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Neue Urheberrechtsbehörde: Frankreich plant Netzsperren gegen illegales Streaming

Mann mit Totenkopfmaske und Sonnebrille sitzt in dunklem Raum.

Im Kampf gegen illegales Streaming greift Frankreich zu härteren Maßnahmen. Das Gesetz zur „Regulierung und zum Schutz des Zugangs zu kulturellen Werken im digitalen Zeitalter“ soll rechtswidrige Echtzeit-Übertragungen von Sportevents den Riegel vorschieben. Auch Streaming und Tausch von Filmen, Serien und Musik soll erschwert werden – unter anderem durch Netzsperren und „schwarze Listen“. Durchsetzen soll das die eigens gegründete Behörde für digitale audiovisuelle Kommunikation l’Autorité de régulation de la communication audiovisuelle, kurz: Arcom.

Arcom soll nicht nur das geistige und kulturelle Eigentum im Netz schützen, sondern auch gegen Falschmeldungen und Hatespeech vorgehen. Bereits am 29. September hatte das französische Parlament das Gesetz mit 49 zu vier Stimmen verabschiedet. „Online-Piraterie ist immer eine Form des Diebstahls: Diebstahl eines Werks und Diebstahl von Urheberrechten. Wir haben nun endlich Werkzeuge, um dem ein Ende zu setzen“, sagte Aurore Bergé, Abgeordnete der Regierungspartei La République en Marche, die maßgeblich an der Gestaltung des Gesetzes beteiligt war.

Adieu Hadopi, hallo Arcom

Bisher war vor allem die Hohe Behörde für die Verbreitung von Werken und den Schutz von Rechten im Internet (Haute Autorité pour la diffusion des œuvres et la protection des droits sur Internet, kurz: Hadopi) für den Schutz des Urheberrechts im Netz zuständig. Dabei kam ein abgestuftes Warnsystem zum Einsatz: Erst bei wiederholten Verstößen müssen User:innen damit rechnen, dass der Fall vor Gericht kommt und eine Geldstrafe verhängt wird. Nennenswerte Erfolge konnte die Hadopi damit bisher nicht verzeichnen. Seit ihrer Gründung im Jahr 2009 kommen auf geschätzte Betriebskosten von 82 Million Euro Einnahmen durch Bußgelder in Höhe von 87.000 Euro, wie es im Jahresbericht von 2019 heißt.

Neben der Hadopi konnte bisher auch der Oberstern Rat für audiovisuelle Medien (Conseil supérieur de l’audiovisuel, CSA) Urheberrechtsverletzungen im Netz regulieren. Seit Februar 2012 bestimmt die Behörde etwa, in welcher Form Ausschnitte von Sportveranstaltungen im Netz gezeigt werden dürfen.

Den Misserfolg ihrer Vorgänger soll Arcom jetzt richten. Als Zusammenschluss von Hadopi und CSA erhält die neue Behörde deutlich mehr Macht, um illegales Streaming zu bekämpfen. Während Hadopi lediglich die IP-Adressen von Nutzer:innen erfassen konnte, die Peer-to-Peer-Netzwerke (P2P) nutzen, darf Arcom auch gegen widerrechtliches Streaming und illegale Echtzeit-Übertragung von Sportereignissen vorgehen. Letzteres hat besondere Priorität: Im Gegensatz zu Filmen oder Serien verlieren Übertragungen von Sport-Events nach der Ausstrahlung fast augenblicklich ihren Wert. Ziel der neuen Behörde ist es daher, illegale Live-Streams so schnell wie möglich offline zu schalten.

Damit will die französische Regierung auf die Entwicklung der vergangenen zehn Jahre reagieren: Laut dem Jahresbericht der Vorgängerinstitution Hadopi für das Jahr 2020 konsumiert rund ein Viertel der französischen Nutzer:innen illegale Unterhaltungsangebote im Netz. Besonders häufig kommt das in der Altersgruppe der 15- bis 24-Jährigen vor. Laut Kulturministerin Roselyne Bachelot führt illegales Streaming zu Verlusten in Höhe von 1,3 Milliarden Euro pro Jahr. Allerdings zeigt die Statistik auch, dass 62 Prozent der User:innen zugleich ein Abo bei einem legalen Streaming-Anbieter abgeschlossen haben.

Netzsperren gegen illegales Streaming

Das neue Gesetz berechtigt Provider, Seiten zu sperren. Das ist entweder durch die direkte Sperrung der IP-Adresse oder das Löschen von Einträgen aus den DNS-Servern möglich. Zudem sollen Suchmaschinen diese Seiten nicht mehr in ihren Suchergebnissen anzeigen. Arcom führt zu diesem Zweck eine „schwarze Liste“. Auf der Liste landen angeblich nur die Seiten, die mehrfach durch das illegale Verbreiten von Filmen und Serien oder Echt-Zeitübertragungen von Sportveranstaltungen aufgefallen sind.

Netzsperren gegen illegales Sport-Streaming sind auch in der EU ein Thema. Zuletzt forderte das EU-Parlament, widerrechtliche Übertragungen innerhalb von 30 Minuten zu sperren.

Außerdem plant die französische Behörde härtere Maßnahmen im Kampf gegen sogenannte Mirrorseiten. Das sind Seiten, die Inhalte von gesperrten Seiten kopieren und unter einer neuen Adresse ins Netz stellen. Möglich wird das, indem sie Domänennamen verwenden, die von einem gerichtlichen Urteil nicht betroffen sind. Das soll sich mit dem neuen Gesetz nun ändern: Internetdienstanbieter:innen dürfen zukünftig auch Mirrorseiten sperren.

Netzsperren gibt es in Frankreich schon länger. Laut dem diesjährigen Bericht von Freedom House zur Freiheit im Netz zählt Frankreich zu einem der Länder, die seit 2019 durch eine gerichtliche Entscheidung den Zugang zu den Seiten Sci-Hub and LibGen blockiert haben. Diese Seiten bieten widerrechtlich freien Zugang zu Millionen von kostenpflichtigen akademischen Publikationen an. Seit den Terrorattacken im Jahr 2015 sperrt der französische Staat auch Webseiten mit terroristischen Inhalten – auch ohne richterliche Kontrolle.

Netzsperren auch für Pornoseiten ohne Altersprüfung

Ein anderes Argument für den Einsatz von Netzsperren liefert der Jugendschutz. Erst Anfang Oktober diesen Jahres hatte die französische Regierung ein Dekret erlassen, dass es dem CSA erlaubt, Pornoseiten zu blockieren, die nicht nach dem Alter ihrer Nutzer:innen fragen. Dazu gehören auch die Schwergewichte der Branche wie PornHub, YouPorn und Xvideos. Internetbetreiber:innen sollen „mit allen geeigneten Mitteln, einschließlich der Verwendung des Domain Name Blocking Protocol (DNS)“ vorgehen, heißt es in dem Dekret.

Auch wenn das Gesetz im französischen Parlament größtenteils auf Zustimmung traf, steht das Gesetz in der Kritik. Vor allem die Netzsperren sind höchst umstritten. Stimmen aus der Zivilgesellschaft sehen eine Gefahr für die Kommunikationsfreiheit. Das Gesetz gebe der Verwaltung noch mehr Macht und erhöhe die Gefahr von „Zensur ohne Gericht“, kritisierte die Digital-NGO La Quadrature du Net. Auch die französische Behörde für die Regulierung der Telekommunikation (Arcep) warnte im Frühjahr, die Maßnahmen seien unverhältnismäßig. Durch das Sperren von Seiten würden Internetdienstanbieter:innen hohe Überwachungspflicht aufgehalst, hieß es. Zudem bezweifelte die Behörde, dass das Gesetz mit EU-Recht vereinbar sei.


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