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Strafen für rechtsextreme Polizei-Chats: Eine Frage der Öffentlichkeit

Frankfurter Polizist:innen schickten sich in einer Messenger-Gruppe Hakenkreuze und machten sich über Minderheiten lustig. Es könnte sein, dass sie nicht strafrechtlich belangt werden, denn die Hürden dafür sind hoch. Wir erklären die Rechtslage.

Eine gläsere Gebäudefasse mit einem großen, blauen Schild, auf dem in weißer Schrift "Polizei" steht
1. Polizeirevier in Frankfurt am Main – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Jan Huebner

Deutschland hat ein Problem mit Rechtsextremen bei der Polizei. Inzwischen vergeht kaum ein Monat, indem nicht rechtsextreme Umtriebe von Polizist:innen Schlagzeilen machen. Das hat oft auch eine digitale Komponente: Beamte geben Daten an Nazis heraus, schreiben selbst Drohbriefe an Linke oder schicken sich in Chatgruppen Hakenkreuze und rassistische oder antisemitische Sprüche.

Währen Innenminister:innen versprechen, mit aller Härte gegen Verfassungsfeinde in den Reihen der Polizei vorgehen zu wollen, bleibt die juristische Aufarbeitung bislang oft hinter den Erwartungen der Öffentlichkeit zurück. Wir haben zwei Expert:innen zur Rechtslage befragt: Sind rechtsextreme Chats von Polizist:innen wirklich nicht strafbar?

Hakenkreuze und Hitlerbilder

Anstoß für diese Recherche gab eine Entscheidung des Landgerichts Frankfurt zu einer rechtsextremen Chatgruppe von Polizist:innen. Mehrere Jahre lang hatten fünf Beamt:innen aus dem 1. Polizeirevier in Frankfurt und die Lebensgefährtin eines Beamten in der Messenger-Gruppe „Itiotentreff“ unter anderem Hakenkreuze, Hitlerbilder und Verharmlosungen des Holocausts ausgetauscht. Auch über Menschen mit Behinderung und People of Colour machten sie sich lustig und verleumdeten diese. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen zudem Gewaltdarstellungen und Besitz sowie Verbreitung pornographischer Schriften vor.

Die Gruppe flog nur durch Zufall auf: Diensthandys der Angestellten wurden untersucht, weil die Daten der Anwältin Seda Başay-Yıldız von einem Computer im 1. Polizeirevier abgerufen wurden, unmittelbar bevor sie einen rassistischen NSU2.0-Drohbrief erhielt.

Im Februar entschied nun das Landgericht, das von der Staatsanwaltschaft geforderte Strafverfahren gegen die Gruppe gar nicht erst zu eröffnen. Dabei besteht offenbar kein Zweifel daran, dass die Polizist:innen verbotene Kennzeichen geteilt und den Holocaust verharmlost haben.

Die Rechtslage ist kompliziert

Fälle wie dieser würden das „Vertrauen in die politische Integrität der Polizei stark beschädigen“, konstatiert im Gespräch mit netzpolitik.org Josephine Ballon von HateAid. Die Organisation unterstützt Opfer von Hasskriminalität. Immer wieder komme es vor, dass Betroffene von digitaler Gewalt die Taten nicht zur Anzeige bringen würden – aus Angst vor der Polizei. „Diese Menschen sorgen sich, dass sie bei der Polizei auf Täter:innen treffen.“ Auch die Angst davor, dass Polizist:innen Schindluder mit den Daten der Opfer treiben könnten, wie es in der Vergangenheit passierte, spiele eine Rolle.

Keine Hoffnung mehr auf weitere Aufklärung

Die Rechtslage ist in Hinblick auf Chatnachrichten durchaus kompliziert. Grundsätzlich können sowohl die Verwendung von Hakenkreuzen als auch die Verharmlosung des Holocausts in Deutschland strafbar sein. Relevante Paragrafen des Strafgesetzbuches sind hier § 86a zum Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen sowie § 130 zu Volksverhetzung. Ob die Straftatbestände bei rechtsextremen Chats tatsächlich zutreffen, hängt vom konkreten Fall ab.

Besonders komme es darauf, ob die fraglichen Äußerungen öffentlich oder in einer Versammlung getätigt wurden, erklärt der Düsseldorfer Rechtsanwalt Eren Basar. „Die Abgrenzung, was als Öffentlichkeit und was als Versammlung gilt, kann im Einzelfall sehr filigran sein.“ So habe der Bundesgerichtshof in der Vergangenheit zum Beispiel entschieden, dass das Posten eines Hakenkreuzes im Freunde-Feed auf Facebook mit mehreren hundert Kontakten durchaus als öffentliche Verbreitung gelte. Ein Mann, der ein Hakenkreuz in seinem Hausflur anbrachte, kam jedoch straffrei davon.

Wann ist eine Chatgruppe öffentlich?

„Das Strafrecht ist grundsätzlich sehr zurückhaltend, was Äußerungen und Haltungen angeht“, erklärt Basar, der sich als Mitglied des Deutschen Anwaltvereins regelmäßig mit den Themen Polizei, Sicherheit und öffentliche Ordnung auseinandersetzt. Auch wenn es manchmal schwer auszuhalten sei: Das sei ein wichtiger Grundsatz der liberalen Demokratie, „weil wir sonst Gefahr laufen, unliebsame Meinungen unter Strafe zu stellen.“

Im Fall des „Itiontreffs“ gehe das Landgericht Frankfurt offenbar von einer eindeutig nicht-öffentlichen Verbreitung aus und sehe den Chat auch nicht als Versammlung an, so Basar. Tatsächlich schreibt die FAZ, dass das Gericht in seiner nicht veröffentlichten Entscheidung darauf abstelle, dass die Chatgruppe exklusiv und jederzeit kleiner als zehn Personen gewesen sei. Offenbar haben sich die Polizisten in der Gruppe sogar darüber ausgetauscht, dass ihr Verhalten strafbar wäre, wenn es einer größeren Öffentlichkeit zugänglich wäre. Von einer öffentlichen Verbreitung könne deshalb nicht die Rede sein, so das Landgericht. Teile der Äußerungen seien zudem satirisch und von der Kunstfreiheit gedeckt.

Auch Josephine Ballon von HateAid räumt ein, dass die Voraussetzungen für eine Verurteilung wegen Messengernachrichten hoch seien. Im Fall der Frankfurter Nazi-Chats sieht sie die Sache jedoch nicht ganz so eindeutig wie das Landgericht. Die Juristin verweist auf mehrere Gerichtsentscheidungen, die Menschen wegen Volksverhetzung in kleinen und nicht-öffentlichen Chatgruppen verurteilten. Der erste Absatz des Volksverhetzungsparagrafen setze nämlich weder Öffentlichkeit noch Verbreitung voraus, sondern stelle auf die Störung des öffentlichen Friedens ab.

Wichtiger als die Frage der Öffentlichkeit sei hier die Frage der Diskretion. Also: Ob sich die Kommunikationsteilnehmer:innen darauf verlassen können, dass die Inhalte nicht den Kreis der Chat-Gruppe verlassen und dann den öffentlichen Frieden beeinträchtigen. Ein Familienchat sei zum Beispiel vertraulicher als einer mit Kolleg:innen. So wurde kürzlich in Fulda ein junger Mann wegen rassistischer Bilder in einem Chat mit zehn Freunden verurteilt und 2020 ein Würzburger Faschingsfunktionär, der volksverhetzende Inhalte in einer 20-köpfingen Chat-Gruppe mit Vereinskolleg:innen geteilt hatte.

Gleiche Maßstäbe für alle

Klar sei jedenfalls, dass Polizeibeamte sich grundsätzlich nicht mit vermeintlicher Unwissenheit herausreden könnten. „Sie bringen eine Vorbildung mit und sind auf die Verfassung vereidigt“, so Ballon. Dass die Chats der Frankfurter Polizist:innen von der Kunstfreiheit gedeckt sein könnten, hält Ballon für unwahrscheinlich. „Hier geht es ja offenbar um eine Gruppe, die dem regelmäßigen Austausch rechtsextremer Inhalte diente.“

Wie es in dem Fall weitergeht, muss nun das Oberlandesgericht entschieden. Die Staatsanwaltschaft hat Beschwerde gegen die Entscheidung des Landgerichts eingelegt, das Verfahren nicht zu eröffnen. „Für die Öffentlichkeit wäre das kein gutes Signal, wenn diese Polizist:innen straffrei bleiben“, findet Josephine Ballon, „auch wenn die öffentliche Signalwirkung natürlich kein Bemessungsmaßstab für Strafen ist.“

Müssten dann vielleicht für die Chatgruppen von Polizist:innen andere Maßstäbe gelten? Das halten weder Ballon noch Basar für eine gute Idee. Einer der Grundsätze des Strafrechts sei es, dass alle Menschen gleich behandelt werden. „Polizist:innen sind auch Bürger:innen“, sagt Ballon. „Daran sollten wir nicht rütteln“, sagt Basar.

Rechtsextreme aus dem Dienst entfernen

Handlungsbedarf sehen die beiden trotzdem: In der konsequenten Anwendung des Disziplinarrechts. Denn unabhängig von Strafverfahren müssten rechtsextreme Beamte dienstrechtliche Konsequenzen zu spüren bekommen. „Im Endeffekt geht es doch darum, dass wir keine Leute als Beamte haben wollen, die eine rechtsextreme Haltung teilen oder mit deren Kennzeichen spielen“, so Basar. „Schon gar nicht als Beamte, die über die rechtliche Befugnis zur Ausübung physischer Gewalt verfügen.“ Wer Volksverhetzung verharmlose, müsse aus dem Dienst entfernt werden.

Basar verweist hier auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Es hatte im Fall eines Soldaten entschieden, dass dieser aufgrund rechtsextremer WhatsApp-Nachrichten aus dem Dienst entfernt werden könne. Dessen Verteidigung, es habe sich lediglich um geschmacklose Witze gehandelt, hatte das Gericht nicht gelten lassen.

Im Fall der Frankfurter Polizist:innen liegt das Disziplinarverfahren derzeit noch auf Eis. Aus juristischen Gründen muss erst der Ausgang eines möglichen Strafverfahrens abgewartet werden, die Entscheidung des Landgerichts ist wegen der Beschwerde der Staatsanwaltschaft noch nicht rechtskräftig.

Unterdessen bringt Josephine Ballon einen weitere Verbesserungsmöglichkeit ins Spiel: Die Polizei müsse deutlich stärker für Aufklärung unter Polizist:innen sorgen. Regelmäßig veranstalte HateAid Workshops und Vorträge bei der Polizei. Hier nehme sie insgesamt ein gesteigertes Problembewusstsein für Rechtsextremismus in den eigenen Reihen wahr. Von einer ganzheitlichen Antidiskriminierungsbildung und vor allem Sensibilisierung für Extremismus im digitalen Raum sei die Polizei aber noch weit entfernt.


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