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Klimaproteste: Schikanen und Übergriffe gegen Presse in Lützerath

Die Klimaproteste rund um Lützerath sind weltweit Thema in den Medien. Dennoch schränken der Energiekonzern RWE und die Polizei die Pressefreiheit vor Ort ein. Die Journalist:innengewerkschaft dju schickt deshalb jetzt einen Beobachter ins Protestgeschehen.

Polizist steht vor einem Bauzaun, im Hintergrund Mitarbeiter von RWE in orangenen Westen und eine Schaufelradbagger
Der Polizei und dem Sicherheitsdienst von RWE werden Schikanen und Gewalt gegen Journalist:innen vorgeworfen. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Funke Foto Services

Das kleine Dorf Lützerath ist zum großen Symbol für die Klimapolitik der Bundesregierung geworden. Ein breites Bündnis der Klimabewegung hat den Weiler besetzt und seit heute darf die Polizei den Ort, der mittlerweile dem Energiekonzern RWE gehört, räumen. Der Konzern will das Dorf abreißen und Braunkohle abbaggern, deswegen steht Lützerath derzeit im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses – auch international.

Doch Journalist:innen, die aus Lützerath berichten, wird die Berichterstattung derzeit erschwert. Sowohl der Energiekonzern als auch die Polizei behindern sie bei der Ausübung ihrer Arbeit und schränken die Pressefreiheit ein. In den letzten Tagen kam es sogar zu tätlichen Übergriffen auf Medienvertreter:innen durch die Polizei und die Security des Konzerns.

Rechtlich bedenkliche Akkreditierung

Die Einschränkung der Pressefreiheit in Lützerath hat verschiedene Dimensionen. Da ist zum Beispiel die vermeintlich offizielle Akkreditierung durch die Polizei, die eigentlich gar nicht nötig wäre.

Bei vielen Events und großen Protesten hat sich in den letzten Jahren eingebürgert, dass die Polizei Journalist:innen „offiziell“ akkreditiert und damit den eigentlich überall geltenden Presseausweis abwertet. Gerade Journalist:innen aus dem Bewegungsumfeld, die aus Perspektive des Protests berichten, haben durch solche Akkreditierungen in der Vergangenheit Nachteile gehabt. Dabei besteht auch die Gefahr, dass die Polizei Journalist:innen durchleuchtet, was der Deutsche Journalistenverband DJV schon im Jahr 2011 im Kontext von Castor-Transporten kritisierte.

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Die Aachener Polizei führt solche Akkreditierungen durch und verteilt extra Warnwesten an die von ihr akkreditierten Journalist:innen. Die Akkreditierung sei „für alle Journalistinnen und Journalisten freiwillig und ist als Angebot der Polizei Aachen zu sehen, nicht als Verpflichtung“ verkündete die Behörde. Doch Pressevertreter:innen und die Journalistengewerkschaft dju kritisieren die Praxis.

Zwar werde die polizeiliche Akkreditierung bislang nicht restriktiv gehandhabt, sagt Matthias von Fintel aus dem ver.di Bundesvorstand gegenüber netzpolitik.org. Doch er halte solche Akkreditierungen für „grundsätzlich rechtlich bedenklich bei Ereignissen von öffentlichem Interesse“. Es müsse immer möglich sein, auch ohne eine solche Akkreditierung mit dem Presseausweis der journalistischen Tätigkeit nachzugehen, so von Fintel weiter.

„Räumlich begrenzter Zugang“

In einem Presseleitfaden der Polizei Aachen (PDF), den wir veröffentlichen, werden weitere einschränkende Regeln für Journalist:innen verkündet. In der Broschüre, die den Eindruck erweckt, als sei sie ein gemeinsames Dokument von Polizei und RWE, heißt es unter anderem im Kapitel von RWE:

Zum Zwecke Ihrer journalistischen Tätigkeit gestatten wir Ihnen einen zeitlich und räumlich begrenzten Zugang zum Bereich der ehemaligen Siedlung. Notwendige Einschränkungen dienen der Sicherheit aller Beteiligt[en.] (Fehler im Original)

Trotz des großen, internationalen öffentlichen Interesses wird vermeintlich großzügig ein begrenzter Zugang nach Lützerath „gestattet“. Bestimmte Bereiche sind laut RWE für Journalist:innen jedoch explizit verboten. So heißt es in einem Abschnitt des Leitfadens, in dem RWE seine Regeln verkündet:

Die Zutrittsgestattung gilt nicht für das durch einen beschilderten Wall gekennzeichnete Betriebsgelände; insbesondere darf der das Betriebsgelände kennzeichnende Wall östlich der L277 nicht überschritten werden.

Doch genau in diesem Bereich finden Proteste und polizeiliche Maßnahmen statt, wie die taz berichtet. Nach „Anweisung“ von RWE sollen Journalist:innen hier nur aus der Ferne berichten dürfen. Eine Einschränkung, die auch die Journalistengewerkschaft dju kritisch sieht.

Schikanen und Übergriffe

Neben diesen Einschränkungen der Pressefreiheit gibt es immer mehr Berichte von Schikanen durch den Sicherheitsdienst von RWE und durch die Polizei gegenüber Journalist:innen. So berichtet Jörg Reichel von der dju Berlin-Brandenburg auf Twitter, dass mehrere Journalist:innen am vergangenen Sonntag von der Security des Konzerns nicht zum „Presseparkplatz“ durchgelassen wurden und einen Umweg hätten nehmen müssen.

Kamera-Teams mit schwerer Technik, wie das des WDR, lässt die RWE-Sicherheitsabteilung entgegen der Zusicherungen der Polizei nicht näher an Lützerath ran, sie müssen mit der sperrigen Ausrüstung einen Kilometer weit laufen. Reichels Gewerkschaftskollege Matthias von Fintel sieht hier im Gespräch mit netzpolitik.org eine Schuld auch bei der von RWE beauftragten Security-Firma. Sie sei vermutlich sehr auf die Einhaltung des Hausrechts, nicht aber auf den Umgang mit Journalist:innen geschult oder beauftragt worden.

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Aber auch die Polizei scheint Journalist:innen zu schikanieren, der Gewerkschafter Reichel berichtet von einer unterschiedlichen Behandlung verschiedener Pressevertreter:innen beim Zugang zu bestimmten Bereichen. In mehreren Fällen wurden Pressevertreter:innen auch tätlich angegriffen. So schlug ein Polizist am vergangenen Sonntag einem Fotografen, der filmte, das Handy aus der Hand und diesen offenbar noch zwei Mal mit dem Schlagstock auf den Kopf.

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Insgesamt weiß Matthias von Fintel von etwa einem Dutzend Übergriffen auf Journalist:innen, die seit Beginn der Berichterstattung passiert sind. Diese ordnet der Gewerkschafter aber bislang nicht als „gezielte gewalttätige Übergriffe erheblichen Ausmaßes“ ein, sondern eher im Bereich der Handgreiflichkeiten.

Schon Anfang Januar hatte die RWE Security eine Journalistin angegriffen, berichtet Jörg Reichel auf seinem Twitter-Account. Nachdem sie ihren Presseausweis zeigte, wurde die Reporterin erst nicht durchgelassen und dann von einem Sicherheitsmann an beiden Oberarmen festgehalten.

Gewerkschaft schickt Beobachter

Die Polizei sagt selbst, dass sie von RWE die „Prokura“ für die Akkreditierung von Journalist:innen bekommen habe, das heißt, dass der Konzern die Akkreditierungspraxis und den Umgang mit Medienvertreter:innen der Polizei überlässt.

„Damit geht aber auch die Verantwortung der Polizei einher, mit der Presse so umzugehen, dass eine freie Berichterstattung 24/7 möglich ist“, sagt dju-Gewerkschafter Reichel gegenüber netzpolitik.org. Die Polizei müsse hier abwägen zwischen dem Hausrecht von RWE und dem großen öffentlichen Interesse an Lützerath und damit der Pressefreiheit. Sie dürfe sich nicht hinter dem Energiekonzern verstecken.

Die Gewerkschaft hat aus den Vorfällen nun eine Konsequenz gezogen. Sie wird einen direkten Ansprechpartner für Journalist:innen vor Ort in Lützerath abstellen, der auch als Beobachter tätig ist. Mehrere Menschen arbeiten im Hintergrund daran, die Fälle zu betreuen, zu dokumentieren, zu prüfen und die Betroffenen zu beraten.


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