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Berlin: Ausweispflicht im Freibad als Sicherheitstheater

Berlins CDU-Bürgermeister Kai Wegner führt im Hauruck-Verfahren eine Ausweispflicht für Freibäder ein. Angeblich soll das Gewalt und Randale eindämmen. Zunächst steckt dahinter aber nur Symbolpolitik – und Berlins Datenschutzbehörde hinterfragt den Sinn.

Sichetheitsmann steht vor Schwimmbecken
Ein Sicherheitsmann posiert vor einem Schwimmbecken im Berliner Prinzenbad. (Archivbild von 2008) – Alle Rechte vorbehalten imago/Uwe Steinert

Am gestrigen Donnerstag hatte Berlins Regierende Bürgermeister, Kai Wegner (CDU), Ausweiskontrollen in Schwimmbädern des Landes angekündigt. Jetzt verkündigen die Bäder-Betriebe nur einen Tag später per Pressemitteilung, dass die Ausweiskontrollen sofort losgehen:

Zugang zu den Freibädern ist ab Sonnabend, den 15. Juli, nur noch gegen Vorlage eines Lichtbildausweises möglich. Das kann ein Personalausweis ebenso sein wie ein Führerschein oder ein Schülerausweis. Das Dokument muss am Eingang vorgezeigt werden.

Hintergrund der Maßnahmen sind unter anderem Schlägereien und Straftaten in Berliner Bädern, die für eine bundesweite Debatte gesorgt hatten. Die neue Ausweiskontrolle kommt so schnell, dass offenbar noch niemand überprüft hat, wie das mit dem Datenschutz vereinbar ist. Wir haben hierzu bei der Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit nachgefragt. Der Aufsichtsbehörde sei bislang nichts zur Ausgestaltung der Ausweispflicht bekannt, kündigt jedoch eine Prüfung an.

Unter anderem werde zu prüfen sein, was die Ausweispflicht bezwecken soll: „Soll diese der Erleichterung der Verfolgung von Straftaten dienen oder auch eine präventive Wirkung haben?“, schreibt eine Sprecherin auf Anfrage von netzpolitik.org. Überprüfen will die Datenschutzbehörde auch, ob die Maßnahme überhaupt geeignet ist, die gewünschten Ziele zu erfüllen und Freibäder sicherer zu machen.

Symbolisch auf den Ausweis schauen

Wie die Ausweispflicht eigentlich umgesetzt wird, weiß man bei den Berliner Bäder-Betrieben offenbar selbst nicht genau. Noch am Freitagmorgen schrieben die Bäder-Betriebe auf unsere Fragen zur Datenverarbeitung und Kontrollabläufen:

Wir stecken mit allen diesen Entscheidungen noch sehr am Anfang. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt nicht auf Ihre Fragen antworten können.

Das ist ein Hinweis darauf, dass die ab sofort geltende Ausweispflicht im Freibad zunächst symbolisch ist, eine Art Sicherheitstheater. Anscheinend werden einfach Ausweise betrachtet – ohne genau zu wissen, was man damit tun soll.

Die Berliner Datenschutzbeauftragte will das genauer wissen, wie aus der Antwort der Behörde hervorgeht. Es stelle sich die Frage, ob die erhobenen Daten an Dritte übermittelt werden, insbesondere an Strafverfolgungsbehörden. Die Datenschützerin verweist hier auf das Personalausweisgesetz. Dort stehen „enge gesetzliche Vorgaben zur Verarbeitung von Ausweisdaten“ durch öffentliche und nicht-öffentliche Stellen.

Zuerst mildere Mittel einsetzen

Maßnahmen für mehr Sicherheit in Freibädern müssten laut Datenschutzbehörde „gesetzlich zulässig und verhältnismäßig“ sein. Zugleich müssten sie geeignet sein, die angestrebte Sicherheit in den Bädern wirklich zu erreichen. Die Ausweiskontrolle greife in der das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein. Man müsse mildere Mittel prüfen, etwa die „Verstärkung des Sicherheitspersonals, der Einsatz von Deeskalationsteams, die Begrenzung der Anzahl von Badegästen, die sicherheitsfördernde Ausgestaltung des Freibad-Areals“.

Zumindest einen Teil dieser Maßnahmen haben die Bäder-Betriebe schon in ihrer Pressemitteilung angekündigt: mehr Sicherheitspersonal und Einlass-Stopps, wenn das Bad zu voll wird. Zusätzlich soll es noch mobile Wachen der Polizei vor dem Freibad geben und eine Videoüberwachung am Eingang – auch das dürfte die Datenschutzbehörde interessieren. Am Problem von vor allem durch Männer ausgeübte Gewalt rütteln Kameras und Ausweiskontrolle derweil wenig.


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