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MobiPol: Polizei Hamburg scannt Fingerabdrücke jetzt auch per Handy

Polizist guckt auf ein Handy

Seit einigen Wochen setzt die Hamburger Polizei eine Software ein, mit der Fingerabdrücke per Handykamera eingescannt werden können. Die App „mDakty“ ist Teil eines größeren Projektes. Unter dem Titel „MobiPol“ verwendet die Polizei Hamburg Diensthandys von Apple mit umfangreichen Funktionen.

Von der Fingerabdruck-App verspricht sich die Polizei eine Vereinfachung der Prozesse. Aktuell müssen Personen, deren Fingerabdrücken aufgenommen werden sollen, zu einer Polizeiwache gebracht werden. Das ist zum Beispiel möglich, um Beweise zu sichern, oder um die Identität von unbekannten Personen festzustellen.

Fingerabdrücke sind sensible biometrische Daten. Und von denen hat die Polizei ganz schön viele: die Fingerabdrücke von über fünf Millionen Menschen finden sich in den Datenbanken des Bundeskriminalamtes. 60.000 neue kommen pro Monat hinzu. Für die Polizei Hamburg ist das Sammeln der Daten nun noch einfacher.

Ob das einfachere Abnehmen der Fingerabdrücke in Zukunft dazu führt, dass die Polizei häufiger diese biometrischen Merkmale erfasst, wird sich bei gängiger Praxis nicht überprüfen lassen. Die Polizei Hamburg sagt auf Nachfrage: „Valide Daten für die Häufigkeit des Einsatzes von mDakty/Fast-ID werden ebenso wenig erhoben wie für die Häufigkeit der Abnahme von Fingerabdrücken insgesamt.“

3.400 Smartphones für Hamburger Polizist*innen

Die Fingerabdruck-App ist zwar neu, die Diensthandys gibt es aber schon seit April 2020. Für diese wurden mehrere Apps entwickelt, die zusammen das Projekt „mobile Polizeianwendungen“ (MobiPol) bilden. 3.400 iPhones sind aktuell in Hamburg im polizeilichen Einsatz.

Zu den Funktionen gehören laut der Mitarbeiterzeitschrift „Hamburger Polizei Journal“ (HPJ) neben mDakty auch Apps zum Anlegen von Vorgängen und Aktenzeichen, zum Abrufen von Informationen aus Polizeidatenbanken und ein sicherer Messenger. Apps zum Scannen von Kennzeichen und Ausweisdokumenten und zum Übersetzen und Diktieren von Texten sollen folgen.

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Diensthandys dürfen auch privat genutzt werden

Das HPJ wirbt außerdem damit, dass Polizist*innen die Geräte auch für private Zwecke nutzen dürfen, „allerdings in einem vertretbaren Rahmen“. Damit soll die Nutzung der Handys wohl für die Einsatzkräfte attraktiver gemacht werden: „das steigert die Akzeptanz bei den Kollegen“, sagt Hauptkommissarin Silke Niemann gegenüber dem Hamburger Abendblatt. Nach Dienstschluss dürften die Beamt*innen die Smartphones behalten. Der private und der dienstliche Bereich seien aber technisch voneinander getrennt, so dass keine Daten zwischen den Bereichen übertragen werden könnten.

Polizist Oliver von Dobrowolski, Gründer der Initiative „BetterPolice“, die sich für Reformen innerhalb der Polizei einsetzt, kritisiert die private Nutzung gegenüber netzpolitik.org:

Eine technische Lösung, die den nutzenden Polizeimitarbeiter:innen jedoch einen privaten Gebrauch des Geräts erlaubt oder z.B. durch mangelhafte Protokollierung sensibler Datenzugriffe einen Missbrauch begünstigt, ist definitiv abzulehnen.

In Berlin seien die Funktionen von Diensthandys auf dienstliche Zwecke beschränkt. Generell begrüße er Geräte wie in Hamburg jedoch, da sie die Abläufe erleichtern und weniger invasive Eingriffe bei Betroffen nötig machen würden.

Zugriff auf Datenbanken jetzt auch von unterwegs

„Mobiles Auskunfts- und Recherchesystem“ (mARS) heißt die App, die mobilen Zugriff auf diverse Polizeidatenbanken bieten soll. Auf Informationen, die bisher nur am Dienstrechner oder über den Polizeifunk abgefragt werden konnten, kann so auch im Einsatz per Smartphone zugegriffen werden. Das können personenbezogene Daten einer Vielzahl von Menschen sein, die schon einmal mit der Polizei in Kontakt waren – als Beschuldigte, aber auch als Opfer oder Zeug*innen.

Auf Nachfrage von netzpolitik.org teilte die Polizei Hamburg mit, dass dabei die selben Protokollierungspflichten und -mechanismen gelten, wie auch für den Zugriff über Dienstrechner.

Dort werden Datenabfragen zwar protokolliert, die Begründungen für die Zugriffe werden aber nur stichprobenartig kontrolliert. In den letzten Jahren gab es hunderte Verfahren wegen missbräuchlichen Datenbankzugriffen durch verschiedene deutsche Polizeien. Auch werden Daten teilweise unnötig gespeichert, Löschfristen oft nicht eingehalten.

Auch wenn die gesetzlichen Rahmenbedingungen gleich bleiben, wird der Zugriff auf die Daten dennoch leichter. Probleme wie grundlose Speicherung von Daten und fehlende Kontrolle bei Abfragen könnten mit der erweiterten Verfügbarkeit des Datenzugriffs zunehmen.

Person in Polizeikontrolle. Das Gesicht ist rot markiert, in der linken Bildhälfte steht der Hinweis "gewalttätig"
So stellt die Polizei Hamburg die Hinweis-Funktion in einem PR-Video dar. - Alle Rechte vorbehalten Screenshot: Polizei Hamburg auf youtube.com

Stigmatisierende Hinweise

Die neuen Diensthandys zeigen Hinweise auf Bewaffnung, Ansteckungsgefahr oder Gewalttätigkeit sogar mittels Vibrationsalarm an. Solche „personengebundenen Hinweise“ können ohne eine Verurteilung eingetragen werden, es reichen Anhaltspunkte und eingestellte Ermittlungen.

Besonders die Kennzeichnung „ansteckend“, die für Menschen mit HIV oder Hepatitis verwendet werden kann, steht in der Kritik. Die deutsche Aidshilfe bezeichnet sie als „stigmatisierend und kontraproduktiv“. Die Übertragung dieser Krankheiten sei ihm Rahmen von Polizeieinsätzen sehr unwahrscheinlich, durch den Warnhinweis würden aber Vorurteile und Ängste gegenüber Infizierten geschürt.

Weder diese Hinweise, noch die Datenbanken im Allgemeinen sind also neu, sind durch die App aber wohl noch präsenter im Hamburger Polizeialltag geworden – mit all ihren Problemen.


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