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Verfassungsbeschwerde: Staatstrojaner gehen uns alle an

Ein trojanisches Pferd in Flammen
Staatstrojaner gefährden uns alle (Symbolbild) – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Everett Collection

Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) hat ein Jahr nach Inkrafttreten der Verfassungsschutznovelle gemeinsam mit zehn Beschwerdeführer:innen Verfassungsbeschwerde eingereicht. Mit der Neuregelung dürfen alle 19 deutschen Geheimdienste Staatstrojaner einsetzen.

Die Änderung im Artikel-10-Gesetz greift in das Fernmeldegeheimnis und das Grundrecht auf die Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität von IT-Systemen ein. „Neue technische Überwachungsmöglichkeiten für alle Behörden – ohne Notwendigkeit, ohne Rücksicht auf gefährdete Grundrechte, ohne ausreichende Kontrolle“, sagt Jürgen Bering, der zuständige Jurist bei der GFF.

Auch ich gehöre zu den Beschwerdeführer:innen, genauso wie etwa die Anwältin Seda Başay-Yıldız, der GFF-Vorsitzende Ulf Buermeyer oder der Aktionskünstler und Journalist Jean Peters. Dass mehrere Journalist:innen dabei sind, liegt nahe: Denn wenn wir recherchieren und mit Quellen kommunizieren, sind wir darauf angewiesen, dass unsere Gespräche vertraulich bleiben.

Sind unsere Quellen durch staatliche Überwachung gefährdet, erschwert das unsere Arbeit. Gerade Quellen zu brisanten Themen könnten für Geheimdienste besonders interessant sein. Wenn Menschen Missstände an die Öffentlichkeit bringen wollen und befürchten, dass ihre Geräte infiltriert sind, werden sie vielleicht abgeschreckt. Oder bringen sich in Gefahr.

Es geht um uns alle

Doch es geht in der Beschwerde nicht nur um Journalist:innen, Anwält:innen oder andere, die in ihrem Beruf besonders auf sichere Kommunikation angewiesen sind. Es geht um uns alle. Denn mit jeder staatlichen Stelle, die Staatstrojaner einsetzen darf, steigt der Anreiz, gefundene Sicherheitslücken geheimzuhalten anstatt sie zu schließen. Und jede klaffende Lücke kann auch von anderen als dem Geheimdienst genutzt werden. Um Menschen mit der Weitergabe von intimen Bildern zu verletzen. Um Firmennetzwerke lahmzulegen. Um Stadtverwaltungen zu erpressen. Oder irgendwo das Licht auszuschalten.

Es gibt immer noch keine verbindliche Regelung dazu, wie der Staat mit solchen Schwachstellen umgehen will. Die letzte Regierung aus SPD und CDU hat keine Einigung zum Schwachstellen-Management gefunden und stattdessen die Befugnisse für Geheimdienste massiv ausgeweitet – gegen die Kritik von Sachverständigen.

Die aktuelle Regierung hat sich im Koalitionsvertrag ein Schwachstellenmanagement vorgenommen, der Staat werde „keine Sicherheitslücken ankaufen oder offenhalten“. Ob das genügt? Müssten sich staatliche Stellen nicht eigentlich auch dazu verpflichten, Sicherheitslücken niemals auszunutzen, auch keine bekannten?

Wenn die Einwände von Expert:innen immer wieder konsequent ignoriert werden und der Gesetzgeber verfassungswidrige Gesetze macht, bleibt am Ende der Gang vors Gericht. Immer wieder müssen Grundrechteverteidiger:innen nach Karlsruhe vor das Bundesverfassungsgericht ziehen, um gegen Gesetze vorzugehen. Eine Verfassungsbeschwerde ist der Versuch, einer falschen Entwicklung etwas entgegenzustellen und das mit guten Argumenten zu begründen. Dahinter steht die Hoffnung, dass die Richter:innen die Fehlentwicklung korrigieren. Aber die Diskussion über Staatstrojaner darf nicht nur in Karlsruhe stattfinden.


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