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KW 30: Die Woche der verpassten Chance beim Whistleblowerschutz

Die 30. Kalenderwoche geht zu Ende. Wir haben 18 neue Texte mit insgesamt 114.986 Zeichen veröffentlicht. Willkommen zum netzpolitischen Wochenrückblick.

Fraktial in Grün-Tönen
Fraktal, generiert mit MandelBrowser von Tomasz Śmigielski

Liebe Leser:innen,

eigentlich hatte sich die Ampelkoalition auf die Fahnen geschrieben, Whistleblower:innen endlich angemessen zu schützen. Das ist längst überfällig: Im deutschen Recht fehlt sei jeher eine eigene Regelung, außerdem hätte Deutschland schon im Vorjahr eine EU-Richtlinie umsetzen müssen.

Dass sich die letzte Regierung nicht einigen konnte – blockiert hatte die Union – war eine große Chance. Wie im Koalitionsvertrag versprochen, hätte die Regierung die Meldung aller Verstöße, deren Aufdeckung im besonderen öffentlichen Interesse liegt, besonders schützen können. Sie hätte anonyme Meldewege einführen können. Sie hätte dafür sorgen können, dass Missstände bei der Polizei oder in Geheimdiensten leicht aufgedeckt und beseitigt werden.

Doch die Chance hat FDP-Bundesjustizminister Marco Buschmann nicht genutzt. Zwar ist der diese Woche vorgestellte Gesetzentwurf weit besser als der Status Quo. Er geht auch über die Mindestvorgaben der EU hinaus und deckt bestimmte Verstöße gegen deutsches Recht ab. So löblich das auch ist, so bitter sind die Lücken, die der Vorschlag offen lässt.

Viele skandalöse Missstände spielen sich unterhalb der Strafbarkeitsgrenze ab. Die muss aber in den allermeisten Fällen überschritten werden, um geschützt Verstöße melden zu können. Ethisch fragwürdige Praktiken bei Anbietern sozialer Medien, wie sie etwa von der Whistleblower:in Frances Haugen enthüllt wurden, dürften selten darunterfallen. Ebensowenig Mängel in der Altenpflege, in Lieferketten oder bei Beratungsunternehmen.

Geradezu bizarr ist die Entscheidung, ausgerechnet Missstände in Geheimdiensten völlig außen vor zu lassen. Nur zu gut wissen wir, dass die demokratische Aufsicht dieses Schattenreichs mangelhaft ist. Eine deutsche Chelsea Manning oder ein Edward Snowden, deren Beschwerden vielleicht auf dem offiziellen Dienstweg verloren gehen, hätten dann nur wenige Möglichkeiten: Entweder die Klappe halten oder risikoreich zur Presse gehen – was im Übrigen auch nur in Ausnahmefällen möglich ist, selbst wenn alle sonstigen Bedingungen erfüllt sind.

Dass sich nun Informationen der untersten Geheimhaltungsstufe unter bestimmten und sehr eingeschränkten Bedingungen melden lassen, ist nur ein schwacher Trost. Wenn etwas unter den Teppich gekehrt werden soll, schiebt man einfach die „nationale Sicherheit“ vor. Oder dreht die Geheimhaltungsstufe einen Grad höher. Oder lässt den Hinweis in der internen Meldestelle versickern. Problem gelöst.

Noch ist der Vorschlag nicht Gesetz. Der Bundestag darf die Chance, die die Regierung verstreichen hat lassen, nicht ungenutzt lassen. In den Reihen der Koalition finden sich viele Abgeordnete, die sich in ihrer Zeit in der Opposition glaubwürdig – so möchte man meinen – für einen starken Whistleblowerschutz eingesetzt haben. Nun können und müssen sie beweisen, wie ernst sie es gemeint haben.

Ein schönes Wochenende euch allen!
Tomas


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