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Bund und Länder einig: Union verwässert Schutz von Whistleblower:innen

Nach langem Gezerre hat sich der Vermittlungsausschuss auf ein Hinweisgeberschutzgesetz geeinigt – und das Gesetz in einigen Punkten abgeschwächt. Schon diese Woche könnte der Schutz von Whistleblower:innen endgültig beschlossen werden und im Sommer in Kraft treten.

Deutschland bekommt nun erstmals ein Gesetz, das Whistleblower:innen schützt. Doch den Unionsparteien ist es auf den letzten Metern gelungen, die Regeln zu verwässern. Vereinfachte Pixabay Lizenz Grafik: Clker-Free-Vector-Images / Montage: netzpolitik.org

Ende der Woche könnte es endlich so weit sein und Deutschland ein Gesetz zum Schutz von Whistleblower:innen erhalten. Bund und Länder einigten sich gestern Abend im Vermittlungsausschuss auf ein fertiges Hinweisgeberschutzgesetz. Im Bundestag soll es am Donnerstag, im Bundesrat am Freitag angenommen werden. In Kraft treten könnte es dann schon im Sommer.

Mit dem neuen Gesetz will die Ampelkoalition Menschen schützen, die Rechtsverstöße am Arbeitsplatz oder in der öffentlichen Verwaltung aufdecken wollen. Bislang mussten Hinweisgeber:innen in Kauf nehmen, womöglich Repressalien wie Mobbing, Jobverlust oder Klagen ausgesetzt zu sein. Mit der – reichlich verspäteten – Umsetzung einer EU-Richtlinie aus dem Jahr 2019 soll damit künftig Schluss sein.

Grundsätzlich geht der Anwendungsbereich über die EU-Mindestvorgaben hinaus und umfasst auch bestimmte Verstöße gegen deutsches Recht, etwa straf- und bußgeldbewehrte Verstöße. Unternehmen und Einrichtungen des öffentlichen Sektors ab 50 Mitarbeitenden müssen interne Meldestellen einrichten, wobei kleinere Unternehmen diese gemeinsam betreiben können. Zudem sieht das Gesetz auch externe Meldestellen vor, unter anderem beim Bundesamt für Justiz (BfJ).

Die Verhandlungen im Vermittlungsausschuss waren notwendig geworden, weil die Unionsparteien im Bundesrat das Gesetz blockiert hatten. Da half selbst das waghalsige Manöver der Ampel nicht, die zustimmungspflichtigen Passagen, die sich auf die Länder bezogen hatten, aus dem Gesetz herauszulösen. Ein Kompromiss musste her. Und über den sind nicht alle glücklich.

Anonyme Meldewege nicht mehr Pflicht

So entfällt etwa die Pflicht, anonyme Meldekanäle einzurichten, die der Bundestag noch vorgesehen hatte. Hinweisgeber:innen müssen also von Beginn an ihre Identität preisgeben, wollen sie unter den Schutzbereich des Gesetzes fallen. Der grüne Bundestagsabgeordnete Till Steffen hält den Kompromiss bei anonymen Meldestellen für vertretbar, denn ganz entfallen soll dieser Weg nicht.

„Das Bundesamt für Justiz wird die Möglichkeit zu solchen anonymen Dialogen schaffen“, sagt der Abgeordnete zu netzpolitik.org. „Wir gehen davon aus, dass dies die Unternehmen überzeugen wird, diese Möglichkeit auch freiwillig bei sich einzurichten“, so Steffen. Ob sich die Hoffnung erfüllt, muss sich noch weisen, zumal sich hinweisgebende Personen zunächst an die interne Stelle wenden sollen.

Für die Nichtregierungsorganisation Transparency International ist die Verwässerung „unverständlich“, sie sieht Unsicherheiten auf Unternehmen, Behörden und hinweisgebende Personen zukommen. „Obwohl Unternehmenspraxis und Forschung eindeutig zeigen, dass die Gewährleistung von Anonymität zu mehr und besseren Meldungen führt, wird das Gesetz an dieser Stelle abgeschwächt“, schreibt die NGO. Insgesamt werde das Signal gesendet, dass der Schutz der Hinweisgebenden und der Hinweise nicht an erster Stelle stehen.

Abstriche gab es auch bei einem anderen wichtigen Punkt. Der Kompromiss streicht ersatzlos eine Regelung, die das Recht auf immaterielle Schadensersatzansprüche festgeschrieben hatte – also das Recht auf eine angemessene Geldentschädigung, wenn der erlittene Schaden kein Vermögensschaden war, sondern eine Folge etwa von Mobbing oder sonstiger Drangsalierung.

Dabei entsteht eine Regelungslücke, die obendrein der EU-Richtlinie widerspricht. In jedem Fall könne das Streichen dieser Regelung „gravierende Auswirkungen für Whistleblower haben“, kritisiert Simon Gerdemann, der an der Universität Göttingen zum Whistleblowing-Recht forscht. „Damit fällt ein Schmerzensgeldanspruch für sehr viele Repressalien, von denen Whistleblower betroffen sind, weg.“

Pikant daran ist zudem, dass gegen Deutschland bereits jetzt ein EU-Vertragsverletzungsverfahren läuft. Eine sowohl verspätete wie unvollständige Umsetzung der EU-Richtlinie könnte saftige Geldbußen nach sich ziehen.

Halbierte Geldbußen bei Verstößen

Durchsetzen konnten sich die Unionsparteien auch bei den Unternehmensbußen, die bei Verstößen gegen das Gesetz vorgesehen sind. Die Maximalstrafe beläuft sich künftig auf 50.000 Euro – die Hälfte dessen, auf was sich die Koalitionsparteien ursprünglich geeinigt hatten. Sowohl Union als auch Arbeitgeberverbände wollten die Belastungen für die Wirtschaft tunlichst klein halten und freuen sich nun über die Schwächung des Gesetzes.

Ganz zufrieden sind sie indes weiterhin nicht. So bleibt etwa die Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände (VhU) bei ihrer „Fundamentalkritik an der Gesamtregelung“, da sie weiter gehe als die EU-Richtlinie. „Berechtigter Hinweisgeberschutz muss immer in das Verhältnis zu berechtigten Unternehmensinteressen gesetzt werden“, heißt es in einer Pressemitteilung der VhU.

Freilich blieb selbst der ursprüngliche Vorschlag aus dem Bundesjustizministerium hinter dem Koalitionsvertrag zurück. Dieser versprach noch, Hinweise über erhebliche Verstöße gegen Vorschriften oder sonstiges erhebliches Fehlverhalten zu schützen, das nicht klar illegal ist und dessen Aufdeckung im besonderen öffentlichen Interesse liegt. Potenzielle Whistleblower:innen werden sich vor einer Meldung wohl juristisch beraten lassen müssen, ob ein von ihnen beobachteter Missstand tatsächlich vom Gesetz erfasst wird.

Nationale Sicherheit geht vor

Ebenso sind die Geheimdienste weiterhin vollständig ausgeklammert. Einem deutschen Edward Snowden bliebe nur, sich unter hohem persönlichen Risiko an die Presse zu wenden und zu hoffen, dass die Identität nicht durchsickert. Und für an sich vom Gesetz geschützte Hinweisgeber:innen ist der Gang an die Medien ohnehin nur in bestimmten Fällen der letzte Schritt, um auf Missstände aufmerksam machen zu können.

Der nun erzielte Kompromiss zeige, dass es bei den Unionsparteien und Teilen der Wirtschaft nach wie vor große Vorbehalte gegen Whistleblower:innen gebe, obwohl diese im Interesse von Gesellschaft und Wirtschaft handeln, so Kosmas Zittel von Whistleblower-Netzwerk. „Erfreulicherweise hat sich wenigstens die Erkenntnis durchgesetzt, dass mit einer Einschränkung des sachlichen Anwendungsbereichs keinem gedient gewesen wäre.“

Auch Kai Dittman von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) ist erleichtert, dass es das erste Mal überhaupt Schutz für Hinweisgebende gibt. Allerdings wirke das Gesetz sehr unfertig: „Eigentlich müsste sich die Regierung direkt schon an eine Reform setzen, die etwa auch Whistleblowing in Nachrichtendiensten, bei den meisten Verschlusssachen und im Bereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes ermöglicht“, so Dittman zu netzpolitik.org. „In der Praxis gibt es gerade im Bereich Diskriminierung und Belästigung viele unternehmensinterne Meldungen.“


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