NSA-Überwachung, Cum-Ex-Skandal oder Pflegemängel in Altenheimen: Whistleblower:innen riskieren viel dafür, um Missstände aufzudecken. Bislang sind sie nicht vor möglichen Repressalien geschützt, etwa vor einer Kündigung durch den Arbeitgeber. Dies soll das „Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen“ bald ändern, dessen Entwurf das Whistleblower-Netzwerk veröffentlicht hat. Doch lässt der Vorschlag eine Reihe an Schlupflöchern offen, die Expert:innen am Gesetz zweifeln lassen.
Am Dienstag hat das Bundesjustizministerium von Marco Buschmann (FDP) den Entwurf an andere beteiligte Ministerien versandt, wie die Süddeutsche Zeitung zuerst berichtete. Bereits zuvor fanden Gespräche mit anderen Ressorts statt, etwa dem Arbeitsministerium und dem Wirtschaftsministerum. Geht alles glatt und stimmen die Länder zu, könnte das Gesetz noch in diesem Jahr in Kraft treten.
Beschränkte Ausweitung auf deutsches Recht
In weiten Teilen gleicht der jüngste Anlauf dem Referentenentwurf, mit dem die damalige Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) am Koalitionspartner CDU/CSU scheiterte. Die Union wehrte sich beharrlich gegen die Ausweitung des Geltungsbereichs, den die EU-Whistleblower-Richtlinie vorschreibt. Diese war bereits 2019 verabschiedet worden und hätte eigentlich bis Ende letzten Jahres in deutsches Recht überführt werden müssen.
Mit der Ampelkoalition sollte die Erweiterung nun klappen: So soll nicht nur das Aufdecken von Verstößen gegen EU-Recht, sondern auch gegen bestimmte Bereiche des deutschen Rechts eigens geschützt sein. Generell umfasst der Gesetzentwurf alle Personen, die in ihrem beruflichen Umfeld Informationen über Verstöße erlangt haben. Allerdings müssen sie ein genaues Verfahren einhalten: Der Weg über Medien oder soziale Netzwerke soll nur in bestimmten Fällen geschützt sein, wenn etwa eine vorschriftsgemäße Meldung fruchtlos geblieben ist.
Vorgesehen sind interne und externe Meldekanäle, die gleichwertig nebeneinander stehen und zwischen denen Hinweisgeber frei wählen können sollen. Interne Meldestellen werden für alle vom Gesetz erfassten Unternehmen und öffentliche Stellen mit mehr als 50 Mitarbeitenden zur Pflicht, gegebenenfalls können mehrere private Firmen aber auch eine gemeinsame Stelle einrichten und betreiben. Für externe Meldungen sollen sich unter anderem Stellen beim Bundesamt für Justiz oder beim Bundeskartellamt kümmern. Auch die Länder können solche Stellen einrichten, um Meldungen über die Landes- oder Kommunalverwaltung entgegenzunehmen.
Keine Pflicht für anonyme Meldewege
Doch wären weder interne noch externe Meldestellen nach dem Entwurf verpflichtet, Verfahren für anonyme Meldungen vorzuhalten oder solche Meldungen zu bearbeiten. Laut Gesetzesbegründung soll dies dafür sorgen, das neue Hinweisgeberschutzsystem nicht zu überlasten und zunächst erste Erfahrungen abzuwarten.
Die Regelung stößt auf scharfe Kritik. „Der Entwurf aus dem Bundesjustizministerium lässt viele Whistleblower:innen im Stich und bleibt hinter dem Koalitionsvertrag zurück“, sagt David Werdermann von der Gesellschaft für Freiheitsrechte. Zudem werden nach dem Entwurf nur Meldungen von bestimmten Rechtsverstößen geschützt, etwa straf- oder bußgeldbewehrte Verstöße.
Damit bleibt jedoch die geschützte Meldung vieler potenzieller Missstände außen vor. Außerdem müssten Hinweisgeber:innen das Gesetz Punkt für Punkt durchgehen und abgleichen, ob der von ihnen beobachtete Mangel auch wirklich in den Geltungsbereich fällt. Ohne eigene juristische Begleitung könnte das eine zu hohe Hürde für manche Whistleblower:innen darstellen.
Die Missstände in der Pflege und die Enthüllungen der Facebook-Whistleblowerin Frances Haugen hätten gezeigt, dass „nicht jedes Fehlverhalten ein Rechtsverstoß ist“, sagt Werdermann. „Auch in diesen Fällen kann ein erhebliches öffentliches Interesse an der Aufdeckung bestehen, auch um politische Diskussionen über Gesetzesänderungen anzustoßen“.
Behörden können leicht mauern
Ein ähnliches Problem zeigt sich auch an anderer Stelle: So sind Informationen, die die „nationale Sicherheit oder wesentliche Sicherheitsinteressen des Staates“ betreffen, vom Anwendungsbereich ausgenommen. Selbst Verschlusssachen mit dem schwächsten Geheimhaltungsgrad „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ werden ausdrücklich nicht erfasst. Das ist eine Einladung an Behörden, selbst banale, aber unliebsame Informationen möglichst unter den Teppich zu kehren – etwa, wie viele der Fernzüge der Deutschen Bahn AG mit geschlossenem Bordrestaurant fahren.
„Das Geheimhaltungsinteresse von Polizei, Geheimdiensten und Militär muss enden, wenn rechtswidriges Handeln oder sogar Straftaten im Raum stehen“, sagt die linke Bundestagsabgeordnete Martina Renner. „Der Gesetzentwurf der Bundesregierung ist insoweit unzureichend und würde aus meiner Sicht beispielsweise Whistleblower:innen wie Chelsea Manning, die Kriegsverbrechen offengelegt hatte, nicht ausreichend schützen.“
Der Entwurf des Justizministeriums geht nun in die Ressortabstimmung mit anderen Ministerien. Danach geht ein Regierungsentwurf in den Bundestag, der ebenfalls Änderungen vornehmen kann. Zuletzt braucht das Gesetz eine Zustimmung im Bundesrat.
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