Ticker

6/recent/ticker-posts

Ad Code

Responsive Advertisement

Werbemarkt: Wie Google und Facebook sich die Konkurrenz vom Leib halten

Der Burggraben von Google und Facebook

Dokumente aus einem Gerichtsverfahren in den USA zeigen eine heimliche Kooperation zwischen Google und Facebook auf dem Online-Werbemarkt. Die beiden Unternehmen sollen verabredet haben, gemeinsam einen „Burggraben“ gegen die Konkurrenz zu bauen, heißt es in einer kürzlich ungekürzt veröffentlichten Beschwerdeschrift, die die Generalstaatsanwälte mehrere US-Bundesstaaten vor einem Gericht in New York einbrachten. Bisher waren die Dokumente nur mit weitgehenden Schwärzungen einsehbar.

Google und Facebook gelten seit langem als dominante Akteure auf dem Online-Werbemarkt. Google verkauft selbst Werbung in seinen Suchergebnissen und auf seiner Videoplattform Youtube, betreibt aber auch Marktplätze, in denen Werbekund:innen in Echtzeit Flächen auf den Seiten oder in den Apps Dritter ersteigern können. Auch Facebook betreibt ein Werbenetzwerk, über das Dritte Flächen kaufen und verkaufen können. Die beiden Konzerne hätten unter anderem marktrelevante Informationen ausgetauscht und abgesprochen, bei welchen Verkäufen Facebook mitschneiden könne, werfen die Generalstaatsanwälte den Konzernen vor.

Die Klage der Generalstaatsanwälte fußt auf einer Vielzahl interner Dokumente, aus denen in der Klageschrift – teils in Form von Screenshots – zitiert wird. Die von Google verwendete Burggraben-Metapher dürfte ursprünglich vom Management-Professor Scott Galloway stammen. Dieser prägte den Begriff in seinem Buch „The Four“ als Ausdruck für wettbewerbsfeindliche Taktiken der vier großen Digitalkonzerne – neben Google zählte Galloway dazu Amazon, Apple und Facebook.

Google kassiert bis zu 42 Prozent der Werbeausgaben

Heimliche Zusammenarbeit der Konzerne gab es der Klageschrift zufolge etwa beim Thema „Header Bidding“. Dahinter verbirgt sich der Versuch von Online-Publishern in den 2010er Jahren, ihre Werbeflächen über mehrere Werbemarktplätze zugleich zum Verkauf anzubieten. Dadurch konnten Nachrichtenverlagen ihre Anzeigenflächen auch jenseits der Netzwerke von Google und Facebook an den oder die Höchstbieter verkaufen – sie hätten dadurch einen Weg aus der Abhängigkeit von den Duopolisten finden können. Google habe Header Bidding in internen E-Mails als „existentielle Bedrohung“ bezeichnet und ein Programm namens „Jedi“ ins Leben gerufen, um seine Geschäftspartner daran zu hindern. Der Name bezieht sich auf einen „Jedi-Gedankentrick“, den Google den Publishern spielen wollte.

Gemeinsam mit Facebook habe der Konzern es dann geschafft, Publishern die Verwendung von Header Bidding auszutreiben, heißt es in der Klageschrift. In der heimlichen Absprache mit Facebook hatten die Konzerne offenbar genaue Quoten festgelegt, wie oft Facebook Auktionen gewinnen würde. Google-intern wurde der Name des Programms auf „Jedi Blue“ erweitert. Die Unternehmen legten hierbei auch fest, was der blaue Plattformkonzern bei den Versteigerungen auf Googles Marktplatz mindestens bieten würde, um das Preisniveau nach oben zu treiben.

Die Klageschrift legt also nahe, dass Marktführer Google lieber gemeinsame Sache mit dem größten Konkurrenten machte, als einen offenen Wettbewerb auf dem Online-Werbemarkt zuzulassen. Der Natur dieser Marktmanipulation entsprechend ist auch eine umfassende gegenseitige Verschwiegenheitserklärung Teil der Verabredung. In einer Art Nichtangriffspakt verabredeten die beiden Unternehmen laut internen Dokumenten auch, sich über jegliche Regierungsanfragen zu Wettbewerbs- und Datenschutzfragen zu informieren und sich bei Stellungnahmen gegenüber öffentlichen Stellen abzusprechen.

Die Kooperation der beiden Duopolisten beinhaltet auch Maßnahmen, die die Generalstaatsanwälte als direkten Angriff auf den Wettbewerber Apple verstehen, der sich seit Jahren durch Privacy-Versprechen von der Konkurrenz abzuheben versucht. So habe Google Facebook dabei geholfen, Internetnutzer:innen zu identifizieren, die aufgrund der Datenschutzeinstellungen von Apple-Geräten und Apples Safari-Browser schwer zu erkennen gewesen seien. Unter anderem arbeiten die Unternehmen beim Cookie-Matching zusammen, bei dem Nutzer:innen durch den Abgleich von Cookie-IDs wiedererkannt werden. Dass Facebook Internetnutzer:innen besser identifizieren konnte, half dem Konzern wiederum dabei, mehr Auktionen auf Googles Marktplatz zu gewinnen.

Google kassiert bis zu 42 Prozent der Werbeausgaben

Dass Google zugleich als Vermittler und Verkäufer von Werbung auftritt, vergleicht die Forscherin Dina Srinivasan mit Insiderhandel an der Börse. Denn Google bevorzuge seine eigenen Dienste – und offenbar auch die von Facebook – gegenüber jenen Dritter.

Ein ähnliches Bild findet sich auch in den nun vollständig öffentlichen Gerichtsdokumenten wieder. Darin wird ein hochrangiger Google-Mitarbeiter zitiert, der die Situation auf dem Online-Werbemarkt damit vergleicht, dass die Großbanken Goldman oder Citibank gleichzeitig die weltweit größte Wertpapierbörse, die New York Stock Exchange, betreiben würden.

In den Dokumenten heißt es außerdem, dass Google übertriebene Preise von seinen Geschäftskunden in der Online-Werbung verlange. Zwischen 22 und 42 Prozent der Werbeausgaben kassiere Google für seine Vermittlungstätigkeit – dabei handle es sich um eine „Monopolsteuer“ des Konzerns, die auf Kosten von Werbeflächenverkäufern wie Nachrichtenseiten und Blogs gehe. Die Werbekunden würden diese letztendlich in Form von höheren Preisen an die Konsument:innen weitergeben.

Marktverzerrung mit dem Suchmonopol

Die Klageschrift führt aus, wie Google seine dominante Rolle als Infrastrukturbetreiber des World Wide Web nutzt, um sich Vorteile im Online-Werbegeschäft zu verschaffen. So setze das Unternehmen unter anderem seinen Browser Chrome ein, um mehr Daten über das Online-Verhalten von Nutzer:innen zu sammeln und sie besser identifizieren können. Zu diesem Zweck habe Google die Login-Möglichkeit bei dem in Deutschland und den USA meistgenutzten Browser geschaffen und dann Maßnahmen ergriffen, um möglichst viele Nutzer:innen zu einem Login zu manipulieren. So sei Google bewusst dazu übergegangen, Chrome-Nutzer:innen, die sich bei Youtube einloggen, ungefragt auch beim Browser anzumelden.

Mit diesem Informationsvorsprung wiederum wolle Google sich einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Werbefirmen verschaffen. So deuten die Generalstaatsanwälte auch Googles Ankündigung, Tracking mit Cookies abzuschaffen, nicht als Maßnahme zum Schutz der Privatsphäre. Sie diene vielmehr dem Zweck, die Konkurrenz auf dem Werbemarkt zu schwächen. Der Konzern würde mit seiner „Privacy Sandbox“ ein Monopol auf die Daten der Chrome-Nutzer:innen erhalten, die für Targeted Advertising notwendig sind.

Auch der von Google ins Leben gerufene Standard für schnell-ladende Mobilwebsites, AMP, sei in erster Linie dafür da, Googles dominante Position auf dem Werbemarkt zu zementieren. Der Klageschrift zufolge habe Google Accelerated Mobile Pages bewusst so gestaltet, dass der Standard inkompatibel mit dem oben genannten Header Bidding sei, das Verlage aus ihrer Abhängigkeit von Google hätte herausführen können.

Dann habe Google seine Dominanz auf dem Suchmaschinenmarkt genutzt, um die Verlage zur Nutzung von AMP zu zwingen. Das hierbei genutzte Versprechen, mobile Seiten würden mit AMP schneller laden, habe man auch dadurch erreicht, dass Werbeanzeigen ohne AMP standardmäßig langsamer ausgespielt worden wären und so die Ladezeit der Websites verlängert hätten. Die künstliche Drosselung habe eine Sekunde betragen, in Web-Maßstäben eine halbe Ewigkeit. Dies sei ein „netter Wettbewerbsvorteil“, zitiert die Klageschrift Google-Interna.

Ärger auch in Europa

Sowohl Google als auch Facebook streiten die Vorwürfe öffentlich ab. Beide Unternehmen weisen darauf hin, dass es sich um Anschuldigen handelt und das Gerichtsverfahren noch nicht entschieden ist. Sollte sich jedoch nur ein Bruchteil der Vorwürfe als wahr erweisen, dürfte es insbesondere für Google ungemütlich werden.

Während Facebook seit Jahren von einem Skandal zum nächsten taumelt, konnte Google sein öffentliches Ansehen halbwegs wahren. Insbesondere Medienverlage, deren Ansprüche auf den Online-Werbekuchen Google seit Jahren mit Geld zu befrieden versucht, dürften ganz genau darauf schauen, wie der Plattformkonzern seine Marktmacht gegen sie ausgespielt hat.

Doch nicht nur in den USA, auch in Europa laufen Wettbewerbsverfahren gegen Google wegen seiner Dominanz am Werbemarkt. Erst im Juni kündigte die EU-Kommission ein Verfahren gegen Google wegen „mutmaßlich wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen“ auf Online-Werbemärkten an. Damit könnte Google dem fairen Wettbewerb geschadet haben. Presseverlage werfen Google seit langem vor, ihnen durch seine marktdominante Rolle Einnahmen genommen und damit dem Erfolg journalistischer Medien geschadet zu haben.


Hilf mit! Mit Deiner finanziellen Hilfe unterstützt Du unabhängigen Journalismus.

Enregistrer un commentaire

0 Commentaires