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Ausländerzentralregister: Asylbescheide für tausende Behörden zugänglich

Menschen auf einer Demo am Frankfurter Flughafen

Heinrich Ringkamp, der zuständige Abteilungsleiter im Bundesverwaltungsamt, ist voll des Lobes für dieses Gesetz. Das Ausländerzentralregister, kurz AZR, das sein Amt verwaltet, werde damit „der Vorreiter für Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung“, sagte er bei einer Anhörung im Innenausschuss vor einigen Wochen. Endlich Schluss mit dem Herumschicken von Dokumenten per Post.

Außerhalb des Amtes ist man weitaus weniger begeistert über das Gesetz, das der Bundestag am vergangenen Mittwoch mit den Stimmen der Großen Koalition verabschiedet hat. Fachleute für Datenschutz und Verbände wie Pro Asyl oder der Lesben- und Schwulenverband halten es schlicht für gefährlich. Sie sehen vor allem Geflüchtete bedroht, deren Angaben aus dem Asylverfahren nun im Volltext im Register gespeichert werden sollen. Tausende von Behörden, darunter die Bundespolizei, das Bundeskriminalamt, der Zoll und die Sozial- und Jugendämter, können dann auf Knopfdruck lesen, was Menschen in ihren Verfahren über sich preisgaben. Experten wie der ehemalige Datenschutzbeauftragte von Schleswig-Holstein, Thilo Weichert, nennen das europarechtswidrig.

Zentrale Datensammlung

Worum geht es genau? Mit dem „Gesetz zur Weiterentwicklung des Ausländerzentralregisters“ überarbeitet das Innenministerium zum dritten Mal innerhalb von fünf Jahren eine Datenbank, in der persönliche Informationen von Menschen ohne deutschen Pass lagern. Im AZR sind heute schon Name, Geburtsdatum sowie die Staatsangehörigkeit von Millionen Menschen erfasst. Im Fall von Geflüchteten werden zusätzlich weitere Informationen gespeichert, seit 2016 etwa Fingerabdrücke, Fotos und Informationen über den Gesundheitszustand.

Dem Bundesinnenministerium von Horst Seehofer reicht das nicht. Konkret sieht das Gesetz folgende Änderungen vor: Für alle im Register gespeicherten Personen – also alle Ausländer*innen, die länger als drei Monate im Land leben oder gelebt haben – sollen künftig weitere Merkmale gespeichert werden. Dazu zählen die aktuelle und vorherige Adressen in Deutschland, das Geburtsland, der Doktorgrad und die ausländische Personenidentitätsnummer. Falls es sich um Menschen mit Visum handelt, kommen Angaben zu Verlängerungen hinzu. Besonders viele Informationen werden zu Asylsuchenden gespeichert, etwa Angaben zu Integrationskursen und in Zukunft auch Entscheidungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge sowie Gerichtsurteile zu ihren Verfahren.

Diese Informationen werden teilweise heute schon gespeichert, allerdings nicht zentral. Bisher wurden sie von den rund 600 lokalen Ausländerbehörden verwaltet. Nun sollen sie in das zentrale Register wandern, wo sie einer beeindruckend langen Reihe an Behörden automatisiert zur Verfügung stehen werden, darunter Jobcenter, Bundespolizei, Bundeskriminalamt oder Jugendämter. Zwei Jahre haben die Länder Zeit für diese Umstellung.

Nicht alle Behörden haben Zugriff auf alles, die Rechte sind in der zugehörigen Verordnung in einer langen Tabelle geregelt. So dürfen die Geheimdienste, die ebenfalls Zugang zum AZR haben, zum Beispiel nicht die Fingerabdrücke oder Asylbescheide sehen. Grundsätzlich gilt aber: „Die Verantwortung für die Zulässigkeit des einzelnen Abrufs trägt die abrufende Stelle.“

Eindeutige Identifizierung

Als besonders heikel galt in den Ausschüssen die ausländische Identifikationsnummer, die nun ebenfalls ins Register kommt. Bereits in den Anhörungen zum Gesetzesentwurf hatten Verbände wie die Caritas und Pro Asyl die Pläne scharf kritisiert und darauf hingewiesen, dass sie Geflüchtete in Gefahr bringen. 

Die Nummer soll eine eindeutige Identifizierung gewährleisten, so steht es in der Gesetzesbegründung. Mit ihr können Behörden aber zugleich weitere Informationen aus dem Herkunftsland bekommen oder Daten dorthin verschieben. Das Risiko, dass Informationen aus dem Asylverfahren auf diesem Weg zurück in die Staaten gelangen, aus denen Asylsuchende geflohen sind, sei dadurch massiv erhöht, schreibt etwa Pro Asyl.

Staaten wie die Türkei waren in der Vergangenheit bereits auf anderen Wegen an persönliche Daten von Regimegegner*innen gelangt, die in Deutschland Asyl beantragt hatten. Damals fürchtete die Bundesregierung, Schutzsuchende könnten bedroht werden. Auch der Mordanschlag auf den Tschetschenen Zelimkhan Khanghoshvili, der als Asylbewerber in Berlin lebte, zeigt, warum solche Daten besonders geschützt werden müssen. Khanghoshvili galt in Russland als Terrorist. 

Lesben- und Schwulenverband fordert Stopp

Kritik an dem Gesetz kommt auch vom Lesben- und Schwulenverband (LSVD). Vorsitzender Patrick Dörr sagte nach dem Beschluss, die zentrale Speicherung von Asylbescheiden und -urteilen „bringt queere Geflüchtete in Gefahr und widerspricht allen Grundsätzen des Datenschutzes“. Wer einen Antrag auf Asyl stellt, müsse privateste Informationen offenlegen. Dies gelte „in besonderem Maße auch für lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Antragsteller*innen, die in ihren Verfahren in der Regel ja ihre sexuelle Orientierung beziehungsweise geschlechtliche Identität offenlegen müssen, um einen Schutzstatus zu erhalten.“ Diese Begründungen gehörten daher nicht in ein Zentralregister, zumal kein Mehrwert ersichtlich sei. Der LSVD fordert den Bundesrat daher auf, das Vorhaben zu stoppen.

In vielen Staaten steht Homosexualität weiterhin unter Strafe, in einigen Ländern gilt die Todesstrafe. Gelangen solche Informationen zurück in die Herkunftsländer queerer Geflüchteter, ist das ein Risiko für ihre Familien oder sie selbst, falls sie dorthin abgeschoben werden sollten.

Zwar ist der Text im Innenausschuss noch etwas abgeschwächt worden. So hatte die SPD-Fraktion durchgesetzt, dass zumindest privateste Informationen wie die sexuelle Orientierung oder religiöse und politische Überzeugungen in den Bescheiden und Gerichtsurteilen geschwärzt werden müssen, bevor diese im Volltext im Register gespeichert werden.

Der LSVD bezweifelt jedoch, dass die Dokumente überhaupt so geschwärzt werden können, dass keine Rückschlüsse auf die sexuelle Orientierung einer Person möglich sind. Denn damit nicht allein die schwarzen Balken schon verräterisch sind, müssten in allen Bescheiden auch die Hinweise auf Heterosexualität geschwärzt werden, inklusive Beziehungen, Ehen oder Kinder. „Diese Vorkehrung ist so fehleranfällig wie umständlich.“

Im Gesetz steht außerdem: „Die Registerbehörde hat sicherzustellen, dass im automatisierten Verfahren Dokumente nur abgerufen werden können, wenn die abrufende Stelle“ bestimmte Voraussetzungen erfüllt. Die Kenntnis für die ersuchende Stelle müsse „unerlässlich“ sein und die Daten müssen ihr übermittelt werden dürfen. Wie das Bundesverwaltungsamt dies umsetzen wird, ist unklar.

Drei Mal in fünf Jahren

Das Ausländerzentralregister ist eines der größten Register der deutschen Verwaltung. Laut dem Statistischen Bundesamt sind darin rund 11,4 Millionen in Deutschland lebende Ausländer*innen registriert. Darunter sind rund 1,8 Millionen Menschen, die in Deutschland Schutz vor Krieg und Verfolgung suchen. Dazu kommt noch die separat geführte Visadatei, die Daten von Visumsantragssteller*innen enthält, also jenen, die in der Regel nur kurz bleiben.

Das nun verabschiedete Gesetz ist bereits die dritte Ausweitung des AZR binnen kurzer Zeit. Erst 2019 hatte die Regierung eine Kennnummer für Asylanstragssteller*innen eingeführt, die zusammen mit dem Namen an alle am Verfahren beteiligten Behörden weitergegeben werden kann. Geht es um Personen, bei denen eine Abschiebung in Betracht kommt, werden zudem weitere Daten wie Fingerabdrücke gespeichert, um sie eindeutig identifizieren zu können. Für viel Aufsehen hatte damals gesorgt, dass auch die Fingerabdrücke von Kindern ab sechs Jahren erfasst werden.

Im Februar 2016 hatte die Regierung das so genannte Kerndatensystem eingeführt. Dadurch konnten wesentlich mehr Daten im AZR gespeichert werden, etwa Fingerabdrücke, Impfstatus oder der Name von mitreisenden Kindern und Angehörigen. Gleichzeitig können tausende Behörden seitdem direkt – im automatisierten Verfahren – auf Daten zugreifen, die sie bis dahin nur auf Antrag bekommen haben. Dazu gehören neben den Asylbehörden auch Jobcenter, Arbeitsagenturen oder Jugendämter.

Schon im Koalitionsvertrag hatte die Bundesregierung angekündigt, worum es ihr geht: Sie will das Ausländerzentralregister weiter „ertüchtigen, um belastbarere Auskünfte erhalten zu können, allen relevanten Behörden unkomplizierten Zugriff zu ermöglichen und es auch zur besseren Steuerung der Rückführung und freiwilligen Ausreise einsetzen zu können“. Sprich: schnellere Asylverfahren und effizientere Abschiebungen.

Das Gesetz muss nun noch durch den Bundesrat. Entscheidend werden dabei die Grünen und die Linke sein, die in elf der 16 Länder mitregieren. Beide Parteien hatten im Bundestag gegen das Gesetz gestimmt. Die FDP hatte sich enthalten.


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