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Belarus: Polizei geht gegen unerwünschte Telegram-Kanäle vor

Schon bisher mussten Menschen in Belarus aufpassen, was sie wem sagen. Der autoritär geführte Staat geht mit Kritik nicht zimperlich um, Oppositionelle, Journalist:innen oder protestierende Bürger:innen landen regelmäßig hinter Gittern oder gehen ins Exil. Nun kann man sich auch strafbar machen, wenn man politisch unerwünschten Social-Media-Accounts folgt und sie weiterverbreitet.

Im Oktober ist ein neues Dekret zur Bekämpfung von Extremismus in Kraft getreten. Demnach können belarussische Behörden etwa Kanäle auf dem Messengerdienst Telegram als „extremistische Vereinigung“ einstufen. Deren Mitglieder können ins Visier von Strafverfahren gelangen, wie eine Polizeiabteilung aus Minsk auf Telegram am Samstag bekannt gab.

Proteste auf Telegram organisiert

Die Regierung des Langzeitpräsidenten Alexander Lukaschenko geht seit den Scheinwahlen im Vorjahr mit neuer Härte gegen Gegner vor. Massendemonstrationen wurden von der Polizei mit Gewalt niedergeschlagen, Oppositionspolitiker:innen mussten ins Ausland fliehen oder sitzen seither im Gefängnis. Lukaschenko hatte die Wahl offiziell mit 79 Prozent der Stimmen gewonnen, unabhängige Beobachter:innen gehen jedoch von einer Fälschung aus.

Die Proteste wurden zu einem guten Teil auf Telegram organisiert, das nun verstärkt in den Fokus belarussischer Behörden gerückt ist. „Unsere Strafverfolgungsbehörden haben damit begonnen, diejenigen, die die Gesellschaft in sozialen Netzwerken und über Messenger beeinflussen, rechtlich als Extremisten anzuerkennen“, schreibt die Minsker Polizei. Nun gebe es eine Rechtsgrundlage, um alle Anhänger von „Farbrevolutionen“ vor Gericht zu stellen. Gründer, Organisatoren und Mitglieder extremistischer Gruppen können mit bis zu sieben Jahren Gefängnis bestraft werden.

Zugleich soll die Deanonymisierung der Administratoren und der aktivsten Abonnenten „extremistischer Telegram-Kanäle und Chatrooms“ praktisch abgeschlossen worden sein, der Moscow Times zufolge soll es sich um rund 100 solcher Kanäle handeln. Nexta, einer der womöglich betroffenen Kanäle, gibt sich vorerst kampfeslustig und spricht von einer „Einschüchterungstaktik“. Nexta-Gründer Roman Protasevich steht unter Hausarrest, seit im Frühjahr sein Flug unter falschen Vorzeichen nach Minsk umgeleitet und er anschließend festgenommen wurde.

Jüngste Verhaftungswelle

Von dem neuen Gesetz sollen reine Abonnenten von Kanälen, die „extremistisches Material“ verbreiten, „noch nicht betroffen“ sein, schreibt die Minsker Polizei. Allerdings nur unter der Bedingung, dass sich deren Mitglieder strikt passiv verhalten und selbst keine Nachrichten anderswo gepostet haben. „Wir haben alle Nachrichten, die in sozialen Netzwerken gepostet wurden und zu extremistischen Aktivitäten aufrufen, sowie andere Aktionen von Internetnutzern, die zu Protesten führen, gründlich dokumentiert“, droht die Polizei.

Zuletzt kam es nach einer Schießerei bei einer versuchten Festnahme eines IT-Experten zu einer Verhaftungswelle, 136 Menschen sollen sich laut der Menschenrechtsorganisation Viasna weiterhin in Polizeigewahrsam befinden. Sie sollen sich in sozialen Netzen kritisch über Polizeibehörden geäußert haben. Zu den Festgenommenen zählt auch der Journalist Henadz Mazheika, der über den Vorfall lediglich berichtet hatte. Den Beschuldigten drohen fünf bis zwölf Jahre Haft.


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