Eine Datenschutzstrafe gegen Apple lässt aufhorchen. Der wertvollste Konzern der Welt vermarktet sich gerne als Privacy Champion unter den Big-Tech-Unternehmen. Dabei mischt er längst im Geschäft mit Daten und Werbung mit.
Apple soll eine Datenschutzstrafe in Höhe von acht Millionen Euro zahlen, weil es das Verhalten von iPhone-Nutzer:innen im App-Store ohne Einwilligung getrackt hat. Das teilte Anfang Januar die französische Datenschutzbehörde CNIL mit, die die Strafe verhängt hat.
Die Aufsichtsbehörde hatte nach mehreren Beschwerden Apples Tracking-Praxis untersucht. In dem nun abgeschlossenen Verfahren geht es um Nutzer:innen mit dem Betriebssystem iOS 14.6. Wenn diese den App Store aufgerufen haben, speicherte Apple laut CNIL eindeutige Identifier auf ihren Geräten, um dieser wiedererkennen und ihr Verhalten analysieren zu können. Das nutzte der Konzern unter anderem für die Personalisierung von Werbung im App Store.
Hierzu wäre nach europäischem Datenschutzrecht, in diesem Fall der ePrivacy-Richtlinie nach, eine explizite Einwilligung notwendig gewesen. Inzwischen holt Apple diese Einwilligung vor dem Werbe-Tracking ein.
Der Konzern zeigt sich trotzdem verärgert über die Strafe und kündigte gegenüber dem US-Magazin Gizmodo an, das Bußgeld anzufechten: „Wir gehen mit Apple Search Ads weiter als jede uns bekannte digitale Werbeplattform, indem wir Nutzer:innen eine klare Wahl geben, ob sie personalisierte Werbung wollen oder nicht.“
Apple will Werbemarkt aufmischen
Das Bußgeld fällt mit acht Millionen Euro verhältnismäßig gering aus. Nicht nur im Vergleich zu Apples Milliardenumsätzen, sondern auch zu den Bußgeldern, die sich andere Tech-Konzerne aus den USA in der jüngeren Vergangenheit eingefangen haben. Allein Meta soll für unterschiedliche DSGVO-Verstöße insgesamt über eine Milliarde Euro Strafe zahlen.
Das Vorgehen der Datenschutzbehörde gegen den selbsternannten Privacy-Champion unter den Big-Tech-Konzernen ist allerdings als Anzeichen größerer tektonischer Verschiebung in der Welt der Online-Werbung zu sehen. Dazu gehört, dass das wertvollste Unternehmen der Welt – Marktwert zwei Billionen Dollar – mehr und mehr im Ad-Tech-Geschäft mitmischt. Während Apple sein Geld bislang überwiegend mit Hardware und Plattformen wie iTunes oder dem App Store verdiente, wachsen seine Werbeeinnahmen stetig.
Im Jahr 2022 machte Apple laut Gizmodo schätzungsweise bereits einen Umsatz von fünf Milliarden Euro mit Werbung. Der Konzern sucht zudem Personal für den Aufbau einer eigenen Werbeplatz-Handelsplattform und erwägt, künftig auch bei Apple TV Werbung zu verkaufen.
Die Einführung von Transparenzmaßnahmen beim App-Tracking durch Drittanbieter auf dem iPhone, die 2021 für Aufsehen sorgte, wird deshalb nicht nur als Schritt gesehen, Nutzer:innen mehr Kontrolle zu geben, sondern auch als Maßnahme gegen Konkurrenz auf dem Ad-Tech-Markt. Seit iPhone-Nutzer:innen bei der Installation neuer Programme prominent zur Entscheidung über Tracking durch Drittanbieter aufgefordert werden, soll allein Meta mehr als zehn Milliarden Dollar Umsatzeinbußen gehabt haben. Mehrere Verfahren bei Wettbewerbsbehörden sind deshalb anhängig.
Neuer Gatekeeper für das Ad-Tech-System
Auch darüber hinaus steht die Welt der Online-Werbung vor grundsätzlichen Veränderungen, für die Apple mitverantwortlich ist. Zum einen erklärten die europäischen Datenschutzbehörden das wichtigste Verfahren für Real-Time-Bidding für illegal. Zum anderen sägen Apple und Google schon seit längerem am bislang weit verbreiteten System der Third-Party-Tracking-Cookies. Geht es nach den beiden wichtigsten Anbietern von Browsern und Mobil-Betriebssystemen, sollen Daten über unser Online-Verhalten für die Personalisierung von Werbung nicht mehr von hunderten Firmen gesammelt und analysiert werden.
Stattdessen können Apple und Google ihre Dominanz nutzen, um zu konkurrenzlosen Instanzen für die Auswertung von Nutzer:innenverhalten zu werden. Der Londoner Tracking-Experte Michael Veale analysierte in einem Gastbeitrag auf netzpolitik.org, dass dies nicht nur die Marktmacht von Apple und Google stärken dürfte, sondern auch noch invasiverem Tracking den Weg ebnen könnte. Sie würden versuchen, „den Gravitationsschwerpunkt der Werbetechnik zu verlagern – vom Raum zwischen Websites, Apps und Drittanbieter-Servern auf den Raum zwischen Websites, Apps, Browsern und Betriebssystemen.“
Apple selbst verspricht, Datenschutz und personalisierte Werbung miteinander vereinen zu können. Das Bußgeld der französischen Aufsichtsbehörde spricht eine andere Sprache.
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