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Hass und Hetze auf Twitter: „Musk hat einen Safe Space für Rassisten geschaffen“

Eine NGO hat 200 klar rassistische und antisemitische Posts beim Twitter-Nachfolger „X“ gemeldet – doch nach einer Woche waren nur vier davon offline. Das „Center for Countering Digital Hate“ sieht in der Stichprobe eine direkte Folge der Übernahme durch Elon Musk. Der Milliardär hatte große Teile der Moderationsteams entlassen.

X Logo, im Hintergrund Elon Musk
Seit der Übernahme von Musk beklagen immer mehr Stimmen, eine Zunahme von Rassismus und Antisemitismus. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / NurPhoto

Die früher mal Twitter genannte Plattform löscht laut einer neuen, stichprobenartigen Untersuchung nur noch einen Bruchteil von hasserfüllten Postings, die gegen die Richtlinien der Plattform verstoßen. Laut der Untersuchung blieben 98 Prozent der untersuchten Posts bei X online. Sie riefen etwa zur Gewalt auf, leugneten den Holocaust oder verherrlichten Nazis.

Das Center for Countering Digital Hate (CCDH) hatte für die Untersuchung nach dem 7. Oktober insgesamt 200 hasserfüllte Postings auf X gesammelt. Sie wurden nach den Angriffen der Hamas auf Israel veröffentlicht und bezogen sich entweder direkt auf den aktuellen Konflikt oder schienen davon beeinflusst zu sein. Die Beiträge stammten von insgesamt 101 separaten X-Konten, von diesen waren 43 sogenannte „verifizierte“ Accounts mit blauem Haken, heißt es in der Pressemitteilung zur Studie.

Vor der Übernahme durch Elon Musk war ein blauer Haken ein deutlicher Hinweis dafür, dass ein Account vertrauenswürdig und authentisch ist. Inzwischen lässt sich dieser Status einfach kaufen und wird unter anderem von Fake-Accounts genutzt.

Tausende einst gesperrte Accounts wieder aktiv

Die 200 untersuchten Postings enthielten laut CCDH unter anderem:

  • die Aufstachelung zur Gewalt gegen Muslim:innen, Palästinenser:innen und jüdische Menschen
  • die Behauptung, dass „Hitler die Juden als das sah, was sie waren“
  • die Behauptung, dass Muslime „stinkende Ratten“ seien
  • Postings, die Palästinenser in Gaza als „Tiere“ bezeichnen
  • das Leugnen und Verharmlosen des Holocausts
  • antisemitische Karikaturen
  • antisemitische Verschwörungstheorien
  • die Leugnung der Existenz der Palästinenser als Volk
  • die Verherrlichung von Nazis und Nationalsozialismus

Das CCDH meldete diese 200 Postings am 31. Oktober über die offiziellen Meldetools von X. Die Stichprobe von Beiträgen wurde dann am 7. November überprüft, um zu sehen, ob X auf die Meldungen reagiert hat. Doch 196 der 200 Posts waren noch online. Erst nachdem das CCDH die Studie veröffentlichte, löschte X zumindest einige der Posts. Twitter/X hat seit der Übernahme von Elon Musk große Teile seiner Moderationsteams entlassen, zudem hat die Plattform tausende früher gesperrter Accounts wieder freigeschaltet.

Imran Ahmed vom CCDH sieht hier einen direkten Zusammenhang: „Das ist das unvermeidliche Ergebnis, wenn man Sicherheits- und Moderationspersonal abbaut [..] und jedem, der bereit ist, 8 US-Dollar pro Monat zu zahlen, mehr Sichtbarkeit bietet. Musk hat einen safe space für Rassisten geschaffen und versucht, aus der Straffreiheit, die sie dazu bringt, marginalisierte Gemeinschaften anzugreifen, zu belästigen und zu bedrohen, eine Tugend zu machen.“

Die Atmosphäre auf X wird mittlerweile weithin als katastrophal bewertet. Jüngst hatten mehrere große Medien und zahlreiche Journalist:innen der Plattform schlechte Noten gegeben. Sie überlegen, wann sie Musks Plattform den Rücken kehren. Unterdessen verlassen vermehrt auch offizielle Akteur:innen die Kurznachrichtenplattform, jüngst die Antidiskriminierungsstelle des Bundes.

X geht gegen Forschung vor

X steht mit dem Center for Countering Digital Hate auf dem Kriegsfuß. Das Unternehmen X Corp hatte am 20. Juli einen Brief an das die gemeinnützige Organisation geschickt. Darin stand der Vorwurf an das CCHD, „eine Reihe von beunruhigenden und unbegründeten Behauptungen aufzustellen, die offenbar darauf abzielen, Twitter im Allgemeinen und seinem digitalen Werbegeschäft im Besonderen zu schaden“. Im Brief drohte X bereits mit einer Klage. Ende Juli wurde dann bekannt, dass X die Organisation nun wegen Scraping verklagt. Unter Scraping wird das Sammeln von Daten im Netz verstanden. Es ist ein verbreitetes Werkzeug für Forscher:innen, vor allem wenn soziale Netzwerke keine Schnittstellen zur Verfügung stellen.

Es ist kein Einzelfall, dass X Forscher:innen das Leben schwer macht. Infolge seiner Arbeit zu Hass auf der Plattform hat X auch den Berliner Datenanalysten Travis Brown auf der Plattform gesperrt. Als Brown sich wehrte, hielt X jüngst mit Anwält:innen dagegen.


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