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Rechtsgutachten: Chatkontrolle unvereinbar mit Grundrechte-Charta

Die von der EU-Kommission geplante Chatkontrolle erregt weiter Unmut bei Fachleuten. Ein früherer Richter des Europäischen Gerichtshofs geht davon aus, dass die Verordnung gegen die Grundrechte-Charta der EU verstößt.

Hängeregister mit Aufschrift Gutachten
(Symbolbild) – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Steinach

Der ehemalige Richter am Europäischen Gerichtshof (EuGH) Christopher Vajda hat ein Gutachten zur Chatkontrolle-Verordnung erstellt. Er kommt zum Ergebnis, dass Teile der Verordnung gegen die Grundrechte-Charta der Europäischen Union verstoßen. Vajda war von 2012 bis 2020 Richter am höchsten Europäischen Gericht.

Hintergrund ist ein im Jahr 2022 von der EU-Kommission vorgelegter Gesetzentwurf zur Bekämpfung von sexualisierter Gewalt gegen Kinder. Dieser wird derzeit im Rat der EU verhandelt – und es herrscht keine Einigkeit. Das EU-Parlament hat unterdessen einen Kompromiss verabschiedet, der der Verordnung die schlimmsten Giftzähne zieht.

Von Anfang an war vor allem die so genannte Chatkontrolle umstritten. Internet-Dienste wie Messenger, E-Mail-Provider oder Social-Media-Plattformen wären dann gesetzlich gezwungen, die privaten Inhalte ihrer Nutzer:innen zu scannen und darin nach Darstellungen von Missbrauch zu suchen.

„System der wahllosen Überwachung äußerst sensibler Daten“

In dem 38-seitigen Gutachten (PDF), das der Piraten-Abgeordnete Patrick Breyer auf seiner Webseite veröffentlicht hat, kommt Vajda zu folgender Einschätzung:

Zusammenfassend komme ich zu dem Schluss, dass die in der Verordnung vorgesehene Anordnung zur Detektion von Daten wahrscheinlich gegen die Artikel 7 und 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union („die Charta“) verstößt.

Vajda begründet dies damit, dass mit einer Anordnung „ein System der allgemeinen und wahllosen Überwachung äußerst sensibler Daten, einschließlich des Inhalts der Kommunikation“ eingeführt würde. Der EuGH habe aber den allgemeinen Grundsatz aufgestellt, dass eine allgemeine und wahllose Überwachung von Daten nur im Zusammenhang mit der nationalen Sicherheit zulässig sei.

Weiter heißt es im Gutachten über den Vorschlag der EU-Kommission:

Die Verordnung ermöglicht es, den Inhalt der Kommunikation zu überwachen, was unweigerlich genaue Rückschlüsse auf das Privatleben einer Person zulässt, und hebt auch die Sicherheitsvorkehrungen der Ende-zu-Ende-verschlüsselten Kommunikation auf. Die Verordnung und die dazugehörige Begründung schweigen sich jedoch über die Gründe für die Aufhebung der Verschlüsselung, ihre Durchführbarkeit und Wirksamkeit sowie über etwaige Auswirkungen auf andere Netze aus, die noch nicht Gegenstand einer Detektionsanordnung sind.

„Weit über alle früheren Rechtsvorschriften hinaus“

In seinem Gutachten kommt der Jurist zum Schluss:

In Anbetracht der Bedeutung eines solchen Eingriffs in das Recht auf Privatsphäre und Datenschutz veranlasst mich das Versagen der Verordnung in diesen Punkten zu der Schlussfolgerung, dass die Bestimmung für Detektionsanordnungen in der Verordnung wahrscheinlich aus Gründen der Verhältnismäßigkeit, der fehlenden Begründung, der Rechtssicherheit sowie der Anforderung, dass solche Eingriffe gesetzlich vorgesehen sein sollten, rechtswidrig ist.

In der weiteren Begründung spricht Vajda im Zusammenhang mit der Chatkontrolle von einem „bedeutenden Eingriff in das Grundrecht auf Schutz der Privatsphäre und der Daten, das durch die Artikel 7 und 8 der Charta garantiert wird, der, soweit mir bekannt ist, weit über alle früheren Rechtsvorschriften hinausgeht [..]“. Vajda kritisiert zudem, dass die Verordnung Rechtsunsicherheit schaffen würde.

Der frühere EuGH-Richter steht mit seiner Haltung nicht alleine. Gegen die Pläne der EU-Kommission unter der Innenkommissarin Ylva Johansson haben sich weltweit Bürgerrechtsorganisationen und Expert:innen aus verschiedensten gesellschaftlichen und politischen Bereichen ausgesprochen. Der Dachverband europäischer Bürgerrechtsorganisationen EDRi spricht von einem „beispiellos breiten Spektrum von Interessengruppen“, das sich aktiv gegen die Chatkontrolle einsetzt. Zu ihnen gehören Kinderschutzexpert:innen, Betroffenen von Kindesmissbrauch, Polizei, Datenschutzbehörden, europäische Regierungen, UN-Beamte, Wissenschaft, Unternehmen, Wirtschaftsverbände sowie Nichtregierungsorganisationen.


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