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Neues aus dem Fernsehrat (95): Fragen und Antworten zum „Public Space Incubator“ des ZDF

Gemeinsam mit anderen öffentlich-rechtlichen Medien startet das ZDF einen „Public Space Incubator“. Manche sehen darin den Auftakt für eine öffentlich-rechtliche Twitter-Alternative, andere befürchten Geldverschwendung. Ein Beitrag mit Antworten auf die häufigsten Fragen.

Ein ZDF-Mikrofon liegt in einem Fußballstadion
Das ZDF will „Kommunikationsraum schaffen“ – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / MIS

Die Serie „Neues aus dem Fernsehrat“ beleuchtet seit 2016 die digitale Transformation öffentlich-rechtliche Medien. Hier entlang zu allen Beiträgen der Reihe.

Während der ZDF-Fernsehrat öffentlich tagt (und inzwischen auch live gestreamt wird), sind die Sitzungen des ZDF-Verwaltungsrats vertraulich. Wenn ich jetzt hier über das kürzlich von ZDF-Intendant Himmler präsentierte Forschungs- und Entwicklungsprojekt „Public Space Incubator“ schreibe, darf ich also leider nicht aus Sitzungsunterlagen zitieren oder in die finanziellen Details gehen. Aber inzwischen ist genug auch öffentlich über das Projekt bekannt, dass es sich lohnt, einen kurzen Überblick über die Initiative zu geben – nicht zuletzt auch deshalb, weil es sich dabei um ein in mehrfacher Hinsicht wegweisendes Vorhaben handelt.

Worum geht es bei dem Projekt „Public Space Incubator“ überhaupt?

Im Interview mit dem Medienportal DWDL skizzierte Himmler das Projekt folgendermaßen:

Public Space steht für Kommunikation jenseits kommerzieller Beeinflussung in einem Raum, den wir als Öffentlich-Rechtliche garantieren, schützen und auch kuratieren. Wir wollen einen hassfreien Kommunikationsraum schaffen für den gesellschaftlichen Diskurs. Dieser muss, wie wir gerade wieder merken, frei sein von kommerziellen oder politischen Interessen. Aber ich möchte klar sein: Es gibt noch keine Vorstellung, wie das aussehen könnte. Da zerbrechen sich jetzt sehr kluge Menschen bei New Public und bei uns und unseren Partnern die Köpfe.

Den Vorabbericht zum Interview betitelte DWDL mit den Worten „ZDF will Alternative zu Twitter und Co. entwickeln lassen“, was vor allem im Fediverse zu einiger Kritik und Spekulationen geführt hat, ob das ZDF hier (wieder einmal) mit Beitragsgeldern das Rad neu erfinden wolle. Doch schon die Projektaufstellung zeigt, dass es vielmehr darum geht, kooperativ mit anderen öffentlich-rechtlichen Medien auf Basis offener Software, Standards und Protokolle die Möglichkeiten für mehr Interaktionsoffenheit bei Online-Angeboten zu erproben.

Wer ist da mit an Bord? Finanziert das ZDF da große Tech-Konzerne?

Koordinator des Projekts ist der New Yorker Non-Profit „New_ Public“, der von Eli Pariser (bekannt vor allem wegen seines Bestsellers „Filter Bubble“) und Natalia Stroud geleitet wird. Neben dem ZDF zählen außerdem die belgische RTBF, die kanadische CBC und die Schweizer SRG zum Projektteam. Gemeinsam finanzieren diese öffentlich-rechtlichen Medien das Projekt. (Wobei die Summen, ohne ins Detail gehen zu können, erstmal vergleichsweise bescheiden sind – weshalb im Ergebnis auch keine eigene Twitter-Alternative stehen kann oder soll.)

Was hat das mit dem öffentlich-rechtlichen Auftrag zu tun?

„Die Angebote sollen eine freie individuelle und öffentliche Meinungsbildung fördern“ heißt es im ZDF-Staatsvertrag. Gerade in digitalen Kontexten erfolgt diese Meinungsbildung aber wesentlich über den Austausch mit dem Publikum, beziehungsweise des Publikums untereinander. Doch auch die öffentlich-rechtlichen Angebote bedienen sich dafür bislang größtenteils der dominanten kommerziellen Plattformen, investieren in Moderation auf YouTube und Instagram, aber ermöglichen keine Diskussionen in ihren Mediatheken.

Genau hier setzt nun das Projekt „Public Space Incubator“ an, wenn es darum geht, „innovative Bausteine für offene und respektvoll geführte Online-Diskussionen [zu] entwickeln und [zu] testen.“ Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch der Nachsatz „Kommerzielle Aspekte spielen keine Rolle.“ Denn sinnvoll ist eine Öffnung öffentlich-rechtlicher Angebote für das Publikum ja nur dann, wenn die so entstehenden, digital-öffentlichen Räume einer anderen Logik als jener der profit-orientierten Plattformgiganten folgen.

Da steht aber nichts von offener Software und offenen Protokollen!

Der wichtigste Garant dafür, dass das Projekt auf Basis offener Software, Standards und Protokolle basieren wird, ist der kooperative, länderübergreifende Ansatz. Denn offene Software reduziert wechselseitige Abhängigkeiten, erlaubt einfache Adaptierungen und ist – sofern offene Protokolle wie ActivityPub genutzt werden – anschlussfähig an bestehende, dezentrale Onlinennetzwerke wie Mastodon oder Peertube im Fediverse.

Wäre es nicht einfacher, das ZDF startet einfach eine eigene Mastodon-Instanz?

Abgesehen davon, dass die Etablierung eigener Fediverse-Instanzen durchaus diskutiert wird, würde damit keine Anbindung an bestehende Mediatheken und deren Inhalte verbunden sein. In einem ersten Schritt wird es aber genau darum gehen, Austausch und Diskussion über öffentlich-rechtliche Inhalte zu ermöglichen.

Ist es realistisch, dass öffentlich-rechtliche Online-Angebote „social“ werden?

Ja. Die Voraussetzungen sind sogar ziemlich gut, weil schon heute Millionen Menschen über Profile in den Mediatheken verfügen (vor allem zur Altersverifikation) und längst an der Zusammenführung des technischen Unterbaus zwischen ARD und ZDF gearbeitet wird. Es muss das Rad also nicht völlig neu erfunden werden, sondern vorhandene Angebote schrittweise ausgebaut und erweitert werden.

Mehr dazu, wie realistisch öffentlich-rechtliche Social-Media-Angebote sind, habe ich in Folge 85 dieser Serie diskutiert.

Klingt gut, aber kriegen die das hin?

Seriöserweise lässt sich das zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht beurteilen. Bei einem ernstzunehmenden F&E-Projekt sollte das aber auch genau so sein. Was sich aber jetzt schon sagen lässt: Kooperativ mit anderen Öffentlich-Rechtlichen, auf Basis offener Software, Standards und Protokolle sowie ohne große Tech-Konzerne in konkrete Entwicklungsarbeit für die Öffnung von Online-Angeboten zu investieren, ist ein vielversprechender Ansatz.


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