Nach dem Pegasus-Skandal will Spanien sein Gesetz zur Geheimhaltung ändern. Der neue Gesetzesentwurf erntet Kritik.
Die spanische Regierung hat angekündigt, die Gesetze zur Geheimhaltung von Dokumenten zu reformieren. Anlass ist der Pegasus-Abhörskandal. Im April war bekannt geworden, dass der spanische Geheimdienst unter anderem Politiker*innen der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung mit Hilfe des Staatstrojaners Pegasus ausspioniert hatte. Betroffen von der Ausspähung war auch der Regierungschef von Katalonien, Pere Aragonès.
Mit Pegasus können Messenger-Dienste wie WhatsApp, aber auch Telefonate abgehört werden. Außerdem ist die Spähsoftware in der Lage, unbemerkt Mikrofon und Kamera des jeweiligen Smartphones zu aktivieren.
Das neue Gesetz, das am 1. August vorgestellt wurde, soll die Aufklärung des Abhörskandals erleichtern. Derzeit existiert in Spanien keine Ablauffrist für Dokumente, die als geheim eingestuft sind. Die spanische Gesellschaft kann diese dann für unbestimmte Zeit nicht einsehen. Die bestehende Reglung wurde im Jahr 1968 vom Diktator Francisco Franco eingeführt.
Wie Euractiv berichtet, plant die spanische Regierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez, Sperrfristen festzulegen, nach deren Ablauf die Dokumente für die Öffentlichkeit zugänglich sind. Die Gesetzesreform sieht vier Geheimhaltungsklassen vor: eingeschränkt, vertraulich, geheim und streng geheim. Die Sperrfristen betragen je nach Kategorie 4 bis 50 Jahre, bei besonders sensiblen Dokumenten bis zu 65 Jahre.
Kritiker*innen kritisieren fehlenden Whistleblower-Schutz
Eine Gruppe von 21 Nichtregierungsorganisationen übt Kritik an der Gesetzesänderung. Die Aktivist*innen bemängeln, dass Journalist*innen und Whistleblower*innen mit drastischen Geldstrafen rechnen müssen, wenn sie geheime Dokumente veröffentlichen – laut Gesetzesentwurf bis zu drei Millionen Euro.
„Natürlich brauchen wir einige Ausnahmen für die nationale Sicherheit. Aber es sollte auch einige Ausnahmen für die Meinungsfreiheit und das öffentliche Interesse geben. Und wir müssen wissen, was genau die Konsequenzen für Journalist*innen oder andere sind, die Informationen preisgeben“, erklärt die Direktorin der NGO Access Info, Helen Darbishire, gegenüber Euractiv.
Außerdem kritisieren Aktivist*innen, dass die neuen Kategorien und Sperrfristen nicht auf ältere, als geheim eingestufte Dokumente angewendet werden können. Zahlreiche Dokumente etwa aus der Franco-Diktatur blieben damit weiterhin geheim.
Darüber hinaus sind die Nichtregierungsorganisationen mit dem Entstehungsprozess des Gesetzes unzufrieden. „Wir fordern die Regierung auf, die Konsultationsfrist um einen weiteren Monat zu verlängern, um eine echte Beteiligung zu ermöglichen. Es ist ein Skandal, dass eine Konsultation zu einem so wichtigen Thema während der Ferienzeit unter dem Radar durchgeschoben werden soll“, bemängelt Darbishire.
Spanien ist kein Einzelfall
Die Gesetzesänderung ist nicht die einzige Reaktion auf den Abhörskandal. Bereits im Mai hatte die spanische Regierung die Chefin des spanischen Geheimdienstes CNI, Paz Estebán, ihres Amtes enthoben. Estebán hatte zuvor eingeräumt, dass ihre Behörde katalanische Unabhängigkeitsbefürworter mit Hilfe der Pegasus-Software ausgespäht hatte. Die spanische Minderheitsregierung kündigte damals eine umfassende Aufarbeitung der Affäre an. Sie ist im Parlament auf die Stimmen der Katalanen angewiesen.
Der spanische Ausspähskandal ist in Europa kein Einzelfall. Soweit bekannt ist, haben auch die Behörden 11 weiterer EU-Länder Pegasus eingesetzt, unter anderem in Deutschland, Ungarn und Polen. Ein Untersuchungsausschuss des Europäischen Parlaments geht derzeit der Frage nach, in welchem Umfang industrielle Staatstrojaner in der EU eingesetzt werden und ob Mitgliedsstaaten dabei gegen geltendes Gesetz verstoßen haben.
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