Für seine Fans ist Bitcoin das Geld der Zukunft und Basis eines neuen Wirtschaftssystems: Digital und ohne zentrale Kontrollinstanz. Wer mitmachen will, kann mitmachen. Denn das Netzwerk, das Bitcoin betreibt, läuft dezentral über tausende Geräte auf der ganzen Welt. Um sich daran zu beteiligen braucht es nur einen Internetanschluss, einen Rechner und Strom.
Letzteres aber, der Energiehunger von Bitcoin, wächst zum globalen Problem heran. Statt gewöhnlicher Computer verwenden Bitcoin-Miner spezialisierte Hochleistungsrechner. Die sind notwendig, um die komplizierten kryptographischen Probleme zu lösen, mit denen Bitcoin sich gegen Manipulation schützt. Kritiker:innen halten den Algorithmus für die Achillesferse der Währung. US-Finanzministerin Janet Yellen bemängelt, Bitcoin sei „extrem ineffizient“ und verbrauche „atemberaubende“ Strommengen.
Gerade in Zeiten des Ukraine-Krieges und steigender Energiepreise wirkt diese Kritik drängend. Doch während Ethereum, die zweitgrößte Kryptowährung nach Bitcoin, auf die viel sparsamere Proof-of-Stake-Methode wechseln will, ist eine solche Umstellung bei Bitcoin unwahrscheinlich. Denn die dezentrale Struktur, die Bitcoin für seine Fans attraktiv macht, macht Updates beinahe unmöglich.
Rund 130 Terawattstunden Strom verbraucht Bitcoin jährlich, schätzen Forscher:innen der Universität Cambridge in ihrem Bitcoin Electricity Consumption Index. Tendenz steigend. Zum Vergleich: Ganz Deutschland verbrauchte 2020 rund 488 Terawattstunden Strom. Auch wenn das nur eine grobe Schätzung ist, bezweifeln wenige Expert:innen, dass Bitcoin und andere Kryptowährungen immense Strommengen verbraucht.
Warnungen, dass Krypto zu einem Treiber des Klimawandels werden könnte, sorgen bei Beamt:innen in Berlin und Brüssel für Unruhe. Hinter verschlossenen Türen denken führende Beamt:innen der EU-Kommission und der deutschen Bundesregierung sogar über ein Verbot von Bitcoin-Mining und dem Handel mit der Kryptowährung nach – das zeigen Dokumente, die netzpolitik.org veröffentlicht. Auch auf politischer Ebene könnte es dafür Unterstützung geben.
Niemand kann genau sagen, wo überall auf der Welt Bitcoin-Mining betrieben wird. China, wo bis zum Vorjahr viele Bitcoin-Anlagen mit Strom aus Kohlekraftwerken betrieben wurden, hat Kryptowährungen generell verboten. Seither tauchen neue Bitcoin-Rechenzentren in anderen Weltgegenden auf, vor allem in den USA. Für Schlagzeilen sorgten etwa Miningfarmen neben Ölquellen in Texas oder in ausgemusterten Kohlekraftwerken in Pennsylvania. Solche Berichte lassen fürchten, dass ein großer Teil des Strombedarfs von Bitcoin aus fossilen Energiequellen gedeckt wird.
Für Umweltaktivist:innen und einige Forscher:innen steht fest: Die weltgrößte Kryptowährung ist ein Klimaproblem. Eine Kampagne von Greenpeace USA und anderen Umwelt-NGOs fordert, Bitcoin müsse seinen Code ändern. Denn Bitcoin beruht wie andere Kryptowährungen auf dem Proof-of-Work-Algorithmus. Bei diesem können nur dann Transaktionen in der Blockchain gespeichert werden, wenn ihre Gültigkeit durch Arbeitsleistung eines Computers bewiesen wird. Ändere Bitcoin seinen Code, könne es 99 Prozent seines Stromverbrauchs einsparen, sagen die NGOs.
Als europaweit erste Behörden forderten die schwedische Finanzaufsicht und Umweltbehörde im vergangenen November, Krypto-Mining mit der Proof-of-Work-Methode in der ganzen EU zu verbieten.
Bitcoin-Befürworter:innen wehren sich jedoch gegen den Vorschlag, der Kryptowährung einen energieeffizienteren Mining-Algorithmus aufzuzwingen. „Ich halte den Bitcoin-Proof-of-Work für eine gesellschaftliche Errungenschaft, die uns in Zeiten der totalen Krise helfen kann“, sagt etwa Florian Glatz. Alternativen wie Proof-of-Stake hätten „nicht die selbe Resilienz“. Der Berliner Anwalt ist Mitgründer der European Crypto Initiative, bis vor Kurzem war er Vorsitzender des deutschen Blockchain Bundesverband. Statt Bitcoin gesetzliche Vorschriften zu machen, sollten Miner lieber Ökostrom verwenden oder CO2-Zertifikate kaufen, sagt Glatz.
„Keine Notwendigkeit, die Bitcoin-Community zu schützen“
Im Werkzeugkasten der EU gibt es zwei Mittel, um den Stromhunger von Bitcoin zu dämpfen. So könnte sie EU-weit das Mining von jenen Kryptowährungen verbieten, die Proof-of-Work verwenden. Der Effekt wäre allerdings beschränkt: Denn da in EU-Ländern kaum Mining passiere, hätte dies bei Bitcoin „nahezu keine direkte Wirkung auf die globale Miningindustrie — und somit den Energieverbrauch“, sagt Michel Rauchs, der an der Universität Cambridge zu der Frage forscht.
Ein Verbot müsste daher nicht nur Mining, sondern auch den Handel mit Bitcoin treffen. Kryptowährungen, die den Stromfresser Proof-of-Work verwenden, wären dann – wie in China – in der EU nur noch verdeckt verwendbar.
Wie weit solche Überlegungen in europäischen Behörden gediehen sind, zeigen Dokumente, die netzpolitik.org veröffentlicht. Sie stammen aus Informationsfreiheitsanfragen bei der EU-Kommission, der deutschen Bundesregierung und schwedischen Behörden. Hinter verschlossenen Türen tauschen sich Beamte detailreich über ein mögliches Vorgehen aus, wie Mitschriften ihrer Gespräche zeigen.
In einem der Dokumente heißt es etwa über den Wechsel von Etherum zur klimafreundlicheren Proof-of-Stake-Methode:
Wenn Ethereum in der Lage ist, zu wechseln, könnten wir legitimerweise dasselbe von [Bitcoin] verlangen. Wir müssen andere Krypto-Coins ’schützen‘, die nachhaltig sind. [Wir] sehen keine Notwendigkeit, die Bitcoin-Community zu ’schützen‘.
Diese Sätzen fielen bei einem virtuellen Meeting zwischen schwedischen und EU-Beamten im November 2021. Wer sie geäußert hat, bleibt unklar, denn die Kommission schwärzt in ihren Aufzeichnungen die Namen der Sprecher:innen. Wer teilnahm, darauf lässt allerdings ein E-Mail-Wechsel vor dem Treffen schließen. Etwa ein führender Kommissionsbeamter, der für „Blockchain-Innovation“ in Europa zuständig ist.
Sollte die EU Bitcoin-Handel verbieten? Geschwärzte Antwort
Bei dem Treffen wirft einer der Anwesenden eine entscheidende Frage auf. Unverblümt formuliert die Person, ob die EU nicht den Handel mit Kryptowährungen, die wie Bitcoin die Proof-of-Work-Methode verwenden, generell verbieten soll? Die Antwort: geschwärzt. Als Begründung nennt die Kommission den Schutz des „laufenden Entscheidungsprozesses“.
Die Beamt:innen besprechen bei dem Treffen auch die Konsequenzen eines möglichen Verbots für Investor:innen. „Wie würde das Verschwinden von Bitcoin sich auf Verbraucher:innen auswirken?“, fragt eine beteiligte Person. Sie gibt auch gleich die Antwort: Wer Bitcoin besitze, sei sich der großen Preisschwankungen der Währung bewusst. „Wir brauchen keine zusätzlichen Schutzmaßnahmen.“
Die Unterredungen ließen darauf schließen, dass ein mögliches Verbot von Mining oder gar Handel von Bitcoin auf dem Tisch liege, glaubt Alex de Vries. Der Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Amsterdam betreibt den einflussreichen Blog Digicomist, er konnte die Dokumente von netzpolitik.org einsehen. „Die Sprache ist ziemlich klar.“
„Es gibt keine überschüssige Energie“
Im Februar 2022 folgt eine weitere Video-Konferenz der EU-Kommission mit schwedischen Beamt:innen, diesmal ist laut offengelegten E-Mails auch ein Abteilungsleiter aus dem deutschen Bundesumweltministerium dabei. Die Notizen der Kommission aus dem Gespräch lassen erneut offen, von wem einzelne Äußerungen stammen. Das Dokument zeigt aber, dass die Beamt:innen ein Schlüsselargument von Bitcoin-Fans für unglaubwürdig halten.
Die Krypto-Szene verteidigt die Nachhaltigkeit von Proof-of-Work gerne mit dem Behauptung, dass für Mining hauptsächlich „überschüssiger“ Strom verwendet werde. Das geschehe, wenn etwa Wind- oder Solaranlagen mehr produzierten, als das Stromnetz aufnehmen könne. Bitcoin sei daher sogar ein Beitrag zum Klimaschutz, weil es wertlose Energie speichere.
Dies sei jedoch real kaum der Fall, sagt einer der Anwesenden bei dem Gespräch. Denn Strom könne in andere Märkte umgeleitet werden. Zudem verbesserten sich die Speichermöglichkeiten rasch, etwa durch Wasserstoff. „Es gibt keine überschüssige Energie.“ Auch würden sich die Miner kaum mit Überschüssen zufrieden geben. „Es ist nicht in ihrem Interesse, unregelmäßige Nutzer zu sein, da die die Maschinen im ausgeschalteten Zustand nichts abwerfen.“
Während diese Unterredungen auf beamtlicher Ebene laufen, scheitert im EU-Parlament ein Versuch, den Stromhunger von Kryptowährungen zu beschränken. Derzeit berät die EU über ein Gesetz, dass den Handel mit Krypto-Werten regeln soll. In Ergänzungsanträgen zu der Verordnung wollen einige Abgeordnete festschreiben, dass nur Kryptowährungen gehandelt werden dürfen, die klare ökologische Nachhaltigkeitskriterien erfüllen. Währungen, die viel Strom verbrauchen, wären nur noch in „geringem Umfang“ erlaubt – eine deutliche Beschränkung für Bitcoin in der EU.
Ein CDU-Mann als „Bitcoin-Schutzengel“
Den quasi-revolutionären Vorschlag debattieren im vergangenen Winter Abgeordnete im Wirtschaftsausschuss des Parlaments, zunächst praktisch unbeachtet von der Öffentlichkeit. Doch als Nachrichtenseiten aus der Krypto-Szene über ein mögliches „Bitcoin-Verbot“ berichten, gibt es dort einen Aufschrei: Es handle sich um einen „Skandal“, der der europäischen Wirtschaft schade und sogar dem Vertrauen in die EU. Konservative und liberale Abgeordnete springen in die Bresche. Nachdem sie die Vorschläge ablehnen, lässt sich der CDU-Mann Stefan Berger als „Bitcoin-Schutzengel“ feiern.
Der grüne Abgeordnete, der den gescheiterten Vorschlag für die Ökologisierung von Bitcoin im EU-Parlament einbrachte, ist Sven Giegold. Er ist inzwischen von Brüssel nach Berlin gewechselt und sitzt seit Dezember als Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. Dort antwortet der zuständige Pressesprecher nicht auf unsere Frage, ob Giegold sich weiterhin für Handelsbeschränkungen für Bitcoin einsetzt.
Offiziell möchten sich die Bundesregierung nicht darauf festlegen, konkrete Schritte gegen Krypto-Mining zu setzen. Derzeit gebe es „auf vielen Ebenen einen Austausch zu der Frage, wie sich der Bitcoin nachhaltiger aufstellen ließe“, sagte eine Pressesprecherin des Bundesumweltministeriums gegenüber netzpolitik.org. Um Bitcoin wirksam zu regulieren, müssten jedoch möglichst viele Staaten an Bord – besonders Staaten, in denen viel Krypto-Mining passiere. „Gefragt ist hier deshalb möglichst eine internationale Lösung“, so die Sprecherin.
Die EU-Kommission ist sich „der schlechten Energie- und Umweltbilanz von Kryptowährungen wie Bitcoin bewusst“, sagt die Kommission gegenüber dem EU-Parlament. Konkreteres lässt sie sich auf unsere Anfrage hin kaum entlocken. Die Kommission wisse, dass schwedische und deutsche Behörden über ein mögliches Verbot sprächen und werde ihre regelmäßigen Gespräche zu dem Thema mit den Mitgliedsstaaten fortsetzen, sagt ein Sprecher.
„Den Bitcoin-Preis ins Visier nehmen“
Einen ersten Schritt setzen soll nach Vorstellungen in Brüssel eine neue Energieeffizienz-Richtlinie, die die EU-Kommission im Vorjahr vorgeschlagen hat. Sie soll vorschreiben, dass Mitgliedsstaaten Daten über den Energieverbrauch von Rechenzentren sammeln und veröffentlichen. Erstmals könnte es dann Labels für Anlagen geben, die besonders viel Strom verbrauchen – ein Merkmal, das wohl auf viele Bitcoin-Farmen zutrifft.
Für den Wirtschaftswissenschaftler Alex de Vries ist das aber kaum eine wirksame Maßnahmen gegen den Stromhunger von Krypto. Die „Effizienz von Geräten zu verbessern hat nie den Energieverbrauch von Bitcoin gesenkt“, sagte de Vries. Effizientere Geräte führten „bestenfalls dazu, dass die Leute zwei Geräte statt einem betreiben.“
Der Wirtschaftswissenschaftler glaubt, dass selbst Mining-Verbote in Europa wenig Auswirkungen auf die Energiebilanz von Bitcoin haben, denn Mining sei praktisch ortsunabhängig. So lange der Bitcoin-Preis ansteige, gelte das auch für den Energieverbrauch der Kryptowährung. „Daher ist wohl das Einzige, das funktioniert, den Bitcoin-Preis ins Visier zu nehmen.“ De Vries argumentiert, die Politik müsse dafür etwa Hersteller von spezialisierten Mining-Rechnern stärker besteuern und den Handel bestimmter Kryptowährungen beschränken. Dabei hätten Entscheidungen der EU Gewicht.
Die Debatte über den Umgang mit Bitcoin und Co. müsse jedenfalls weitergeführt werden, sagt der grüne EU-Abgeordnete Rasmus Andresen gegenüber netzpolitik.org. Um den Klimawandel einzudämmen, brauche es ökologische Kriterien auch für Kryptowährungen. „Das letzte Wort ist also noch nicht gesprochen.“
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