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Kommentar: Patente helfen nicht gegen Pandemien

Bild von Covid-19-Impfstoffampullen

Noch während das Virus sich weltweit ausbreitete, begannen die Anstrengungen auf der Suche nach lebensrettenden Medikamenten. Das Ziel: mit massiven öffentlichen Investitionen in die Forschung die Ausbreitung und den Verlauf der potenziell tödlichen Krankheit aufzuhalten. Doch obwohl die Anstrengungen letztlich von Erfolg gekrönt waren, mussten Millionen Menschen sterben. Sie hatten schlicht keinen Zugang zu Medikamenten.

Diagramm: Zahl der HIV-Toten in Afrika und in den USA im Zeitverlauf
Als in den USA die Zahl der HIV-Toten bereits stark zu sinken begann, stieg die Zahl der Toten in Afrika noch über Jahre weiter an. - Alle Rechte vorbehalten Nkengasong et al. (2020), Nature 586, 197-199

So lässt sich die Geschichte im Kampf gegen HIV/AIDS kurz zusammenfassen. Alleine in Afrika starben schätzungsweise rund 12 Millionen (!) Menschen zwischen 1997 und 2007 an der Immunschwächekrankheit, während die Todeszahlen in reichen Industrieländern abrupt zurückgingen (siehe Abbildung). Mitverantwortlich dafür: der strenge Patentschutz im TRIPS-Abkommen der Welthandelsorganisation (WTO) und die viel zu zögerliche Nutzung von Ausnahmebestimmungen.

Heute können wir beobachten, wie sich die Geschichte im Fall von Covid-19 quasi im Zeitraffer wiederholt. Wieder drohen wir den Wettlauf mit der Zeit zu verlieren und wieder dauert es zu lange, Ausnahmen im TRIPS-Abkommen auszuschöpfen. Denn das TRIPS-Abkommen sieht explizit die Möglichkeit vor, im Notfall Patentschutz auszusetzen. Und wenn die Corona-Pandemie kein Notfall ist, der ein Aussetzen des Patentschutzes rechtfertigt, was dann? 

Bereits im Oktober 2020 forderten Indien und Südafrika, genau das zu tun. Vor allem die reicheren Industriestaaten blockierten einen solchen Verzicht auf die Durchsetzung von Patentrechten während der Pandemie. Besonders bedauerlich ist hier die Position der EU und ihrer Mitgliedsstaaten. Erst als die USA ein Ende der Blockade ihrerseits verkündeten, zeigte sich EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen plötzlich zumindest gesprächsbereit

Pharmafirmen profitieren von der Blockade

Ein erstes Indiz dafür, wer die größten Profiteure des herrschenden Patentregimes in Pandemiezeiten sind, lieferten übrigens die US-Börsen. Unmittelbar nach der Verkündung Bidens, dass die USA dem Aussetzen der Patente zustimmen würden, rasselten die Aktienkurse von Pfizer, Biontech, Novavax, Moderna in den Keller.



Selbst wenn es also jetzt doch noch zu einem Aussetzen des Patentschutzes kommen sollte, wurden seit Oktober über sieben Monate verschwendet, die dringend für den Aufbau von Produktions- und Distributionskapazitäten für Impfstoffe in den Ländern des Globalen Südens benötigt worden wären. Letztlich stellt angesichts der enormen öffentlichen Investitionen in die Impfstoffentwicklung die Frage, warum Impfstoffe und Medikament in Zeiten von Pandemien nicht überhaupt Open Source entwickelt werden?

Bestehende Versuche offener Impfstoffentwicklung, etwa jene der „Open Source Pharma Foundation“ (OSPF) und deren Covid19-Projekt OpenVAX, scheitern an fehlender Finanzierung vor allem der kostenintensiven Phase-3-Studien sowie an Haftungsfragen. Beides sind keine unlösbaren Probleme. Die langen Verzögerungen bei der Nutzung von Ausnahmen im bestehenden TRIPS-Regulierungsregime zeigen aber, dass es sich auch für zukünftige Gesundheitskrisen lohnen dürfte, ab sofort verstärkt in Infrastruktur für grundsätzlich offene Impfstoffentwicklung zu investieren.


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