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Überwachung in der Partnerschaft: Jeder Dritte hält Stalkerware für akzeptabel

Frau mit Handy in der Hand läuft über gelben Zebrastreifen.

Den Standort verfolgen, private Nachrichten mitlesen, Bilder und Videos abgreifen: 30 Prozent der Befragten einer internationalen Online-Umfrage des IT-Unternehmens Kaspersky halten es unter bestimmten Umständen für völlig akzeptabel, ihren Partner oder ihre Partnerin mit Spionagesoftware heimlich zu überwachen. Hauptgrund ist die Befürchtung, dass der Partner oder die Partnerin fremdgehen könnte. Zwei Drittel gaben an, das Programm zur Sicherheit des Partners einzusetzen. Aber auch der Verdacht, dass der Partner oder die Partnerin in kriminelle Machenschaften verwickelt sein könnte, rechtfertigte für die Hälfte der Befragten den Einsatz von so genannter Stalkerware. Gleichzeitig gaben mehr als die Hälfte der Befragten an, gar nicht zu wissen, was Stalkerware überhaupt ist.

Im Auftrag von Kaspersky hat das Marktforschungsunternehmen Sapio Research mit Sitz in London mehr als 21.000 Teilnehmer:innen aus 21 Ländern online zu ihren Erfahrungen mit Stalkerware befragt. Anlass für die Untersuchung war das zweijährige Jubiläum der Koalition gegen Stalkerware, bei der auch Kaspersky mitmischt. Die gemeinnützige Organisation, die heute mehr als 40 internationale Partner:innen zählt, hat es sich zur Aufgabe gemacht, über die Gefahren von Stalkerware aufzuklären.

Befragte aus Indien, Malaysia und China hielten es im internationalen Vergleich für besonders legitim, ihre Partner:innen heimlich mittels Handy zu überwachen. Am wenigsten Zustimmung fand Stalkerware in Portugal, Kolumbien, Spanien, Peru, Mexiko und Tschechien. In Deutschland nahmen 1.000 Personen an der Umfrage teil. Davon sahen neun Prozent kein Problem darin, ihren Partner zu überwachen, für 13 Prozent kam Stalkerware nur unter bestimmten Umständen in Frage. Die Mehrheit lehnte die Programme in intimen Beziehung jedoch ab.

Viele sorgen sich vom Partner überwacht zu werden

Als Stalkerware bezeichnet werden kommerzielle Software und Apps, mit denen Personen andere ausspionieren können. In manchen Fällen können Täter:innen das gesamte Mobilgerät überwachen – von Suchanfragen im Internet über Standortinformationen bis hin zu privaten Textnachrichten, Bildern und Videos. Die Betroffenen wissen oft nicht, dass die App auf ihrem Telefon installiert ist, weil sie unscheinbar im Hintergrund mitläuft.

Händler bewerben die Programme häufig als Werkzeug zur Überwachung der eigenen Kinder oder Angestellten – das ist in Deutschland legal, wenn es um die eigenen minderjährigen Kinder geht oder die anderen Personen der Kontrolle zugestimmt haben. Wer allerdings das Handy einer Partnerin oder Ex-Partnerin ohne deren Wissen überwacht, macht sich strafbar. Recherchen von Medien und Forscher:innen haben gezeigt, dass Stalkerware faktisch am häufigsten zum Einsatz kommt, um Partner:innen oder Ex-Partner:innen illegal zu überwachen.

Digitaler Missbrauch scheint in intimen Beziehungen ein immer größeres Thema zu werden. 37 Prozent der Befragten gaben an, Angst zu haben, dass ihr Partner oder ihre Partnerin ihre digitale Privatsphäre verletzt. In Ländern wie Peru und Kolumbien treibt diese Sorge mehr als die Hälfte der Befragten um, in Deutschland sind es dagegen nur 20 Prozent.

Die Umfrage zeigt aber auch, dass digitale Überwachung in Beziehungen nicht immer heimlich stattfinden muss. 15 Prozent der Befragten geben an, von ihrem Partner beziehungsweise ihrer Partnerin schon einmal ganz offen aufgefordert worden zu sein, eine Überwachungsapp auf ihr Handy zu installieren. Besonders hoch war die Zahl bei denjenigen, die bereits zuvor Missbrauch in der Beziehung erlebt hatten.“Wenn Stalkerware im Rahmen von häuslicher Gewalt oder Gewalt in der Partnerschaft eingesetzt wird, kann dies darauf hindeuten, dass der Täter sehr kontrollsüchtig ist, und beunruhigenderweise könnte es ein Zeichen dafür sein, dass die Gewalt noch schlimmer wird“, so Karen Bentley, Expertin für Technologiesicherheit und Geschäftsführerin der Organisation WESNET, die auch Teil der Koalition gegen Stalkerware ist. Laut Kaspersky deutet die Studie darauf hin, dass Stalkerware psychologischen Missbrauch in Beziehungen noch verstärken kann.

Zahlen zu digitalem Stalking bleiben vage

Das Ergebnis der Umfrage liefert einen Eindruck in Bezug auf den Zusammenhang von Missbrauch und Stalkerware, mehr aber nicht. Eine solide Datenlage sieht anders aus. Auch die Begrifflichkeiten sind nicht immer ganz eindeutig: Mal haben Kaspersky die Teilnehmenden nach Stalkerware gefragt, mal nach digitaler Überwachung ganz generell. Das eine ist aber nicht gleich das andere.

Denn in vielen Situationen brauchen Partner gar keine Spionageapp, um ihre Partner:innen überwachen zu können. Weil man viel über den anderen weiß, lassen sich Passwörter besser erraten oder anders erschleichen. Teils haben die Männer in der Partnerschaft sowieso schon die Geräte und den Internetzugang eingerichtet.

In einer Beziehung ist man viel eher bereit, Zugangsdaten zu Sozialen Medien, Clouddiensten oder Geräten mit dem anderen zu teilen. Das sagen auch die Befragten selbst: Mehr als die Hälfte gab an, Passwörter mit dem Partner zu teilen, ebenso viele, die Passwörter des anderen zu kennen. Nur ein Drittel der Befragten gab an, niemals Passwörter mit dem Partner oder der Partnerin zu teilen. Besonders bemerkenswert: Mehr als 40 Prozent geben an, dass ihre Familien ihre ICloud- oder Google-Zugangsdaten kennen. Wer aber Zugang zu einem dieser Accounts hat, sieht häufig ebenfalls Fotos, Nachrichten und Standortdaten – ganz ohne Stalkerware.

Während Kasperskys Software dabei hilft, die Spionageprogramme auf dem eigenen Handy aufzuspüren, kann sie gegen diese viel einfachere Form der Spionage nichts ausrichten – womöglich ein Grund, warum das Unternehmen in seiner öffentlichen Kommunikation vor allem von den Apps redet und seltener von den sonstigen Gefahren.

Ranking nicht repräsentativ

Zusätzlich zu der Online-Umfrage hat Kaspersky auch analysiert, wie viel seiner Nutzer:innen in den ersten zehn Monate diesen Jahres weltweit von Stalkerware betroffen waren. Auf den Geräten von insgesamt 28.000 Mobilfunknutzer:innen hat das IT-Unternehmen die Stalkerware nachweisen können. Brasilien, Russland und die USA zählen im Ranking weiter zu den Ländern, in denen Stalkerware am häufigsten entdeckt wurde. In Europa konnte das Unternehmen mehr als 3.100 Fälle feststellen, die meisten davon in Deutschland, Italien und Großbritannien. In Deutschland hat das Unternehmen 885 Fälle erkannt, 2020 waren es noch mehr als 2.000.

Die absoluten Zahlen sind bemerkenswert, allerdings nicht repräsentativ. Denn Kaspersky veröffentlicht keine Angaben zur Zahl seiner Nutzer:innen in den jeweiligen Ländern. Die hohen Zahlen in Brasilien oder den USA könnten so auch schlicht damit zusammenhängen, dass in diesem Ländern mehr Nutzer:innen die Software des Unternehmens installiert haben – und somit auch mehr Stalkerware gefunden wird. Die Dunkelziffer dürfte ohnehin deutlich höher liegen.

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Vermutest du, digital überwacht zu werden? Die Coalition Against Stalkerware bietet Informationen und Anleitungen für Betroffene. In Deutschland findest du über den Bundesverband Frauenberatungsstellen bff Informationen zu Digitaler Gewalt und eine Beratungsstelle in deiner Nähe. In Berlin berät das Anti-Stalking-Projekt im FRIEDA-Frauenzentrum Betroffene von Stalking.


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