Ticker

6/recent/ticker-posts

Ad Code

Responsive Advertisement

Client-Side-Scanning: Berühmte IT-Sicherheitsforscher:innen warnen vor Wanzen in unserer Hosentasche

Weltweit bekannte IT-Sicherheitsforscher:innen und Erfinder von Verschlüsselungssystemen kritisieren in einer gemeinsamen Studie mit dem Titel „Wanzen in unserer Hosentasche“ alle Pläne für Inhalte-Scanner auf den Geräten von Endnutzer:innen. Dieses so genannte Client-Side-Scanning (CSS) sei eine Gefahr für Privatsphäre, IT-Sicherheit, Meinungsfreiheit und die Demokratie als Ganzes.

Bei der Überwachungstechnologie CSS werden die Endgeräte einer Person auf bestimmte Dateien durchsucht, bevor die Dateien zum Beispiel für die Kommunikation verschlüsselt werden. Groß geworden war die Debatte um die Überwachungstechnologie nachdem Apple angekündigt hatte, die Endgeräte seiner Nutzer:innen auf Darstellungen von Kindesmissbrauch zu scannen. Nach großen Protesten hatte das Unternehmen die Pläne verschoben. Auch in der Europäischen Union gibt es Pläne in diese Richtung. Im Juni hatte die EU Anbietern von E-Maildiensten und Messengern erlaubt, nach bestimmten Dateien zu suchen.

Die Wissenschaftler:innen, unter ihnen Koryphäen wie Bruce Schneier, Carmela Troncoso, Whitfield Diffie und Ronald L. Rivest, kritisieren in ihrer 46-seitigen Studie, dass CSS von Haus aus ernsthafte Sicherheits- und Datenschutzrisiken für die gesamte Gesellschaft schaffe, während die Unterstützung, die es den Strafverfolgungsbehörden bieten kann, bestenfalls problematisch sei. Es gebe zahlreiche Möglichkeiten, wie die clientseitige Überprüfung versagen, umgangen und missbraucht werden könne.

Gefährlich für die IT-Sicherheit

Die Pläne, wie beispielsweise dem von Apple, sehen vor, CSS auf allen Geräten zu installieren und nicht nur heimlich auf den Geräten von Verdächtigen. Hierzu sagen die IT-Experten: „Ein flächendeckender Einsatz bedroht jedoch die Sicherheit gesetzestreuer Bürger ebenso wie die von Gesetzesbrechern.“

Technisch gesehen ermögliche CSS eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, aber das sei fraglich, wenn die Nachricht bereits nach gezielten Inhalten gescannt würde. Die Studie sagt hierzu: „Da CSS staatlichen Stellen Zugang zu privaten Inhalten verschafft, muss es wie Abhören behandelt werden. In Rechtsordnungen, in denen Massenüberwachung verboten ist, muss auch CSS verboten werden.“

Die Tatsache, dass CSS zumindest teilweise auf dem Client-Gerät ausgeführt werde, sei nicht, wie die Befürworter behaupten, ein Sicherheitsmerkmal. Es sei vielmehr eine Schwachstelle: „Da die meisten Benutzergeräte Schwachstellen aufweisen, können die Überwachungs- und Kontrollmöglichkeiten von CSS von vielen Gegnern missbraucht werden, von feindlichen staatlichen Akteuren über Kriminelle bis hin zu den Intimpartnern der Benutzer.“ Außerdem sei es aufgrund der Undurchsichtigkeit mobiler Betriebssysteme schwierig zu überprüfen, ob die CSS-Maßnahmen nur auf Material abzielen, dessen Illegalität unbestritten ist.

Deswegen würde die Einführung von CSS noch stärker in die Privatsphäre eingreifen als frühere Vorschläge zur Schwächung der Verschlüsselung.

Schwächung von Meinungsfreiheit und Demokratie

Für die Autor:innen der Studie ist klar: CSS ist eine gefährliche Technologie. Selbst wenn sie zunächst zur Suche nach Inhalten mit Kindermissbrauchsdarstellungen eingesetzt würde, also nach Inhalten, die eindeutig illegal sind, gäbe es einen enormen politischen und gesellschaftlichen Druck, ihren Anwendungsbereich auszuweiten. Einmal eingeführt, gäbe es kaum noch eine Möglichkeit, sich gegen die Ausweitung zu wehren oder den Missbrauch des Systems zu kontrollieren.

Auch Apples Pläne kommen schlecht weg. So schreibt Ross Anderson, einer der Autoren der Studie in seinem Blog: „Wir hatten nicht vor, den Vorschlag von Apple zu loben, aber wir kamen zu dem Schluss, dass er wahrscheinlich das Beste war, was man tun konnte. Dennoch kam er nicht annähernd an ein System heran, das ein vernünftiger Mensch für vertrauenswürdig halten könnte.“

Die IT-Expert:innen lehnen die Technologie, egal wie sie letztlich umgesetzt wird, als ganzes ab: „Eine solche Massenüberwachung kann zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Meinungsfreiheit und sogar der Demokratie selbst führen.“


Hilf mit! Mit Deiner finanziellen Hilfe unterstützt Du unabhängigen Journalismus.

Enregistrer un commentaire

0 Commentaires