Wirtschaftswissenschaft und die Geschichte.

Zugangsgebühren seien ein „ernsthaftes Risiko“ für das Internet, wie wir es kennen, heißt es weiter. Zudem sei es unwahrscheinlich, dass sie Probleme beim Ausbau lösen würden. „Wir verlangen, dass die EU-Kommission offiziell Gerek, Expert:innen und die breite Öffentlichkeit konsultiert, bevor sie grundlegende Änderungen an den EU-Regeln zur Netzneutralität und an der Internetwirtschaft vorschlägt“, fordern die Abgeordneten.


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