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Verfassungsschutzbericht: Immer mehr Rechtsextreme in Sicherheitsbehörden

Eine Gruppe Polizisten, die man von hinten laufen sieht
Die Sicherheitsbehörden haben ein Rechtsextremismusproblem Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Mike Powell

Der Inlandsgeheimdienst Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hat am vergangenen Freitag den aktuellen Lagebericht Rechtsextremisten, „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ in Sicherheitsbehörden vorgestellt. Laut dem Bericht hätten sich bei 327 Personen in deutschen Sicherheitsbehörden „tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“ ergeben. Sie hatten laut Verfassungsschutz entweder Bezug zu Rechtsextremismus oder dem sogenannten Reichsbürgertum. Im ersten Lagebericht aus dem Jahr 2020 waren es noch 34 Fälle.

Die Zahl hat sich damit seit 2020 fast verzehnfacht. Wie viele Personen tatsächlich entsprechendes Gedankengut hegen, ist nicht bekannt. Aufgeführt sind diejenigen Fälle, die den Landes- und Bundesverfassungsschutzämtern bekannt wurden und die diese auch als problematisch einstuften. Häufig fielen Personen durch die Mitgliedschaft in entsprechenden Chatgruppen auf.

„Reichsbürger und Selbstverwalter“

Der nun veröffentlichte Bericht des Verfassungsschutzes ist eine Fortschreibung des bereits bestehenden Berichtes aus dem Jahr 2020, er erfasst die bekannten Vorfälle aus dem Zeitraum von Juli 2018 bis zum 30. Juni 2021. Im Dezember 2020 hatte die Innenministerkonferenz (IMK) beschlossen, den Lagebericht weiterzuführen. Für das Dokument hat das Bundesamt für Verfassungsschutz erstmalig auch die Phänomene „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ betrachtet. Dafür wurden allen Behörden, etwa Landespolizeien, Zoll oder Bundeswehr, Fragebögen übermittelt, die ausgefüllt an den Verfassungsschutz zurückgeschickt werden sollten. Unabhängig ist der Bericht daher nicht.

In der Vergangenheit hatten Journalist:innen mehrfach rechte Verbindungen in den Sicherheitsbehörden aufgedeckt. Die Gefahr, die von Verfassungsfeinden in den Sicherheitsbehörden ausgeht, wird als besonders groß erachtet. Denn Personen, die dort arbeiten, haben oftmals Zugang zu persönlichen Daten vieler Menschen oder eine Waffenausbildung.

Chatgruppen als Netzwerke

Besonders in den Ländern spielt laut dem Bericht die Mitgliedschaft in Chatgruppen eine große Rolle. Solche Fälle wurden zuvor immer wieder aufgedeckt und machen laut dem Bericht mehr als 30 Prozent der „extremistischen Aktivitäten“ aus. In diesen Gruppen seien „unter anderem Bilder mit Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen oder antisemitische Nachrichten verschickt“ worden.

Bei insgesamt 44 Beschäftigten auf Landes- und Bundesebene sei bekannt geworden, dass sie Mitglied einer „verfassungsschutzrelevanten“ Chatgruppe waren. Insgesamt 50 Gruppen seien dabei aufgefallen. Zudem geht der Bericht darauf ein, wie solche Netzwerke zur Gefahr werden. Die Gruppierung „Nordkreuz“ beispielsweise bildete sich aus der Chatgruppe Nord des rechtsextremen Vereins Uniter. Darin waren Angehörige der Bundeswehr und Polizei vertreten.

2018 etwa wurden im Rahmen interner Ermittlungen in der hessischen Polizei mehrere extremistische Chatgruppen aufgeflogen. Anlass dafür waren Drohschreiben mit dem Kürzel „NSU 2.0“ an Personen des öffentlichen Lebens. In den Chats leugneten die Beamt:innen nicht nur den Holocaust und hetzten gegen Minderheiten, sondern teilten auch rechtsextreme Inhalte wie Nazi-Symbole. Alle arbeiteten in einem Polizeirevier in Frankfurt am Main und wurden nach der Aufdeckung der Chatgruppe suspendiert. Die Staatsanwaltschaft erhob erst kürzlich Anklage gegen die Polizist:innen. Übersichten zeigen, dass diese Vorfälle nicht, wie ursprünglich von der Politik angenommen, Einzelfälle sind. Der Lagebericht des Verfassungsschutzes scheint dies nun zu bestätigen.

Bereits seit mehreren Jahren gibt es Kritik am Umgang der Behörden mit Verfassungsfeinden in den eigenen Reihen. Der ehemalige Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat, Horst Seehofer hatte im Jahr 2020 jedoch eine Untersuchung zu Rassismus und Rechtsextremismus bei der Polizei verhindert. Die nun drastisch gestiegenen Zahlen sind laut Verfassungsschutz auf die „weitere Aufhellung des Dunkelfeldes extremistischer Sachverhalte im öffentlichen Dienst zurückzuführen sein“. Wissenschaftler:innen und Politiker:innen befürchten generell eine hohe Dunkelziffer von rechtsradikalen Vorfällen in den Sicherheitsbehörden.


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