Dass der Bundespräsident ein Gesetz nicht ausfertigt, ist selten. Dass dieses Gesetz mit einem anderen gerettet werden soll und dann der Bundesrat die Zustimmung verweigert, überrascht nochmal. Und so hing seit Monaten das Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität in der Schwebe. Denn es basierte auf Regeln für die Bestandsdatenauskunft, doch die wurden vom Bundesverfassungsgericht gekippt.
Die Große Koalition versuchte, die verfassungsrechtlichen Probleme mit einem Bestandsdaten-Reperaturgesetz zu kitten. Dabei überging sie stur Sachverständige. Die zweifelten an der Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung und kritisierten unter anderem, dass die Hürden für Behörden zu niedrig seien, wenn sie bei Diensteanbietern Name und Adresse von Kunden erfragen wollen. Doch auch wenn das Gesetz den Bundestag passierte, der Bundesrat verweigerte im Februar die Zustimmung. In einem Vermittlungsausschuss sollte ein Kompromiss gefunden werden. Am Mittwoch tagte der Ausschuss und erzielte eine Einigung.
Der Druck im Vorfeld war groß. Der Präsident des Zentralrats der Juden warnte vor einem „fatalen Signal“, sollte die Einigung scheitert. Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius warf Grünen und FDP vor, den Kampf gegen Rechtsextremismus zu behindern. Dass ein laut mehreren Experten teils verfassungswidriges Gesetz, das vor dem Bundesverfassungsgericht wahrscheinlich abermals gescheitert wäre, diesen Kampf ebenso behindert, kam dabei nicht vor.
Die verbleibende Zeit in der Legislatur ist knapp, eine weitere Verzögerung hätte die Chance für neuen Bestandsdaten-Auskunftsregeln und das Hate-Speech-Gesetz schrumpfen lassen.
Höhere Hürden hier und da
Im der Beschlussempfehlung des Ermittlungsausschusses sollen die Hürden etwas erhöht werden. So soll eine Bestandsdatenabfrage bei Telemedienanbietern nur noch bei der Verfolgung einer schweren Ordnungswidrigkeit zulässig sein – wenn das drohende Bußgeld mehr als 15.000 Euro beträgt. Solche hohen Bußgelder können beispielsweise bei wiederholten Verstößen gegen Corona-Bestimmungen oder illegaler Müllentsorgung anfallen
Nutzungsdaten dürfen die Anbieter laut dem Entwurf bei der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten gar nicht mehr herausgeben, hier muss nun ein Straftatverdacht vorliegen. Bei diesen Angaben kann es darum handeln, wann jemand welche Dienste genutzt hat. Bei Passwortabfragen wird die Hürde auf bestimmte „besonders schwere Straftaten“ festgesetzt, dazu zählen etwa die Bildung terroristischer Vereinigungen oder Menschenhandel.
Auskünfte an die deutschen Geheimdienste sind nun gesondert geregelt, wenn auch mit breiten Anwendungsklauseln. Für Abfragen von Nutzungsdaten soll es zudem eine Dokumentation geben, in wie vielen Verfahren die Maßnahme durchgeführt wurde, zusammen mit einer Statistik, wie oft das Auskunftsersuchen gescheitert ist, weil Daten nicht mehr oder nicht mehr vollständig vorlagen.
Hate-Speech-Gesetz steht nichts mehr im Weg
Bereits am Freitag sollen Bundesrat und Bundestag über den Einigungsvorschlag entscheiden. Stimmen beide zu, ist zusätzlich der Weg frei für das Gesetz gegen Hasskriminalität. Soziale Netzwerke müssten danach bestimmte, potenziell strafbare Inhalte direkt an das BKA melden. Die Ermittler:innen können dann anhand der IP-Adresse nach den Urheber:innen der Inhalte suchen. Die Behörde rechnet mit 250.000 Meldungen pro Jahr, die geprüft werden müssen.
Laut Florian Flade hat das BKA derzeit etwa 80 Mitarbeitende in der neu eingerichteten Zentralen Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet, mehr als 200 seien geplant. Um gegen die Ersteller:innen von Inhalten vorzugehen, die sich als strafbar herausstellen, braucht es aber mehr als eine Meldestelle.
Die anschließende Arbeit müssen Staatsanwaltschaften und Gerichte stemmen. Der Deutsche Richterbund rechnet mit 150.000 neuen Verfahren jährlich. Eine Untersuchung von Campact kam zu dem Ergebnis, dass die Bundesländer bei der Bekämpfung von Hasskriminalität sehr unterschiedlich aufgestellt sind. Die wenigsten Länder verfügen über eigene Schwerpunktstaatsanwaltschaften. Für die Beurteilung der aufkommenden Fälle wird es nicht nur Personal, sondern auch besondere Expertise brauchen.
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