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Kambodscha: Neue Regelung ermöglicht staatliche Zensur

Kambodschanische Flagge in Phnom Penh

Die kambodianische Regierung hat im Februar eine Verordnung für ein sogenanntes „National Internet Gateway“ (NIG) erlassen. Es soll nicht nur den Datenverkehr innerhalb des Landes kontrollieren, sondern auch Daten-Austausch von Kambodscha ins Ausland und umgekehrt. Ziel dessen sei unter anderem ein verstärkter „Schutz der nationalen Sicherheit und die Erhaltung der sozialen Ordnung, der Kultur und der nationalen Tradition“. Die in Südostasien tätige Organisation DigitalReach, die sich für digitale Rechte und Internetfreiheit einsetzt, vermutet in der neuen Regelung, dass die kambodschanische Regierung unter Ministerpräsident Hun Sen damit verstärkt ihre Internetnutzer*innen sowie die digitale Kommunikation überwachen und regierungskritische Inhalte zensieren will.

DigitalReach hat ein Papier veröffentlicht, um über das NIG aufzuklären und etwa Aktivist*innen und Organisationen in Kambodscha Handlungsvorschläge zu machen. Eine zentrale Rolle beim NIG spielen die sogenannten Operatoren. Sie müssen Internetverkehr überwachen und Berichte an das Telekommunikationsministerium und die zuständige Regulierungsbehörde übermitteln, so DigitalReach. Mithilfe der Operatoren sei es den Autoritäten außerdem möglich, jegliche Netzwerk-Verbindung, die sie als Bedrohung einstufen, zu trennen oder blockieren.

Chinas „Great Firewall“ zum Vorbild

DigitalReach vermutet hinter dem neuen Gesetz Regulierungsmaßnahmen des Internets, die sich an Chinas sogenannter „Great Firewall“ orientieren. In dem Hintergrundpapier schreiben sie:

Als ein Land, das für seine engen Beziehungen zu China bekannt ist und eine eigene schlechte Bilanz hinsichtlich ihrer Menschenrechte vorweist, besteht die Möglichkeit, dass die Regierung von Chinas Ansatz zur Internetkontrolle lernen und ihn an den kambodschanischen Kontext anpassen wird.

Die chinesische Regierung überwacht mit dem Projekt „Great Firewall“ als Teil des „Golden Shield Project“ gezielt seit Jahren die Internetaktivitäten ihrer Nutzer*innen und zensiert politisch sensible sowie regierungskritische Inhalte. Soziale Plattformen wie Facebook, Twitter und Whatsapp hat die chinesische Regierung für chinesische Nutzer*innen gesperrt. Eine vollständige Blockierung westlicher sozialer Plattformen hält DigitalReach in Kambodscha für weniger wahrscheinlich. Die Regierung könnte jedoch Druck auf Unternehmen ausüben, Seiten, Gruppen und Konten abzuschalten sowie Beiträge zu entfernen. Ebenso sei zu erwarten, dass sie soziale Netzwerke für Propaganda-Zwecke nutzen würde.

Welche Macht Regierungen auf soziale Netzwerke und die eigenen Bürger*innen ausüben können, zeigen Beispiele aus anderen Ländern. So hat Russland Unternehmen wie Facebook und Twitter bereits einige Male sanktioniert, weil diese sich nicht an die russischen Regelungen gehalten hatten. Im kambodschanischen Nachbarland Laos müssen regierungskritische Internetnutzer*innen seit kurzem mit harten Strafen rechnen.

Regierungskritische Gruppen werden zur Zielscheibe

Neben ausgiebigen Überwachungsmethoden befürchtet DigitalReach, dass vor allem Menschenrechtsaktivist*innen, NGO-Mitarbeitende, unabhängige Medien, Oppositionelle und andere vulnerable Gruppen in Kambodscha mit Internetzensur rechnen müssen. Methoden, die die Regierung dafür einsetzen könnte, wären nach chinesischem Vorbild beispielsweise eine IP-Blockierung, der Einsatz von URL-Filtern und die Kontrolle von Datenpaketen durch Deep Packet Inspection. Auch die Umgehung von Zensurpraktiken seitens Internetnutzer*innen mithilfe von VPNs und ähnlichen Diensten könnte die Regierung durch technische Eingriffe erschweren. DigitalReach äußert in ihrem Dokument, dass Überwachung und Zensur zwar auch ohne das neue Gesetz stattfinden könnte, der NIG dies jedoch verstärken würde.

Bereits kurz nach der Verordnung im Februar hatten mehrere Menschenrechtsorganisationen Kritik an möglichen Unterdrückungspraktiken durch den NGI geäußert. Phil Robertson von Human Rights Watch erklärte, das kambodschanische National Internet Gateway sei „das fehlende Werkzeug im Werkzeugkasten der Online-Unterdrückung“. Außerdem sei es kein Zufall, dass die Regierung unter Hun Sen sich nach der bereits erfolgten Abschaltung kritischer Medien nun den Online-Kritiker*innen zuwende. Er vermutet hinter dem Gesetz auch eine Maßnahme für die landesweit organisierten Kommunalwahlen im kommenden Jahr.


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