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Sexualisierte Gewalt gegen Kinder: BKA verbreitet irreführende Pressemitteilung

In einer Pressemitteilung erweckt das Bundeskriminalamt den Eindruck, als würde die Verbreitung von Darstellungen sexualisierter Gewalt gegen Kinder immer weiter ansteigen. Was eigentlich hinter den gestiegenen Fallzahlen steckt, sagt die Behörde erst in einer Langfassung der Statistik.

Clown Pennywise mit einem Faltschiffchen in der Hand
Das BKA als Überbringer schlechter Nachrichten. (Symbolbild) – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Panama Pictures

„Weniger Wohnungseinbrüche und Diebstahldelikte, dafür mehr Straftaten im Zusammenhang mit Darstellungen sexualisierter Gewalt gegen Kinder sowie im Bereich Cybercrime“, so fasst das Bundeskriminalamt selbst seine jüngste Statistik zusammen, die sich mit der Entwicklung der Kriminalität in der Pandemie beschäftigt.

Dabei sind einige Zusammenhänge klar: Durch die Pandemie war die Mobilität eingeschränkt, mehr Menschen hielten sich zuhause auf, das wirkt sich auf die Wohnungseinbrüche aus, weil diese deutlich schwieriger sind, wenn die Einbrechenden nicht unbemerkt in Wohnungen kommen. Ebenso klar erklärbar ist der starke Anstieg von Straftaten wie dem Fälschen von Gesundheitszeugnissen.

Soweit so logisch und erwartbar.

Weniger logisch wird es, wenn das BKA in seiner Pressemitteilung behauptet, dass die durch die Pandemie bedingte beschleunigte Digitalisierung „Gelegenheiten für Straftaten im Zusammenhang mit der Darstellung sexualisierter Gewalt gegen Kinder und sexuellen Missbrauch von Kindern“ ermöglicht habe. Und dann den Zusammenhang herstellt: „Der bereits seit Jahren zu beobachtende Trend steigender Fallzahlen hat sich in beiden Bereichen während der Pandemie noch einmal verstärkt.“

Gefährliche Verkürzung 

Richtig ist, dass die Fallzahlen in der Polizeilichen Kriminalitätsstatistik seit Jahren deutlich hochgehen. Doch schon im März dieses Jahres kam durch eine kleine Anfrage (PDF) heraus, dass die starke Steigerung von Kindesmissbrauchsdarstellungen in der Kriminalitätsstatistik „ein Ergebnis der verstärkten Aufhellung des hohen Dunkelfeldes“ ist. Das heißt konkret, dass nicht die Anzahl der pädokriminellen Taten an sich steigt, sondern immer mehr Täter:innen ins Visier von Ermittlungen gelangen.

Das sagt auch das BKA. Allerdings erst in der Langfassung der Statistik (PDF), die deutlich weniger Menschen lesen dürften als die Pressemitteilung. Dort heißt es dann:

Hauptansatz zur Erklärung der starken Anstiege in diesem Bereich ist – wie schon in den Vorjahren – das gestiegene Hinweisaufkommen über das National Center for Missing and Exploited Children (NCMEC). Weitere Erklärungsansätze liegen in den Ermittlungen zu den Verfahrenskomplexen in Nordrhein-Westfalen, in deren Nachgang weitere Tatverdächtige ermittelt werden konnten, sowie in der stark gestiegenen, oftmals unbedachten Verbreitung entsprechender Darstellungen durch Kinder und Jugendliche über soziale Medien.

An der Realität vorbei

Obwohl ein jahrelanges Sinken der erfassten Straftaten zu verzeichnen ist, nehmen viele Menschen stattdessen an, dass sich die Kriminalität gesteigert habe. In einer Gesellschaft, in der die Mehrheit der Menschen das Ausmaß an Kriminalität falsch wahrnimmt, können Aussagen wie jene in der Pressemitteilung des BKA in irreführende Berichterstattung münden. Das ist in einer Situation, in der die EU-Kommission versucht, mit der Chatkontrolle eine neue Form von Massenüberwachung einzuführen, nicht unerheblich.

Ein kleiner Nebensatz, der erklärt, warum also mehr Straftaten bei der Verbreitung von Darstellungen sexualisierter Gewalt erfasst werden, hätte gereicht, um den Eindruck zu vermeiden, dass alles immer schlimmer wird.


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