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Uber-Files: Daten-Leak lässt Uber auffliegen

Der Ex-Chef von Uber, Travis Kalanick, bei einer Konferenz im Jahr 2016. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / China Foto Press

Uber wollte nach Europa. Dazu waren dem US-Fahrdienstvermittler alle Mittel recht. Das Unternehmen spannte liberale Spitzenpolitiker:innen aus ganz Europa für seine Lobbyarbeit ein, gab wissenschaftliche Studien in Auftrag und machte Regulierungsbehörden sowie Taxi-Fahrer:innen mit fragwürdigen Methoden das Leben schwer. Das geht aus einem Datensatz von über 120.000 internen Dokumenten hervor, die dem Guardian zugespielt wurden.

In Deutschland biss sich der Plattform-Konzern letztlich die Zähne aus, versuchte es aber trotzdem: Zeitweise warben vier Agenturen gleichzeitig für das Geschäftsmodell des Konzerns, koordiniert vom heutigen haushaltspolitischen Sprecher der FDP im Bundestag, Otto Fricke. Dieser war bereits bis 2013 Abgeordneter und verbrachte seine vierjährige Auszeit als Lobbyist bei der Münchener Lobbyagentur CNC Communications & Network Consulting (heute Kekst CNC).

Laut eigenen Angaben sei Fricke zwischen September 2014 bis März 2015 für Uber tätig gewesen, berichtet tagesschau.de. Dabei ließ er seine Kontakte spielen, versuchte an den damaligen Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt und seine Staatssekretärin Dorothee Bär (beide CSU) zu kommen, vermittelte Gespräche mit Bundestags- und Landtagsabgeordneten und legte Grundsatzpapiere vor. Ziel war es, das Personenbeförderungsgesetz zu Gunsten von Uber zu ändern.

Genehme Studien

Die öffentliche Debatte sollten zudem angeblich wissenschaftliche Studien und günstige Zeitungsartikel beeinflussen. So legte der ehemalige Verteidigungsminister und heutige Verfassungsrechtler Rupert Scholz ein Gutachten vor, während der Wirtschaftswissenschaftler Justus Haucap die Auftragsstudie „Vorteile für Verbraucher aus einer Liberalisierung des Taxi-Marktes in Deutschland“ für Uber verfasste. Die Kernpunkte brachte Haucap später in einem Kommentar bei der FAZ unter.

Offenbar hatte sich Uber das Recht vorbehalten, sowohl die Studie als auch das Meinungsstück vor Veröffentlichung zu verändern. Laut tagesschau.de gebe es Hinweise darauf, dass dies tatsächlich geschehen ist. Eine Mitarbeiterin des liberalen Ökonomen wies die Vorwürfe zurück, ebenso die DICE Consult GmbH, bei der Haucap Partner ist und die die Studie gemeinsam mit einer Tochter des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung erstellt hatte.

Rücksichtsloses Start-up

Uber ist für seine aggressive Gangart berühmt-berüchtigt. Weltweit konnte der Fahrdienstvermittler zahlreiche Taxi-Märkte kaputt machen, indem er zunächst mit Milliardenbeträgen billige Fahrten auf seinem Dienst subventionierte. War die regulierte Konkurrenz erst einmal aus dem Weg geräumt, schnellten die zuvor künstlich niedrig gehaltenen Uber-Preise in die Höhe. Öffentliche Proteste dagegen, etwa in Paris, versuchte der damalige Uber-Chef, Travis Kalanick, für die Zwecke des Unternehmens zu instrumentalisieren. „Gewalt garantiert Erfolg“, schrieb Kalanick in einer SMS und wollte Gegendemonstrationen sehen.

Um Untersuchungen im Keim zu ersticken, setzte Uber einen sogenannten „Kill Switch“ mit dem Code-Namen Ripley ein. Damit klemmte das Unternehmen seine Zweigstellen auf Knopfdruck vom Firmennetzwerk ab, etwa bei einer Razzia in Amsterdam. Ermittlungsbehörden und Regulierer standen daraufhin im Dunklen. Mit dem Programm „Greyball“ wiederum versuchte Uber, Behörden von der Nutzung seines Dienstes auszusperren: In der Umgebung von Regierungseinrichtungen wie Polizeistationen zeigte die Uber-App keine freien Fahrten an.

in einer Erklärung verweist Uber darauf, seine Firmenkultur seit 2017 umgebaut zu haben. Damals legte der Mitbegründer und langjährige Uber-Chef Travis Kalanick nach einer Reihe an Skandalen sein Amt nieder. Das „vergangene Verhalten“ stehe nicht in Einklang mit den „heutigen Werten“, schreibt Uber. Die heute ans Licht gekommenen Erkenntnisse stammen aus den Jahren 2013 bis 2017. An der vom International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) koordinierten Auswertung waren mehr als 180 Journalist:innen beteiligt, unter anderem vom Guardian, dem NDR und dem WDR, der Süddeutschen Zeitung und der Washington Post.

Europäische Spitzenpolitiker:innen unter Druck

Der Dokumentenschatz zeigt auch, dass der heutige französische Präsident und damalige Wirtschaftsminister Emmanuel Macron sich für Uber eingesetzt hatte. In SMS-Nachrichten habe Macron etwa versichert, einen geheimen „Deal“ innerhalb der französischen Regierung eingefädelt zu haben. Zudem scheint Macron erfolgreich ein bevorstehendes Verbot des Fahrdienstes in Marseille verhindert zu haben. „Ich werde mir das persönlich ansehen“, schrieb Macron an den europäischen Chef-Lobbyisten. „Lasst uns ruhig bleiben“.

Nicht gut weg kommt auch die ehemalige EU-Kommissarin Neelie Kroes. Die Niederländerin hatte nach ihrem Ausstieg aus der Politik erst heimlich und später öffentlich Lobbyarbeit für Uber verrichtet. Damit hat die Ex-Digitalkommissarin wohl gegen EU-Regeln verstoßen, die Lobbying erst nach einer Übergangszeit erlauben. So habe sie etwa unmittelbar nach der Razzia in Amsterdam zum Telefonhörer gegriffen und Druck auf niederländische Politiker:innen ausgeübt, die Ermittlungen einzustellen.

Doch noch als Kommissarin gerierte sich Kroes bereits als Verbündete Ubers. So kritisierte sie 2014 die Entscheidung eines Brüsseler Gerichts, das den Fahrtdienst verboten hatte. Das Urteil sei „verrückt“, helfe Passagieren nicht und schütze bloß das „Taxi-Kartell“, sagte Kroes damals.


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