Der neueste Bericht des Weltklimarats präsentiert eine düstere Prognose: Die Auswirkungen des Klimawandels treten schneller auf und sind dabei zerstörerischer als erwartet. Der Bericht macht einmal mehr klar, welche verheerende Konsequenzen drohen, sollte das 1,5-Grad-Ziel überschritten werden. Der Weltklimarat richtet einen klaren Appell an die Regierungen, die noch immer nicht genug tun würden, um die Folgen der globalen Erderwärmung einzudämmen.
Im Kampf gegen die Klimakrise rückt Krypto-Mining in den Fokus von Umweltaktivist:innen und Politiker:innen. „Mining“ beschreibt den Vorgang, bei dem Nutzer:innen digitale Coins einer Kryptowährung generieren. Die Kryptowährung Bitcoin ist der größte Stromfresser in der Szene. Das globale Bitcoin-Mining ist für rund zwei Drittel des Energiebedarfs aller Kryptowährungen verantwortlich, schätzen Forscher:innen der Universität Cambridge. Oft stammt der Strom aus dreckigen Energiequellen, etwa aus Erdgas- und Kohlekraftwerken.
Für ihre Berechnungen gibt es viele Unsicherheitsfaktoren – schon allein, weil unklar ist, wo viele der Bitcoin-Mining-Anlagen eigentlich sitzen. Doch nach den Berechnungen der Forscher:innen aus Cambridge könnte Bitcoin unter gewissen Bedingungen mehr Strom verbrauchen als Schweden. Die Kryptowährung könne in den kommenden drei Jahrzehnten alleine genug CO₂-Emissionen erzeugen, um die Erde um zwei Grad wärmer zu machen, warnten Wissenschafter:innen 2018 im Fachmagazin Nature.
„Change the Code, not the Climate“
Eine neue Klima-Kampagne von Greenpeace USA und anderen Umweltschutzorganisationen verfolgt das ehrgeizige Ziel, Bitcoin radikal klimafreundlicher zu machen. Mit dem Motto „Change the Code, not the Climate“ plädieren die Aktivist:innen dafür, die Technologie hinter Bitcoin und anderen Kryptowährungen zu verändern.
Der Proof-of-Work-Algorithmus (PoW) ist das Kernstück vieler dezentraler Digitalwährungen – auch von Bitcoin, die weltweit älteste und populärste Kryptowährung. Dieser Mechanismus frisst am meisten Strom: Bis zu 99,9 Prozent des Energieverbrauchs von Bitcoin-Mining könne man einsparen, wenn anstelle des Proof-of-Work-Algorithmus ein anderes Verfahren genutzt wird, so das Klimaschutzbündnis. „Wir wissen, dass Kryptowährungen nicht viel Energie benötigen, um zu funktionieren.“
Die Umweltaktivist:innen appellieren direkt an einflussreiche Figuren der Krypto-Szene, etwa Tesla-Chef Elon Musk und Twitter-Gründer Jack Dorsey, sowie an den Online-Bezahldienst PayPal. Sie sind davon überzeugt, dass von ihnen eine Veränderung ausgehen kann. Die Klimaschützer:innen twitterten: „Wenn nur 50 Schlüsselfiguren – Miner, Börsen und Kernentwickler – zustimmen würden, das Proof-of-Work-Mining neu zu erfinden oder zu einem energiesparenden Protokoll zu wechseln, würde Bitcoin aufhören, den Planeten zu verschmutzen.“
Um zu verstehen, wie umweltfreundlicheres Krypto-Mining aussehen kann, muss man erstmal begreifen, wie der Proof-of-Work-Algorithmus funktioniert und warum er so viel Strom benötigt.
Energieintensiver Proof-of-Work-Mechanismus
Krypto-Fans feiern die Blockchain-Technologie für ihre dezentrale Struktur mit der Transaktionen ohne die Einflussnahme von Regierungen, Geld- oder Finanzinstituten durchführbar sind. Anstelle von wenigen Autoritäten kontrolliert das ganze Netzwerk per Konsens-Verfahren die Transaktionen.
Die Blockchain ist eine Datenbank aus in Blöcken zusammengefassten Transaktionen. Ein neuer Eintrag kann nur am Ende der Kette hinzugefügt werden. Wenn ein Miner einen neuen Coins schürft, überprüfen alle Miner aus dem Netzwerk, ob diese Transaktion legitim ist. Dazu müssen sie ein kryptografisches, mathematisches Problem lösen, das auf den Daten im Block basiert. Alle Rechner im Netzwerk konkurrieren dabei miteinander: Wer das komplexe Problem zuerst gelöst hat, validiert nicht nur die vorherige Transaktion, sondern erhält auch einen neu generierten Coin.
Eben dieser Validierungsprozess, ausgehend von allen Knoten im Netzwerk, wird als Proof-of-Work bezeichnet. Der PoW-Mechanismus soll Betrug und Korruption verhindern, etwa, dass Nutzer:innen Coins doppelt ausgeben. Da der Mechanismus jede Datei mit den im Netzwerk verteilten Dateien abgleicht, erkennt er, wenn eine davon manipuliert sein sollte. Die Bitcoin-Community schwört auf diesen Prozess – doch diese Art des Krypto-Minings kommt nicht ohne Preis.
Die Blockchain wird mit jedem neu validierten Block ein bisschen länger. Damit wächst auch der Speicheraufwand der Kette und die Komplexität der Rechenaufgabe. Die Geräte müssen immer höhere Rechenleistungen erbringen. Nutzer:innen fühlen sich daher häufig gezwungen, immer leistungsstärkere und effizientere Geräte anzuschaffen. Es entstehen ganze Server-Farmen, um im Konkurrenzkampf mit den anderen Miner vorne mithalten zu können. Die Faustregel lautet: je mehr Netzwerk-Rechenleistung, desto höher die Chance, das Rätsel zuerst zu lösen.
Für diese Rechnungen setzten Miner oftmals spezielle Chips ein, die allein für die Lösung der kryptografischen Rätsel entwickelt wurden. Die Geräte rechnen also mit anwendungsspezifischen integrierten Schaltkreisen, sogenannten ASICs. Jeder ASIC-Miner ist für eine bestimmte digitale Währung konstruiert. Sie sind damit effizienter und weitaus schneller in der Berechnung der Rätsel als normale Computer. So weit, so gut. Allerdings steckt in dieser Anwendung auch ein Haken: Damit sie leistungsstark bleibt, müssen die Chips nach nach Schätzungen des Branchenkenners Alex de Vries spätestens 1,5 Jahren mit neueren, besseren Chips ersetzt werden. Das produziert demnach eine Menge Elektroschrott: etwa acht Kilotonnen jährlich.
Bitcoin verantwortet höheren C02-Ausstoß als Israel
Selbst für Forscher:innen wie jene an der Universität Cambridge ist es schwer, den Stromverbrauch von Bitcoin genau zu berechnen. Miner können ihre Aktivitäten mit VPN und Proxy-Diensten verschleiern. Damit bleibt unklar, in welchem Land sie minen und welche Energiequelle sie benutzen.
Ein Wissenschaftsteam rund um Alex de Vries schätzt den globalen CO2-Fußabdruck des Bitcoin-Netzwerkes für das Jahr 2021. Die Forscher:innen verwenden dazu Emissionsfaktor-Daten aus dem Jahr 2019. Für die Berechnung erheben sie die IP-Adressen der Bitcoin-Miner, schließen damit auf die Standorte der Miner und so auf die Stromquellen, die diese benutzen.
Die Ergebnisse zeigen, dass im August 2021 das Bitcoin-Mining weltweit rund 65,4 Megatonnen CO2 ausgestoßen haben könnte. Bitcoin produziert damit pro Jahr mehr CO2-Emissionen als der Staat Israel. Der globalen CO2-Ausstoß von Bitcoin haben vor allem Kasachstan, die Vereinigten Staaten und Russland zu verantworten. In Europa werden demnach verhältnismäßig wenig Bitcoins geschürft – auch in Deutschland gibt es vermutlich kaum große Mining-Operationen.
Europa sei für Krypto-Mining wegen seiner Umweltauflagen unattraktiv, betonte Greenpeace Deutschland gegenüber netzpolitik.org. „Das ist ein Grund dafür, dass das Mining vorwiegend in jenen Ländern außerhalb Europas erfolgt, in denen es günstigere, zumeist fossile Energie und schwache Umweltauflagen gibt.“
Rückgang an erneuerbaren Energien
Nach den Erhebungen des Forschungsteams soll sich der Anteil der erneuerbaren Energien von 2020 bis Mitte 2021 um fast die Hälfte verringert haben. Im August 2021 bestand der Strommix des Bitcoin-Netzwerkes aus lediglich 25,1 Prozent sauberer Energie. Die Wissenschaftler*innen führen den Rückgang erneuerbarer Energie auf das Schürfverbot in China zurück, das die chinesische Zentralbank im September 2021 erlassen hatte.
In China hätten die Miner noch Zugang zu Strom aus Wasserkraftwerken gehabt, so die Forscher:innen. Nachdem China das Krypto-Geschäft verboten hatte, sind viele Miner nach Kasachstan oder in die USA umgezogen. Dort beziehen Krypto-Miner viel Strom aus dreckigen Kohle- oder Erdgaskraftwerken.
In manchen US-Bundestaaten entstehen geballte Krypto-Hotspots – beflügelt vom Umzug chinesischer Miner in die Vereinigten Staaten. In Texas soll das Mining-Geschäft besonders lukrativ sein. Der texanische Gouverneur Greg Abbott setzt sich mit seiner Arbeitsgruppe „Blockchain Matters“ dafür ein, ein Krypto-Paradies für Miner zu schaffen. Auch andere US-Politiker:innen begrüßen das Geschäft mit Kryptowährungen, darunter der Bürgermeister von New York City.
Um den hohen Stromverbrauch der Krypto-Hochburgen zu decken, nutzen Mining-Unternehmen oft eigene Stromkraftwerke. Diese werden meistens mit fossiler Energie betreiben. Etwa benutzt ein Bitcoin-Mining-Betrieb in New York sein eigenes Gaskraftwerk, um das bestehende Stromnetz nicht zu belasten. In Montana wird aus ähnlichen Gründen ein Kohlekraftwerk neu belebt, das eigentlich bereits im Jahr 2018 geschlossenen werden sollte. Damit ist der Kohlenstoff-Ausstoß in der Gegend erneut in die Höhe gesprungen. Das Forschungsteam stellt die Prognose, dass dieser Trend vorerst anhält und auch in naher Zukunft stillgelegte fossile Kraftwerke reaktiviert werden.
Die Frage nach der Regulierung
Um die steigende CO2-Emissionen zu senken, muss entweder der Energieverbrauch drastisch verringert werden oder massenweise erneuerbare Energie bereitstehen. Noch ist es nicht realistisch, dass saubere Energie den enorm hohen Strombedarf des Krypto-Minings decken kann. „Das Wachstum der fossilen Brennstoffe übersteigt das Wachstum der erneuerbaren Energien im Bitcoin-Mining, und das ist die grundlegende Herausforderung“, sagte Michael Brune gegenüber dem Guardian. Er ist Kampagnenleiter des Sierra Club, der ältesten und größten Naturschutzorganisation der USA.
Das Bundesumwelt- und Verbraucherschutzministerium sieht das ähnlich. Eine Sprecherin meint gegenüber netzpolitik.org: „Auch wenn Kryptowährungen Ökostrom verwenden, rechtfertigt das nicht den deutlich höheren Energieverbrauch.“ Das Bundesumweltministerium appelliert an die Nutzer:innen genau zu prüfen, welche Kryptowährungen sie nutzen.
Greenpeace Deutschland sieht eine weltweite Regulierung des Minings als unrealistisch an. Ebenso sei es wenig realistisch, dass Krypto-Mining mit einer adäquaten Umweltsteuer belegt werde, so Greenpeace. „Konsequenterweise müssten die Halter von Bitcoins wie andere Nutzer auch eine CO2-Abgabe von aktuell etwa 200 US$ pro Tonne CO2 auf jeden Bitcoin bezahlen.“
Für Aktivist:innen der Change-the-Code-Kampagne ist die Lösung des Umweltproblems klar. Die Kryptowährungen müssen weg von der energieintensiven Technologie. Sie sollen stattdessen den umweltfreundlicheren Proof-of-Stake-Mechanismus (PoS) nutzen, um die Transaktionen zu validieren.
Proof-of-Stake als alternativer Konsensmechanismus
Der PoS-Mechanismus hat einen entscheidenden Vorteil gegenüber dem PoW-Algorithmus: Die Knoten im Netzwerk konkurrieren nicht darum, ein komplexes Rätsel zu lösen. Das spart eine Menge Energie. Stattdessen wird den Nutzer:innen pseudo-zufällig die Autorität übertragen, den nächsten Block zu validieren. Wer am Ende den Block validiert, hängt von dem „Stake“ der Personen ab, also deren Einsatz. Teile der Krypto-Community kritisieren, dass beim PoS-Verfahren nicht alle Teilnehmenden gleichermaßen am Konsensmechanismus beteiligt sind.
Die Kryptowährung Ethereum kann bald die Vorreiterrolle für eine auf Proof-of-Stake basierende digitale Währung einnehmen. Ethereum ist die zweitgrößte Kryptowährung und hat lange Zeit ebenfalls per Proof-of-Work-Verfahren Transaktionen validiert. Im Dezember vergangenen Jahres hat Ethereum mit der „Beacon Chain“ erstmals das PoS-Verfahren eingeführt. Diese verläuft bisher unabhängig zum „Ethereum Mainnet“, dem Hauptnetzwerk von Ethereum, das auf dem PoW-Verfahren basiert. Nun bereiten sich die Entwickler:innen von Ethereum auf einen vollständigen Übergang vom PoW zu PoS vor. Sie bezeichnen diesen Übergang als „The Merge“, der nach eigenen Angaben im zweiten Quartal 2022 stattfinden soll.
„Dies wird das Ende von Proof-of-Work für Ethereum bedeuten und die Ära eines nachhaltigeren, umweltfreundlicheren Ethereum einleiten“ schreiben die Entwickler:innen auf ihrer Website. „Der Energieverbrauch von Ethereum wird bald um 99,95 Prozent sinken„. Dann sollen Miner auch keine Server-Farmen mehr benötigen, um neue Coins zu schürfen. Ein leistungsstarker Laptop kann dann ausreichen.
Proof-of-Stake ist nicht die einzige Alternative zur Blockchain-Technologie. Dennoch halten viele Bitcoin-Verfechter:innen am energieintensiven Proof-of-Work fest. Aus ihrer Sicht ist der hohe Stromverbrauch „eine Art Schutz gegen feindliche Attacken“. Sie argumentieren, dass Hacker die gesamte Rechenleistungen aufbringen müssten, um das System zu knacken. Der Stromverbrauch garantiere somit eine hohe Netzwerksicherheit. Hacker finden trotzdem immer wieder Wege, um riesige Mengen an Coins zu stehlen. Bei großen Cyberangriffen liegt der geschätzte Wert der Coins sogar im Milliardenbereich.
Die Krypto-Industrie liefert eine ganz eigene Lösung für das Umweltproblem. Die Branche hat das Krypto-Klimaabkommen (Crypto Climate Accord) ins Leben gerufen. Die Initiative orientiert sich an den Zielen des Pariser Klimaabkommen und möchte die Blockchain-Industrie dekarbonisieren. Nach den selbst gesetzten Zielen soll die Branche bis zum Jahr 2030 mit erneuerbaren Energien arbeiten und bis 2040 einen Netto-Null-Treibhausgasausstoß erreichen. Das kann bedeuten, dass bereits ausgestoßene CO2-Emissionen wieder aus der Atmosphäre entfernt oder neutralisiert werden. Eine genaue Definition des Begriffs fehlt allerdings.
Bisher haben mehr als 250 Unternehmen und Einzelpersonen das Krypto-Klimaabkommen unterzeichnet. Auf der Webseite der Initiative heißt es ausdrücklich, dass die unterstützenden Organisationen noch nicht dekarbonisiert sein müssen, um sich dem Abkommen anzuschließen. Nicht alle vertrauen den wagemutigen Versprechen der Industrie. Der Wirtschaftswissenschaftler Alex de Vries steht der Initiative kritisch gegenüber. Er sagt zu The Verge: „Manche Dinge kann man einfach nicht reparieren“.
Krypto-Mining auf der europäischen Agenda
Auch innerhalb Europas setzen sich Politiker:innen zunehmend mit Kryptowährungen und ihren Konsequenzen auseinander. Die EU-Kommission meint: „Die Kommission ist sich des negativen Energie- und Umwelteinflusses von Kryptowährungen wie Bitcoin bewusst und prüft Methoden, um diesen zu messen.“
EU-Politiker:innen haben bereits über ein mögliches Verbot von Krypto-Mining diskutiert. Ein Vorstoß aus dem EU-Parlament, „energieintensive“ Methoden des Krypto-Mining zu verbieten, ist erstmal jedoch wieder vom Tisch. Greenpeace sieht ein Mining-Verbot in Europa nicht als wirkungsvoll an. Ein solches hätte in erster Linie eine „symbolische Bedeutung“. Die europäische Diskussion um Krypto-Mining geht weiter.
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