Die Ampel hält bei der Registermodernisierung an umstrittenen Konzepten der Vorgängerregierung fest. Gegen verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Einführung einer Personenkennziffer soll ein sogenanntes „Datenschutzcockpit“ helfen.
Die Ampel ist sich nach eigener Auskunft bei der Registermodernisierung einig. Das Projekt soll unterschiedliche Datenbanken von Behörden verknüpfen und dafür sorgen, dass bei Bürger:innenanträgen Daten zwischen Behörden ausgetauscht werden können. Dabei will die Bundesregierung – wie schon von der Großen Koalition im Jahr 2020 beschlossen – bei der Verknüpfung der Register auf die Steuer-ID setzen.
Diese Entscheidung ist verfassungsrechtlich bedenklich, da die Steuer-ID damit zu einer Personenkennziffer wird, mit der technisch alle Daten einer Person zusammengeführt werden können. Auch zivilgesellschaftliche Organisation sprechen sich bei der Verwaltungsdigitalisierung gegen eine zentrale ID aus.
SPD-Innenpolitiker Jens Zimmermann sagte gegenüber netzpolitik.org, dass die Registermodernisierung „verfassungsfest“ und die Daten sicher seien. An der umstrittenen Registermodernisierung der Großen Koalition wolle man nicht „rütteln“.
Laut dem Entschließungsantrag (PDF) will die Ampel-Koalition verfassungsrechtlichen Bedenken durch „rechtliche, technische und organisatorische Schutzmaßnahmen“ entgegenwirken. Zu diesen zählen unter anderem Regelungen, Schulungen und Protokollpflichten sowie ein erweitertes „Datenschutzcockpit“. Hier sollen Bürger:innen transparent einsehen können, welche Behörde Zugriff auf ihre Daten hat und welche Daten übermittelt wurden. In einem weiteren Schritt sollen sie die eigenen Bestandsdaten auch selbst einsehen können.
Karlsruhe gegen Personenkennzahl
Problematisch ist die Einführung einer Personenkennzahl unter anderem wegen des Volkszählungsurteils des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1983 und dem möglichen Verstoß gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Das Urteil untersagt dem Staat die Verknüpfung von personenbezogenen Daten mit einer übergreifenden Identifikationsnummer, da dies die Gefahr einer möglichen Profilbildung berge.
Auch frühere Entscheidungen des Gerichts, etwa das Mikrozensus-Urteil aus dem Jahr 1969, wendeten sich gegen die Personenkennziffer. Demnach widerspreche es der menschlichen Würde, Menschen zu einem bloßen Objekt im Staat zu machen:
Mit der Menschenwürde wäre es nicht zu vereinbaren, wenn der Staat das Recht für sich in Anspruch nehmen könnte, den Menschen zwangsweise in seiner ganzen Persönlichkeit zu registrieren und zu katalogisieren, sei es auch in der Anonymität einer statistischen Erhebung, und ihn damit wie eine Sache zu behandeln, die einer Bestandsaufnahme in jeder Beziehung zugänglich ist.
Grüne damals noch gegen Steuer-ID und Personenkennzahl
Bereits im Jahr 2011 warnte der damalige Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar, dass die Nutzung der Steuer-ID entgegen aller Beteuerungen „schleichend ausgeweitet“ werde. Die vier Jahre zuvor eingeführte Steuer-ID werde durch die Hintertür zu einer allgemeinen Personenkennziffer, was die Gefahr erhöhe, dass aussagekräftige Persönlichkeitsprofile erstellt werden.
Vor zwei Jahren waren in der Debatte um das Registermodernisierungsgesetz der Großen Koalition wiederholt alternative Modelle ins Spiel gebracht worden, wie etwa das System bereichsspezifischer Nummern aus Österreich. Der Bundesdatenschutzbeauftragte hatte damals eine „Gesamtkonzeption eines verwaltungsübergreifenden, unveränderlichen Ordnungsmerkmals zur Identifizierung der Bürgerinnen und Bürger“ abgelehnt.
Der grüne Innenpolitiker Konstantin von Notz hatte die Nutzung der Steuer-ID damals gegenüber netzpolitik.org noch als „Offenbarungseid“ bezeichnet. Er kritisierte, dass das Bundesinnenministerium entgegen wissenschaftlicher Gutachten, rechtlicher und politischer Bedenken – sogar aus dem eigenen Haus – die Steuer-ID verwaltungsübergreifend nutzen wolle. Das werde „früher oder später vor dem Bundesverfassungsgericht landen“, so von Notz damals.
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