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Luca-App: Warum im Voraus bezahlte Lizenzen eine schlechte Idee sind

Mann sitzt im Biergarten und schaut aufs Handy

Ralf Rottmann ist ehemaliger Tech-Startup-Gründer, Angel Investor und hat eine Leidenschaft für netzpolitische Themen. Es ist ein vehementer Kritiker von Luca und betreibt auf luca.denken.io eine Übersicht der Nutzung durch die Gesundheitsämter.

Dank kräftiger Werbung durch den prominenten Investor Smudo konnte das frisch gegründete Start-up culture4life binnen wenigen Monaten über 20 Millionen Euro an Steuergeldern von unterschiedlichen Bundesländern einsammeln.

Zu Beginn dieser Woche versandte die culture4life GmbH einen elektronischen Rundbrief. Dafür nutzten die Luca-Macher den US-amerikanischen Dienst Mailjet. Bis zu 6.000 E-Mails pro Monat kosten dort nichts. Bis zu 30.000 gibt es ab 8 Euro im Monat.

Beim Einkauf von IT-Dienstleistungen setzt Luca konsequent auf nutzungsabhängige Preismodelle, die entlang der Strategie des „pay as you grow“ als Software-as-a-Service (SaaS) bezeichnet werden. Die Kundin wird erst dann zur Kasse gebeten, wenn der Service auch wirklich nennenswert genutzt wird.

Verwunderliches Preismodell

Umso verwunderlicher ist es, dass Luca die Vorteile aus dem eigenen, bedarfsgerechten Einkauf von Ressourcen und Dienstleistungen nicht an die Steuerzahler weitergibt. Nicht nur verwunderlich, sondern in höchstem Maße ärgerlich ist, dass die Einkäufer in den Bundesländern dieses Modell nicht hart eingefordert haben.

Die Sorglosigkeit, mit der Steuergelder in der Causa Luca zum Kauf von Lizenzen verwendet werden, erklärt die immer lauter werdenden Zweifel an der Einhaltung von Vergaberichtlinien.

SaaS-Modelle sind beim Einkauf von IT-Diensten inzwischen aus gutem Grund Standard:

  • Nutzungsabhängige Preismodelle verteilen das Risiko gleichermaßen auf Verkäuferin und Käufer. Ist der Käufer mit einem Dienst erfolgreich, partizipiert auch der Verkäufer anteilig. Bleibt der Service, zum Beispiel mangels Qualität, aufgrund gravierender Sicherheitsprobleme, bei fehlendem tatsächlichem Nutzen oder einfach nur aufgrund einer Fehleinschätzung eines Marktes weitestgehend ungenutzt, stehen dem keine hohen Vorabinvestitionen auf Käuferseite gegenüber. Das Start-up Luca hat jedoch das gesamte Investitionsrisiko einseitig auf die Steuerzahler verteilt. Das bedeutet auch: Je weniger Luca sich durchsetzt, umso höher der Profit für die Investoren, weil sie umso weniger tatsächliche Leistung erbringen und einkaufen müssen.
  • Fehlende Referenzkunden. Zum guten Ton in jeder Einkaufsverhandlung gehört es, nach direkten Kontakten zu Referenzkunden zu fragen. Doch gerade junge Start-ups können oft keine lange Liste erfolgreicher Projekte aus der Vergangenheit vorweisen. Kauft man also die sprichwörtliche „Katze im Sack“, versteht es sich nahezu von selbst, dazu nicht auch noch übermäßig in Vorleistung zu gehen. Verständlich, dass Luca keine Erfahrungswerte ins Feld führen kann. Unverständlich, dass man dem Vertriebsteam vollständig blind und in vorauseilendem Gehorsam folgt.
  • Nutzungsabhängige Preismodelle unterstreichen das Vertrauen des Anbieters in die eigene Lösung. Verkäufer, die ihre Lizenzen gerne vollständig im Voraus bezahlen lassen, lösen bei geübten Einkäufern Alarmsirenen aus. Wer unabhängig vom tatsächlichen Nachweis des Wertes eines angebotenen Dienstes zügig und schnell Kasse machen will, glaubt wahrscheinlich selbst nicht an die Versprechen auf den eigenen PowerPoint-Folien. Zum guten Ton gehören in solchen Fällen dann zumindest längere Erprobungszeiträume, für die keine hohen Kosten anfallen. Von Luca sind öffentlich keinerlei Vereinbarungen zu kostenlosen Testphasen für die einkaufenden Bundesländer bekannt. Das Unternehmen kassiert anscheinend gern zügig per Vorkasse ohne Skonto.
  • SaaS zwingt den Anbieter zur transparenten Dokumentation der tatsächlichen Nutzung. Hängt der wirtschaftliche Erfolg des Verkäufers direkt am messbaren Mehrwert der geschaffenen Lösung, ist dieser intrinsisch motiviert, über die Nutzung kontinuierlich Auskunft zu erteilen. Alle IT-Systeme – auch solche, die vorgeben, Ende-zu-Ende-Verschlüsselung umzusetzen – liefern dazu verwendbare Metriken. Während die Schnittstellen des Luca-Systems eine verschwindend geringe Nutzung durch die Gesundheitsämter vermuten lassen (der Autor scraped diese Metriken von den Luca-APIs und tabelliert sie hier), hält sich der Anbieter selbst bedeckt. Fragen zu Anzahl der Check-ins, Anzahl und Verteilung von Kontaktverfolgungsanfragen und deren jeweiligem Erfolg oder nach der tatsächlich messbaren Effizienzsteigerung bei den Gesundheitsämtern beantwortet Luca nicht. Das wirft die Frage auf: Was gibt es zu verbergen?

Stümperhafter Einkauf

In den 80er und 90er Jahren hörte man als Argument für vorab zu bezahlende Unternehmenslizenzen vom Verkauf häufig, damit würden anteilig die hohen Anfangsinvestitionen abgegolten. Selbst wenn man Luca eine geringfügige Vorleistung zugesteht – an Luca arbeiteten in dem 2020 gegründete Unternehmen nach eigenen Angaben erst seit einigen Wochen mehr als ein Dutzend Entwickler:innen – rechtfertigen sie in keiner Weise die steuerfinanzierte Investition nördlich der 20 Millionen Euro. Gleichzeitig macht das Luca-System bei unabhängigen Prüfungen und im Testbetrieb bei weitem nicht den Eindruck, bereits fertig zu sein.

Von Luca selbst ist bekannt, dass Vorleistungen konsequent in elastischen Preismodellen eingekauft werden. Dank des stümperhaften IT-Einkaufs durch einige Bundesländer wird das Geschäft für Luca also genau dann besonders profitabel, wenn es tatsächlich kaum jemand nutzt. In zahlreichen Bundesländern ist das Kind bereits in den Brunnen gefallen. Kaufen weitere Bundesländer Luca nutzungsunabhängig ein, darf man das durchaus als fahrlässig bezeichnen.


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