Der exzentrische Milliardär Elon Musk will Twitter kaufen, das Unternehmen von der Börse holen und privat betreiben. Das ist eine der besorgniserregensten Nachrichten aus der digitalen Welt seit einiger Zeit.
Twitter hat zwar, zumindest in Deutschland, keine Massenreichweite wie andere populäre Dienste. Aber auf keiner anderen Plattform konstituiert sich politische und gesellschaftliche Öffentlichkeit so wie dort. Bei uns und in vielen anderen Gesellschaften.
Facebook zeigt anschaulich, wie gefährlich eine Plattform (genau genommen sind es natürlich mehrere) sein kann, wenn nur eine Person, in diesem Fall Mark Zuckerberg, alleine bestimmen darf. Und das auch tut. Aber im Gegensatz zu Musks Vorhaben dürfte bei Zuckerberg die Sorge um das öffentliche Image und den Börsenwert als eine Art Checks und Balances greifen – und womöglich oft das Allerschlimmste verhindern.
Zuviel Macht in einer Hand
Elon Musk traue ich noch weniger zu, verantwortlich mit einer Plattform umzugehen, die für viele Menschen so bedeutend geworden ist. Ich halte ihn weder charakterlich für die passende Person, noch möchte ich in einer digitalen Welt leben, in der Milliardäre sich einfach mal eine solche relevante Plattform kaufen und nach ihren eigenen Wünschen umformen können.
Wir haben uns zu sehr abhängig von privatisierten Öffentlichkeiten gemacht, die von wenigen Unternehmen beherrscht werden. Die Konzentration schreitet noch weiter voran, wenn einer Dienste in das Privateigentum einer Person wandert, nur weil sie den Längsten am Finanzmarkt hat. Es ist gefährlich, wenn Öffentlichkeiten rein davon abhängig sind, wer über das meiste Kapital auf dem Börsenmarkt verfügt.
Wie wichtig sind uns demokratische Öffentlichkeiten?
Das zeigt auch die Wichtigkeit von guter Regulierung, die Monopole verhindert und Regeln vorgibt, die auf unseren demokratischen Werten und Grundrechten basieren. Denn wir als Gesellschaft müssen die Regeln für große Plattformen vorgeben und dürfen das und ihre Durchsetzung nicht Menschen überlassen, die eine gestörte Vorstellung von Meinungsfreiheit haben und damit vor allem immer nur die eigene meinen.
Die Europäische Union hat mit dem Digitale-Dienste-Gesetz den dazu passenden Gesetzesprozess schon am Laufen. Ob dieser am Ende gut wird und wie diese dann auch bei einer Alleinherrschaft von Musk ein notwendiges Gegengewicht darstellt, ist leider immer noch offen.
Aber Regulierung ist noch viel mehr und muss die Frage beantworten: In welcher Welt wollen wir digital leben? Wie wichtig ist uns, ob relevante Öffentlickeiten nur in Form privat betriebener Plattformen existieren? Wie können wir langfristig demokratischere Infrastrukturen bekommen und die Abhängigkeit verringern?
Ein Weckruf für mehr dezentrale und offene Infrastrukturen
Wir brauchen viel mehr Förderung von offenen und dezentralen Infrastrukuren. Dieser Fall zeigt einmal mehr die dringende Notwendigkeit dafür sehr deutlich auf. Hier könnte die Bundesregierung endlich mal anfangen, einige Versprechen aus dem Koalitionsvertrag mit Leben zu füllen.
Vielleicht ist das auch wieder nur ein kommunikativer Börsen-Stunt eines Menschen, der zuviel Geld und zuviel mediale Aufmerksamkeit besitzt. Aber sollten die heute an die Öffentlichkeit gekommenen Pläne real werden, kann Twitter das Image als sympathischere Alternative zum Facebook-Imperium vergessen.
Und es ist ein weiterer Weckruf an uns und an die Politik, sich aus der Abhängigkeit von zentralisierten und privat betriebenen Öffentlichkeiten zu befreien.
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