Die Europäische Union hat sich in der vergangenen Nacht im Rahmen von Trilog-Verhandlungen auf einen gemeinsamen Gesetzesentwurf für das sogenannte Digitale-Märkte-Gesetz geeinigt. Nach rund 18 Monaten haben Kommission, Rat und Parlament damit eine gemeinsame Linie gefunden, die noch von Rat und Parlament final beschlossen werden muss. Doch das ist nur noch Formsache.
Bis zuletzt umstritten war die Frage von möglicher Interoperablität. Gerade Whatsapp hat im vergangenen Jahrzehnt ein Monopol aufbauen und halten können, weil man eben die App brauchte, um mit anderen Menschen kommunizieren zu können. Signal- oder Threema-Nutzer:innen hatten zwar die Vorteile einer datenschutzfreundlichen Alternative, aber wenn die eigene Familie oder andere Kommunikationspartner:innen eben zu faul für einen Wechsel waren, musste man häufig dennoch parallel Whatsapp installieren.
Status Quo ist das Whatsapp-Monopol
Das führte zu monopolartigen Zuständen, in denen laut ARD-ZDF-Onlinestudie rund 95 Prozent der unter 30-jährigen Whatsapp nutzen und häufig aus sozialen und gruppendynamischen Gründen eben keine Wahlfreiheit haben, bessere Alternativen zu nutzen. Mit allen Nebenwirkungen, dass z.B. bei Facebook weiterhin gespeichert wird, wo wir wann waren, als wir Nachrichten über Whatsapp erhalten oder verschickt haben.
Ein Jahr nach Einführung des Digitale-Märkte-Gesetzes sollen Messenger jetzt interoperabel werden. Allerdings erstmal nur für die Eins-zu-Eins-Kommunikation. Und diese muss wenigstens eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ermöglichen. Das ist besser als von Pessimisten erwartet.
Keine Interoperabilität bei Sozialen Netzwerken
Weitere drei Jahre sollen marktdominante Anbieter wie Whatsapp Zeit haben, um Gruppenchats interoperabel zu bekommen. Das freut sicher viele Menschen, die sich bisher Familien-Gruppenchats mit dem Hinweis entziehen konnten, dass man leider nur Signal nutze. Aber aus technischer Sicht ist diese lange Übergangszeit lächerlich und zieht nur den Status Quo unnötig in die Länge.
Keine Interoperabilität soll es hingegen bei Sozialen Netzwerken geben. Das hätte man auch machen können und zumindest bei einigen Diensten wie Instagram hat man jetzt den Salat, dass diese zwar für messengerartige Kommunikation über Direktnachrichten genutzt werden, aber eben nur in der App. Und damit wird dort alles so weitergehen wie bisher. Ein wenig mehr Mut und Entschlossenheit wäre hier angebracht gewesen.
Das Digitale-Dienste-Gesetz besser machen
Den braucht es jetzt auch, um im parallelen Gesetzesprozess, dem Digitale-Dienste-Gesetz, die Entscheidungen zu treffen, die im DMA vermieden wurden. Einer der Hauptgründe für viele negative Auswirkungen von sozialen Medien – wie Hass, Hetze und Desinformation – ist das zu Grunde liegende überwachungskapitalistische Geschäftsmodell vieler Plattformen. Das System der personalisierten Werbung bindet unsere Aufmerksamkeit mit dem Ziel, möglichst viele Datenpunkte zu sammeln, um uns (oft vermeintlich) personalisierte Werbung auszuliefern. Algorithmen favorisieren polarisierende Inhalte, die möglichst viel Interaktion versprechen, weil Interaktion das Werbemodell beflügelt.
In der Diskussion um das Digitale-Dienste-Gesetz hat das EU-Parlament das Verbot der Nutzung von besonders sensiblen persönlichen Daten zum Zwecke des Werbetrackings beschlossen. Diese Position fließt jetzt in die Verhandlungen mit Rat und Kommission ein. In der gestrigen Sitzung soll es Signale gegeben haben, dass Rat und Kommission sich dem anschließen werden. Das ist besser als nichts, bei sensiblen persönlichen Daten handelt es sich um religiöse Überzeugungen, politische Meinungen, Gesundheitsdaten und Rückschlüsse auf sexuelle Neigungen.
Aber da wäre auch mehr möglich und zwar ein komplettes Verbot von personalisierter Werbung. Mehr Mut dazu wäre jetzt angebracht. Ein Verbot personalisierter Werbung ist möglich, um eine lebenswertere digitale Welt zu schaffen.
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