Ticker

6/recent/ticker-posts

Ad Code

Responsive Advertisement

Videoüberwachung: Polizei von San Francisco will Echtzeit-Zugriff auf private Kameras

Polizei von San Francisco nimmt einen Mann fest
Die Polizei von San Francisco will Zugriff auf Überwachungskameras privater Nutzer in Echtzeit. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / ZUMA Wire

San Francisco überlegt, der Polizei den Zugriff auf Videomaterial privater Kameras in Echtzeit zu erlauben. Gemeint sind Kameras, die in Türklingelanlagen von Wohnhäusern verbaut sind oder auch Kameras, die an Krankenhäusern und Einzelhandelsläden installiert sind. Eine Abstimmung über den umstrittenen Gesetzesvorschlag könnte noch in dieser Woche stattfinden, berichtet The Register.

Menschenrechtsgruppen warnen hingegen vor der Ausweitung. Eine solche Form der Überwachung habe es noch nie gegeben, sagte Matt Cagle, ein Jurist der Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union (ACLU).

Bürgermeister drängt auf Überwachung

Bislang war San Francisco verhältnismäßig zurückhaltend beim Einsatz von Videoüberwachung. Als erste Stadt in den USA hatte San Francisco im Jahr 2019 Gesichtserkennung verboten und es städtischen Behörden erschwert, ohne ausdrückliche Erlaubnis neue Überwachungstechnologie einzusetzen oder anzuschaffen.

Der Bürgermeister London Breed, der sich besonders für den neuen Vorschlag einsetzt, beklagt zusammen mit der Polizeibehörde, dass die Regulierung des Zugriffs die Strafverfolgung behindere. Sie verlangen die Möglichkeit zum Live-Monitoring. Nur auf diese Weise könnten sie effektiv die Öffentlichkeit vor akuten Bedrohungen schützen. Sicherheitsrisiken könnten schneller erkannt, Verbrechen schneller gelöst und Ordnungswidrigkeiten schneller bearbeitet werden, heißt es in Breeds Pressemitteilung zum Gesetzesentwurf. Sollte der Stadtrat seinen Entwurf nicht absegnen, werde er eine direkte Volksabstimmung anstreben, kündigte Breed an.

Rechtssicheres Live-Monitoring

Derzeit kann die Polizei lediglich Aufnahmen vergangener Ereignisse einsehen, wobei Zeit und Ort reglementiert sind. Eine Ausnahme besteht für Notfälle, in denen Leib und Leben unmittelbar in Gefahr sind. Dann können Echtzeit-Feeds hinzugezogen werden. Darauf hatte sich die Polizei etwa bei Black-Lives-Matter-Protesten berufen und im Sommer 2020 private Kameras angezapft. Ein von der ACLU und der Electronic Frontier Foundation (EFF) angestrengtes Gerichtsverfahren läuft noch.

Die nun geplante Ausweitung soll den Zugriff auf Kameranetzwerke privater, nicht-städtischer Stellen rechtssicher gestalten. Dieser soll unter „dringenden Umständen, bei bedeutenden Ereignissen, die die öffentliche Sicherheit gefährden, und bei Ermittlungen in Bezug auf Vergehen und Straftaten“ erlaubt werden, heißt es in einer Zusammenfassung des Entwurfs. Zudem soll altes Videomaterial zum Zwecke der Durchführung strafrechtlicher Ermittlungen gesichtet werden dürfen. Dazu dürften wohl auch Aufnahmen des in den USA weit verbreiteten Heimüberwachungssystems Ring zählen.

Bürgerrechtsorganisationen halten dagegen

Gegen den Vorschlag regt sich indes Widerstand. Viele Einwohner:innen der Stadt hätten zahlreiche Nachrichten an Mitglieder des Aufsichtsgremiums geschickt, so Cagle gegenüber The Register. Neben dem Stadtrat müsste auch dieses Gremium den Vorschlag annehmen. Aus einer Umfrage gehe hervor, dass sich 60 Prozent der Bürger:innen gegen den neuen Vorschlag aussprechen.

Mehrere Verbände, darunter die ACLU, die EFF und das Anwaltskomitee für Bürgerrechte in der Bucht von San Francisco, haben sich zusammengeschlossen und einen Brief an den Bürgermeister und mehrere Mitglieder des Aufsichtsgremiums geschickt. Darin kritisieren sie den Vorschlag, der freiheitliche Grundrechte gefährde und durch weiche Formulierungen große Spielräume für die Überwachung zulasse.

Keinesfalls dürfe die Polizei in San Francisco (SFPD) die Möglichkeit zum Live-Monitoring bekommen, was zu massenhafter Überwachung führen würde, warnen die Bürgerrechtler:innen. Beispielsweise könnten Frauen beobachtet werden, wie sie Kliniken besuchen, in denen Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden, oder Immigrant:innen, die ohne Papiere zur Arbeit gehen. Sie schließen nicht aus, dass solche Daten mit anderen Strafverfolgungsbehörden geteilt werden könnten.

„Wir sind zutiefst besorgt darüber, dass der Vorschlag der SFPD, wenn er in seiner jetzigen Form angenommen wird, die Privatsphäre und die Sicherheit von Menschen bedroht, die zur Arbeit und zur Schule gehen, die Zugang zu Wohnungen haben und soziale Dienste in Anspruch nehmen, die unsere Stadt gesund und sicher machen,“ heißt es im Brief.

Der Wind dreht sich

Daneben befürchten sie die Kriminalisierung von People of Color, politischen Aktivist:innen, Menschen aus der LGBTQ-Szene oder Angehörigen bestimmter Religionsgemeinschaften. Sollte der Stadtrat dieses Gesetz nicht ablehnen, sollte er doch zumindest dessen Wirkungsweise hart einschränken. So sollte er festlegen, was Polizist:innen überwachen dürfen und was nicht, wie lange sie die Daten der Kameras aufbewahren und mit wem sie diese teilen dürfen. In seiner jetzigen Form lasse es der Gesetzvorschlag zu, Bürger:innen dabei zu überwachen, wie sie ihr Recht auf freie Meinungsäußerung ausüben und zum Beispiel auf eine Demo gehen oder zu einer religiösen Veranstaltung.

Erst im Juni hatten die Wähler:innen von San Francisco den progressiven Bezirksstaatsanwalt Chesa Boudin abberufen. Seine vom Bürgermeister favorisierte Nachfolgerin Brooke Jenkins setzt auf eine harte Linie und hat bereits angekündigt, viele Reformen der letzten Jahre rückgängig zu machen. Zuletzt hat Jenkins eine Reihe von Mitarbeiter:innen gefeuert, die auf eine menschengerechte Strafverfolgung gesetzt hatten.


Hilf mit! Mit Deiner finanziellen Hilfe unterstützt Du unabhängigen Journalismus.

Enregistrer un commentaire

0 Commentaires