Was haben Klimaaktivismus und Hacker- und Makerkultur miteinander zu tun? Wir haben mit Menschen gesprochen, die Klimacamps mit Strom und Internet versorgen und IT-Infrastruktur für Aktivist*innen betreiben.
Das Rheinische Revier ist das größte Braunkohleabbaugebiet in Europa und seit Jahren ein zentraler Schauplatz von Klimaprotesten. In den vergangenen zehn Jahren veranstalteten Aktivist*innen dort zahlreiche Demonstrationen und Klimacamps, besetzten Wälder und Häuser, legten Tagebaue und Kohlekraftwerke lahm. Anfang dieses Jahres standen die Räumung und der Abriss des Dorfes Lützerath im Fokus der Öffentlichkeit.
Bei Klimaprotesten kommt es oft vor, dass viele Menschen für einen kurzen Zeitraum an abgelegenen Orten zusammenkommen. „Diese Menschen brauchen natürlich Infrastruktur: Wasser, sanitäre Anlagen, Strom und Zugang zum Internet“, erzählt Paul. Er ist durch Fridays for Future zum Klimaaktivismus gekommen und später auf den Widerstand in Lützerath aufmerksam geworden. Dort hat er über die Zeit Anschluss gefunden und sich engagiert.
Strom und Internet auf Klimacamps
Auf verschiedenen Klimacamps im Rheinischen Braunkohlerevier kümmerte er sich um die Stromversorgung, hat etwa temporäre Solaranlagen gebaut: „Ich habe geschaut, dass der Strom überall da ist, wo er gebraucht wird, und nirgendwo ist, wo er nicht hinsoll.“ Wichtig sei Strom vor allem für das Laden von Handys und für Beleuchtung in der Nacht. Anspruch innerhalb der Bewegung sei es, dabei möglichst komplett auf erneuerbare Energien zu setzen – auch wenn das nicht immer klappt.
Was dabei besonders schwierig sei? Trotz Improvisation und „do it yourself“ muss die Infrastruktur sicher sein: „Es ist wichtig, dass sich niemand durch eine verpfuschte Elektroinstallation auf so einem Camp verletzen kann und dass da nichts abbrennt“, sagt Paul. Auch seien die Wege auf den Camps meist weit. Daher ergebe es oft Sinn, auf dezentrale Anlagen zu setzen und zum Beispiel eine kleine Solaranlage zu verwenden, die nur das WLAN versorgt. Das führe auch zu mehr Resilienz, falls mal eine Anlage ausfällt.
Allgemein werde in der Bewegung versucht, Wissenshierarchien abzubauen. Die gäbe es gerade, wenn es um Strom oder um Netzwerke geht. „Das ist ja gesellschaftlich ein eher von Männern dominierter Bereich“. Paul ist es daher wichtig, mehr FLINTAs für diese Themen zu begeistern und Wissen weiterzugeben.
Auch in München fand vergangenes Wochenende ein Klimacamp statt. Dort kümmerte sich Lukas Schulz darum, die dortigen Organisator*innen für Livestreams und Pressearbeit mit Zugang zum Internet zu versorgen. Das funktioniert über einen Mobilfunkrouter.
„Wir dachten uns, das muss besser gehen“
Schulz engagiert sich beim Verein „Hackers Against Climate Change“ (hacc) in München. Der Name stammt von einer Veranstaltung auf dem 35. Chaos Communication Congress (35C3). Dort tauschten sich 2018 Hacker*innen und Klimaaktivist*innen miteinander aus. Darauf folgten regelmäßige Treffen im Münchener Chaos Computer Club und später die Gründung des Vereins hacc e. V.
Bei den ersten Treffen seien auch Aktivist*innen von Fridays for Future München dabeigewesen. „Wir haben gemerkt, dass dort die ganzen Fotos über Google Drive verteilt werden und die Kommunikation auf Slack und Telegram stattfindet“, sagt Lukas Schulz. „Wir dachten uns, das muss besser gehen. Es gibt doch genug Open-Source-Software, die wir selbst betreiben können, um Alternativen zu schaffen.“
Also setzte hacc die entsprechende IT-Infrastruktur auf. Dabei nutzt der Verein etwa Nextcloud zum Teilen von Dateien und Mattermost als Kommunikationsplattform. Beide Dienste basieren auf freier Software. Kurz nachdem hacc damit angefangen hatte, habe Fridays for Future auf Bundesebene selbst begonnen, ähnliche Dienste zu betreiben. „Wir machen das immer noch für lokale Gruppen in München und in ganz Deutschland und nehmen gerne neue Anfragen entgegen“, sagt Lukas Schulz. Außerdem organisiere der Verein Livestreams von Veranstaltungen, etwa von Podiumsdiskussionen.
Er selbst war zuerst in der Klimabewegung aktiv, bevor er Kontakt zur Hackerszene bekam, hat sich aber privat schon länger mit Technik beschäftigt. Neben seinen Aktivitäten beim hacc e. V. hat er ein Akkusystem gebaut, um Tontechnik auf Demos mit Strom zu versorgen. Inzwischen studiert er Elektro- und Informationstechnik und will sich auf regenerative Energien spezialisieren: „Das geht quasi Hand in Hand mit den Basteleien, die ich aktuell mache.“
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