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Transparenz: Britische Regierung wegen selbstlöschender Chat-Nachrichten vor Gericht

Boris Johnson lehnt sich an eine Mauer und schaut auf sein Smartphone
Ärger um gelöschte Nachrichten auf dem Smartphone vom britischen Premierminister Boris Johnson. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Eibner Europa

Gleich in zwei Gerichtsverfahren muss sich diese Woche die britische Regierung für ihre Kommunikations- und Informationspraxis rechtfertigen. Mehrere Nichtregierungsorganisationen hatten Premierminister Boris Johnson und sein Team verklagt, weil sie wichtige interne Absprache über private Mail- und Messenger-Accounts sowie Geräte geführt haben und dabei verschwindende Nachrichten einsetzten. Unter anderem sollen WhatsApp-Chats zum Umgang mit der Corona-Pandemie, zu Problemen mit Covid-19-Tests und zur Beschaffung von Beatmungsgeräten automatisch gelöscht worden sein.

Wie der Guardian vom ersten Prozesstag berichtet, betrifft dies nicht nur Johnson selbst, sondern auch seinen früheren Chefberater Dominic Cummings, alle Sonderberater sowie viele hochrangige Angestellte der Staatskanzlei und die ehemaligen Minister:innen für Gesundheit und Bildung. Der Zeitung zufolge dürfte dies mindestens gegen interne Regeln der Regierung verstoßen, denen zufolge „keine nicht-triviale Kommunikation“ über private Kanäle laufen darf. Die Zivilgesellschaft sieht darin das grundsätzliche Problem, dass Regierungshandeln unkontrollierbar wird.

„Sie scheinen zu glauben, dass dies ein Schlupfloch ist, um sich einer öffentlichen Überprüfung entziehen zu können“, schreibt das britische Good Law Project, das sich in seiner Klage auf die Nutzung privater Kommunikations-Kanäle fokussiert. Doch wenn Politiker:innen versuchen würden, eine Aufsicht durch Gerichte zu vermeiden und Informationsfreiheitsanfragen abzuwehren, stelle sich erst recht die Frage, was sie zu verbergen hätten.

Die NGOs Foxglove und All The Citizens (ATC) kritisieren in ihrer Klage vor allem die Nutzung selbstlöschender Nachrichten. Die britische Regierung habe bereits zugeben müssen, dass keine einzige Nachricht mehr auf dem Mobiltelefon von Premierminister Johnson aus der Zeit vor dem April 2021 zur Verfügung stehe, weil diese wohl automatisch gelöscht worden seien. Das sei nicht nur für die demokratische Kontrolle der Regierung, sondern auch für die Nachvollziehbarkeit politischer Entscheidungen durch künftige Generationen ein Problem, sagt ATC-Direktorin Clara Maguire. „Die Regierungszeit von Boris Johnson wird für Historiker:innen ein schwarzes Loch sein.“

Auch Ursula von der Leyen will ihre Chats für sich behalten

Dem Guardian zufolge argumentiert die Regierung vor Gericht, dass modernes Arbeiten heute nicht ohne die Nutzung schneller Kommunikation über private Kanäle funktioniere. Die Klagen seien deshalb „losgelöst von der Realität zeitgemäßer Arbeitspraxis.“

Mit dieser Haltung ist die britische Regierung international in guter Gesellschaft. Auch in Ländern wie Deutschland und in der EU gibt es schon seit einiger Zeit Auseinandersetzungen um die korrekte Veraktung von Mobilkommunikation, wie es im schönsten Beamtendeutsch heißt. Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel etwa, die für ihr „Regieren per SMS“ bekannt war, wehrt sich seit Jahren erfolgreich gegen Versuche von Journalist:innen und Zivilgesellschaft, Einsicht in die Nachrichten zu bekommen.

Auch EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen steht wegen ihrer Handy-Nachrichten unter Druck: Nach einer Beschwerde von netzpolitik.org warf kürzlich die EU-Ombudsfrau Emily O’Reilly der Kommission Fehlverhalten vor. Wir hatten verlangt, dass Chats zwischen von der Leyen und Pfizer-Chef Albert Bourla über einen milliardenschweren Impfstoffdeal offengelegt werden sollen, der womöglich über direkte SMS-Nachrichten zustande gekommen ist. Die von der Ombudsfrau gesetzte Frist zur Prüfung unseres Antrages läuft im April aus.


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