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Einmalzahlung an Studierende: Verpflichtung zur BundID

Mit einer Energiepreispauschale in Höhe von 200 Euro will der Bund Studierende und Fachschüler:innen finanziell entlasten. Diese brauchen aber nicht nur viel Geduld, sondern müssen auch hohe bürokratischen Hürden bei der Antragstellung überwinden – die obendrein mutmaßlich gegen die Datenschutzgrundverordnung verstößt.

Bundesministerin für Bildung Forschung Bettina Stark-Watzinger mit schwarzer Jacke, kurzen roten Haaren und Briller vor blauem Hintergrund
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung unter Bettina Stark-Watzinger (FDP) ist zusammen mit dem Ministerium für Infrastruktur und Digitales für die Plattform einmalzahlung200 verantwortlich. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Metodi Popow

Die BundID fristet seit vielen Jahren ein Schattendasein. Das soll sich ändern. Denn das Online-Konto des Bundes wird nun für all jene Studierende und Auszubildende zur Pflicht, die eine einmalige Auszahlung der Energiepauschale in Höhe von 200 Euro beantragen wollen. Betroffene und Datenschützer:innen kritisieren die Maßnahme scharf.

Mit dem Online-Konto des Bundes können Bürger:innen hierzulande seit 2019 im Netz Verwaltungsleistungen in Anspruch nehmen. Die BundID geht auf das Onlinezugangsgesetz (OZG) zurück, das die Verwaltungsdigitalisierung in Deutschland voranbringen soll. Und diese läuft bekanntlich schleppend. Bis Mitte September vergangenen Jahres gab es daher auch gerade einmal 200.000 registrierte Konten.

Die Nutzer:innenzahlen könnten nun rasant in die Höhe schnellen. Denn die BundID soll eine Voraussetzung dafür sein, dass Studierende ab dem 15. März einen Antrag auf die vom Bund gewährte Einmalzahlung stellen können. Die Pauschale soll Studierende und Fachschüler:innen angesichts der in den vergangenen Monaten stark gestiegenen Energiepreise ökonomisch entlasten. Anspruchsberechtigt sind Studierende und Fachschüler:innen, die seit Dezember 2022 immatrikuliert oder an einer Ausbildungsstätte angemeldet sind.

Das Problem mit dem Datenschutz

Die Antragstellung erfolgt auf der Plattform einmalzahlung200.de, die das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ins Leben gerufen hat. Federführend entwickelt hat die Plattform das Ministerium für Infrastruktur und Digitales Sachsen-Anhalt (MID). Doch das MID sieht bislang nur einen Weg vor, wie Studierende und Schüler:innen an die Einmalzahlung gelangen: Sie benötigen eine BundID.

Zwar gibt es mehrere Möglichkeiten, sich ein entsprechendes Konto anzulegen, etwa per Online-Ausweisfunktion des neuen Personalausweises oder mit Hilfe eines persönlichen Elster-Zertifikats. Darüber hinaus können Studierende und Auszubildende ihren Zugangscode auch in Kombination mit einer PIN nutzen. Den Code bekommen alle Berechtigten zu Beginn des Antragsverfahrens. Eine PIN erhalten sie auf Anfrage von den Ausbildungsstätten. Doch auch für die Anmeldung mit Zugangscode und PIN benötigen die Antragssteller:innen ein BundID-Konto.

Keine Einwilligung ohne Freiwilligkeit

Der Jurist und Datenschutzexperte Christian Aretz erinnert daran, dass eine datenschutzrechtliche Einwilligung eigentlich auf dem Prinzip der Freiwilligkeit fußen muss. Das sei im Fall der Einmalzahlung jedoch nicht gegeben. Denn Studierende und Fachschüler:innen werden dazu verpflichtet, sich bei der BundID zu registrieren, wenn sie die Pauschale bekommen wollen.

Das Bundesinnenministerium (BMI), das die BundID anbietet, informiert in seiner Datenschutzerklärung darüber, dass die im Rahmen der Registrierung erforderliche Einwilligung im Sinne des Artikels 7 der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) zu verstehen ist. Zu den Anforderungen einer solchen Einwilligung zählt vor allem ihre Freiwilligkeit. „Bürger:innen müsste in Fällen“, so Aretz, „in denen die Einwilligung als Rechtsgrundlage herangezogen werden soll, stets auch eine Alternative angeboten werden, damit die Verwaltungsleistung trotz der Einwilligungsversagung in Anspruch genommen werden kann.“ Die im OZG vorgesehene Alternative wäre die Nutzung der Online-Ausweisfunktion des neuen Personalausweises.

Ohnehin sieht Aretz die Einwilligung in die Datenverarbeitung vonseiten der Bürger:innen gegenüber dem Staat kritisch. Denn das Machtverhältnis zwischen beiden sei ein ungleiches. Eine gegenüber einer Behörde erteilte Einwilligung könne „grundsätzlich nicht als Rechtsgrundlage dienen.“

Armutsgefährdete Studierende als Testgruppe

Dass Studierende und Schüler:innen die Leistung lediglich digital in Anspruch nehmen können, kritisiert Anne Roth, Netzaktivistin und Referentin im Deutschen Bundestag. Gegenüber netzpolitik.org erklärt sie, dass ein solches Verfahren all jene ausschließe, „die die nötigen Geräte nicht haben, mit digitalen Verfahren Schwierigkeiten haben oder sie schlicht ablehnen, etwa weil sie die Nutzung dazu nötiger kommerzieller Software ablehnen“. Ebendazu dürfe aber niemand gezwungen werden. Roth warnt daher auch davor, dass öffentliche Leistungen künftig zunehmend nurmehr digital beantragt werden können.

Aus Sicht von Anne Roth sei es kein Zufall, dass nun gerade Studierende und Fachschüler:innen zu einem solchen Verfahren gezwungen werden. Sie bräuchten das Geld dringend und von ihrer Seite sei wenig Protest zu erwarten. Aus Sicht des Bundes ergeben sich hingegen zwei Vorteile des digitalen Verfahrens: So gibt es zum einen bislang keine zentrale Stelle, wo die Daten der rund 3,5 Millionen Studierenden und Fachschüler:innen hierzulande gesammelt werden. Zum anderen würde die Zahl neuer BundID-Konten und damit die Reichweite des Portals schlagartig in die Höhe schnellen.

Ähnlich kritisch sieht der Student Patrick Zauner das Vorgehen der Bundesregierung. Er absolviert derzeit seinen Bachelor-Abschluss für Europäische Kultur- und Ideengeschichte am Karlsruher Institut für Technologie. Die Verpflichtung, sich eine BundID zuzulegen, hält Zauner in Anbetracht der finanziellen Notlage vieler Studierender für „eine beschämende Hürde“. Die Energiepreispauschale hatte der Bundestag bereits im vergangenen Herbst beschlossen. Dass die Auszahlung sich für Studierende und Auszubildende schon jetzt um etliche Monate verzögert hat und das Antragsverfahren zudem überaus kompliziert sei, ist aus Zauners Sicht dramatisch. Denn auf das Geld warten nun ausgerechnet jene Menschen, die hierzulande als besonders armutsgefährdet gelten.

Trotz alledem werde Zauner die Einmalzahlung in Anspruch nehmen. Als „Soforthilfe“, wie das BMBF die Pauschale angekündigt hatte, sieht er sie jedoch nicht. Dafür sei schon viel zu viel Zeit verstrichen. „Also rechne ich am besten auch nicht damit – bis zum Herbst hat man noch Zeit, dann muss es da sein, denn danach verfällt der Anspruch“, sagt er gegenüber netzpolitik.org.


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