Ticker

6/recent/ticker-posts

Ad Code

Responsive Advertisement

Peng-Kollektiv: Kulturbetrieb protestiert, dass die Polizei Aktionskünstler auf Terrorliste setzen will

Mit einem offenen Brief protestieren zahlreiche Kulturinstitutionen, Theater und Einzelpersonen aus Deutschland dagegen, dass das Künstler:innenkollektiv „Peng!“ auf die bundesweite Terrorliste des Verfassungsschutzes aufgenommen werden soll. Der Vorgang war durch eine kleine Anfrage des Linksparteiabgeordneten Niklas Schrader bekannt geworden. Zuvor hatte die Polizei Privatwohnungen von (ehemaligen) Mitgliedern und die Büroräume der Aktionskünstler:innen durchsucht.

In einem offenen Brief an die Berliner Senatoren für Inneres, für Kultur und für Justiz heißt es:

Wir erkennen hierin einen grenzüberschreitenden, beispiellosen Vorgang, der die Freiheit der Kunst gefährdet und Künstler*innen mit extremistischen Gruppen wie etwa der Al-Nusra Front oder potenziellen NSU-Attentätern in Verbindung bringt und formal sogar gleichsetzt. [..]

Die Einstufung erscheint angesichts der langjährigen Arbeitsweise des Kollektivs, das sich mit thematischer Aktionskunst in den politischen wie ästhetischen Diskurs einbringt, aus Sicht von DIE VIELEN e.V. und den hier unterzeichnenden Kunst- und Kultureinrichtungen sowie Künstler*innen unverhältnismäßig.

Hintergrund des Vorgehens gegen die Aktionskünstler:innen ist die Webseite tearthisdown.com, auf der Peng zusammen mit der Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland Denkmäler mit kolonialer Vergangenheit auf einer interaktiven Karte auflistet und in provokativer Weise zu Aktionen gegen diese aufruft. Die Staatsanwalt interpretiert diese Webseite als Aufruf zu Straftaten und behauptet – ohne stichhaltige Beweise vorzulegen -, dass neun Beschädigungen an Denkmälern im Zusammenhang mit der Aktion von Peng stünden.

Karte
Die Karte von tearthisdown.com listet Orte mit Kolonialvergangenheit. - Alle Rechte vorbehalten tearthisdown.com

Schon früher Kunst als Terror eingestuft

Im Rahmen der Durchsuchungen bei Peng hat das Berliner Landeskriminalamt den Fall zuletzt beim Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum (GETZ) eingebracht. Das GETZ ist eine Koordinierungsstelle von über 40 Geheimdiensten und Polizeien aus Bund und Ländern zur Abwehr von Rechtsextremismus, Linksextremismus, Ausländerextremismus und Spionage. Die Koordinierungsstelle steht in der Kritik, weil sie nach Einschätzung einiger Jurist:innen das Trennungsgebot zwischen Geheimdiensten und Polizei verletzt. 

Schon in der Vergangenheit hatten der Berliner Verfassungsschutz und die Berliner Polizei Aktionskunst an das GETZ gemeldet, damals handelte es sich um veränderte Plakate – so genanntes Adbusting. Damals schon kritisierten Juristen das Vorgehen der Behörden: Vor dem Hintergrund des normalerweise geringen Sachschadens durch Adbusting entstehe der Verdacht, dass der Ermittlungseifer vom Inhalt der Adbustings befeuert würde.

„Kunstfreiheit darf nicht auf die Terrorliste“

Die Unterzeichner:innen des offenen Briefes sehen in dem Vorgang einen Angriff auf die im Grundgesetz garantierte Kunstfreiheit. Mit der Webseite kämpfe das Peng-Kollektiv für Dekolonialisierung, also für etwas, für das auch Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) mit der Rückgabe von Beutekunst eintrete, sagt Oliver Reese, Intendant am Berliner Ensemble gegenüber dem Deutschlandfunk. Die Gleichsetzung von Künstlern, die sich für dieses Ziel einsetzen, mit dem NSU sei ein schlimmer, absurder und nicht akzeptabler Vorgang.

Reese ist nur einer der prominenten Unterzeichner:innen. Neben ihm haben auch der Satiriker Jan Böhmermann und die Intendantin des Berliner Gorki-Theaters Shermin Langhoff unterzeichnet. Bei den Organisationen und Initiativen reicht die Unterstützung von fast allen namhaften Berliner Theatern, über kleinere Theaterkollektive bis hin zum Chaos Computer Club und der Berliner Clubcommission.

Das Peng-Kollektiv hat seit dem Jahr 2015 zahlreiche Aktionen im Spannungsfeld zwischen Kommunikationsguerilla und Aktionskunst durchgeführt. Dabei sabotierten die Künstler:innen eine Werbeveranstaltung von Shell, warfen der AfD-Politikerin Beatrix von Storch eine Torte ins Gesicht, riefen zur Fluchthilfe auf, fälschten Webseiten von Bundesämtern oder versuchten Geheimdienstmitarbeiter zum Ausstieg zu bewegen. Zahlreiche Aktionen von Peng bewegen sich am Rande der Legalität, versuchen aber durch genau diese Provokation im Rahmen der Kunstfreiheit eine gesellschaftliche und politische Debatte auszulösen.


Hilf mit! Mit Deiner finanziellen Hilfe unterstützt Du unabhängigen Journalismus.

Enregistrer un commentaire

0 Commentaires