Eine Bremer Wohnungsbaugesellschaft hatte Daten darüber erfasst, ob eine wohnungssuchende Person Schwarz war oder ein Kopftuch trug. Wegen Datenschutzverstößen musste sie deshalb ein Bußgeld zahlen. Doch das hilft nur begrenzt gegen Diskriminierung.
Fatou Sillah ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachbereich Humanwissenschaften der Universität Kassel und am Kassel Institute for Sustainability. Dieser Beitrag erschien zuerst in „Recht gegen rechts – Report 2023″, der im S. Fischer Verlag erschienen ist. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Verlages und der Herausgeber*innen. Alle Rechte vorbehalten.
Dass Wohnungen nach rassistischen Kriterien vergeben werden, ist – zumindest unter den davon negativ betroffenen Menschen – kein Geheimnis. Kürzlich wurde in diesem Zusammenhang gegen die Bremer Wohnbaugesellschaft Brebau ein Bußgeld in Höhe von 1,9 Millionen Euro verhängt.
Das Unternehmen, das sich zu 100 Prozent im Eigentum der Freien Hansestadt Bremen befindet, hatte systematisch unter anderem Daten darüber erfasst, ob eine wohnungssuchende Person etwa Schwarz war oder ein Kopftuch trug. Die Datenschutzbeauftragte des Landes Bremen hat diese Praxis nun für rechtswidrig erklärt.
Die Brebau hatte den Profilen wohnungssuchender Personen systematisch Kürzel beigefügt, die auf deren Rasse oder Religion hinweisen sollten. Bereits zuvor wurden in dem betreffenden Freitextfeld sehr persönliche Umstände und vermutlich auch rassistische Kriterien eingetragen. Seit September 2019 wurde die Bezeichnung der „Zielgruppen“ jedoch der Übersichtlichkeit halber vereinheitlicht. In der E-Mail einer Teamleiterin heißt es: „Was [ … ] abgefragt werden muss; E 40 (Schwarz); Kopftuch, wenn vorhanden – Abkürzung KT ; Wenn gleichgeschlechtliche Suche, ob Paar oder WG ; Welcher Stadtteil zu dem Interessenten passt … “.
Eine Auswertung der Notizfeld-Eintragungen hat in 232 Fällen Treffer zu den Merkmalen E 40 und KT ergeben. Darüber hinaus führte die Brebau eine Liste mit „schlechten Adressen“. Dort wurden unter anderem Geflüchtetenunterkünfte, Rehabilitationseinrichtungen und soziale Brennpunkte aufgelistet. So wurde auch festgehalten, ob Personen, die bei der Brebau eine Wohnung suchten, zu dem Zeitpunkt in einer „schlechten Adresse“ gemeldet waren.
„Was willst du denn, das machen doch alle so.“
Die Vermutung liegt nahe, dass die Brebau nicht die einzige Wohnungsbaugesellschaft ist, die sich rassistischer Kriterien zur Wohnungsvergabe bedient. Vielleicht ist die Systematik, mit der die Brebau vorgegangen ist, ein Ausnahmefall – Rassismus auf dem Wohnungsmarkt ist aber mit Sicherheit die Regel.
Dies lässt auch die Aussage des Informanten aus der Brebau vermuten, der den Sachverhalt öffentlich gemacht hatte. In einem Artikel des Bremer Lokalmagazins Buten un Binnen wird dieser mit den Worten zitiert „Wenn du was dagegen sagst, [ … ] dann bist du der Außenseiter. Dann heißt es: ‚Was willst du denn, das machen doch alle Wohnungsgesellschaften so.‘ “
Dies unterstützt auch eine repräsentative Umfrage der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, laut derer jeder dritte Mensch mit Migrationshintergrund rassistische Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt erfährt. Auch wenn das Kriterium des Migrationshintergrundes nicht besonders aussagekräftig ist, lässt das tief blicken. Deshalb ist es zwar wichtig, dass die Brebau nun zur Verantwortung gezogen wird. Jedoch ist das verhängte Bußgeld einzig mit dem Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung begründet.
Daten dürfen grundsätzlich nur verarbeitet werden, wenn dies für den Zweck der Verarbeitung unmittelbar notwendig ist. Diesen rechtlichen Rahmen hat die Brebau aber weit überschritten. Die Daten über Merkmale, die im Zusammenhang mit Rasse oder Religion stehen, gehören sogar zu durch die Datenschutzgrundverordnung besonders geschützten Kategorien und dürfen somit grundsätzlich gar nicht erhoben werden. Problematisiert wird in dem Verfahren also vorrangig das Erheben der Daten an sich.
Das eigentliche Problem – der Rassismus – gerät dabei in den Hintergrund. Auch Imke Sommer, bremische Landesbeauftragte für Datenschutz, erklärt, dass die Datenschutzgrundverordnung nur bedingt Diskriminierung entgegenwirke. Gerade im Fall Brebau wäre aber eine zentrale Thematisierung von Rassismus essenziell.
Der zutiefst rassistische Charakter gerät in den Hintergrund
Dieses stark beschränkte Problembewusstsein findet sich auch in dem Untersuchungsbericht, durch den der Sachverhalt aufgeklärt werden sollte. In diesem vom ehemaligen Bremer Staatsrat Matthias Stauch angefertigten Gutachten wird zwar die Erhebung der Daten der Wohnungssuchenden als diskriminierend verurteilt. Jedoch folgert Stauch, dass die Daten nicht diskriminierend verwendet wurden. Stattdessen sei es der Brebau darum gegangen, „passende“ Wohnungen für die Bewerber:innen zu finden. Die Menschen seien aufgrund der Kategorisierung nicht von der Wohnungssuche ausgeschlossen worden. Im Gegenteil: Die Brebau habe sich bemüht, den betreffenden Personen eine Wohnung zu vermitteln.
Im Bericht heißt es weiter, die Zahlen bestätigten nicht, dass nach den erhobenen Kriterien diskriminiert wurde. Untersucht wurde, ob Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit oder mit „ausländisch klingenden Namen“ von der Brebau weniger Wohnungen vermittelt wurden als an deutsche Staatsangehörige, deren Namen auch danach klingen.
Das geht jedoch aus zwei Gründen am Kern des Problems vorbei: Erstens zeigt der Fall Brebau, dass auch Personen erfasst wurden, die deutsche Staatsangehörige sind und einen „deutsch klingenden Nachnamen“ haben, wenn diese Schwarz waren oder ein Kopftuch trugen. Dieser Umstand wird in dem Gutachten außer Acht gelassen.
Zweitens ist die Verwendung der Daten nicht nur diskriminierend, wenn aufgrund rassistischer beziehungsweise islamophober Kriterien keine Wohnungsvermittlung stattfindet. Auch wenn aufgrund der Kategorisierung entschieden wird, welche Wohnung einer Person angeboten wird, liegt eine Diskriminierung vor. Denn wenn rassistische Kriterien verwendet werden, um festzulegen, wer sich in welchen Räumen aufhalten darf, dann geht es nicht, wie im Gutachten harmlos dargestellt, darum, „passende Lösungen“ zu finden, sondern um Segregation.
Legale Segregation?
Dass es sich um Segregation handelt, legen die Informationen eines Brebau-Mitarbeiters nahe. Er schildert den Ablauf so: „Für Wohnungen werden von den Sachbearbeitern Zielgruppen erstellt. Das sind dann Dinge wie ‚hier gerne Studenten‘ oder ‚hier nur Senioren ab 60‘. Aber es werden eben auch solche Dinge hingeschrieben wie ‚Nur an Deutsche mit eigenem Einkommen‘ “.
Auch Deloitte Berlin, eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die ebenfalls mit einem Gutachten zum Sachverhalt beauftragt wurde, fand dafür Anhaltspunkte. Es gebe eine Tendenz, Interessent:innen mit bestimmten Merkmalen bestimmte Wohnlagen oder Objekte anzubieten. Das geht aus Einträgen in den Freitextfeldern hervor. Darin wurden Kommentare wie „kommt für gewünschten Stadtteil nicht in Frage“ oder „passt in Stadtteil“ gefunden. Personen, die in Kategorien wie E 40 oder KT eingeteilt waren, wurden also eher Wohnungen in Stadtteilen vermittelt, die bereits migrantisch geprägt sind. So wird Segregation vorangetrieben und Marginalisierung verfestigt.
Die Stigmatisierung bestimmter Stadtteile und deren Bewohner:innen ist dabei nur ein Problem. Hinzu kommt, dass der Zustand von Gebäuden und die Versorgung in benachteiligten Stadtteilen häufig schlechter sind. So problematisch all dies ist, handelt es sich rechtlich gesehen um eine Grauzone.
Zwar verbietet das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt, es lässt aber auch eine Ausnahme zu. Denn eine unterschiedliche Behandlung ist im Hinblick auf die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohner:innenstrukturen und ausgewogener Siedlungsstrukturen sowie ausgeglichener wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Verhältnisse zulässig.
Was darunter zu verstehen ist, ist unter Jurist:innen umstritten. Einige kommen nach einer Auslegung, die konform mit der EU-Antirassismus-Richtlinie ist, zu dem Ergebnis, dass Unterschiede nur gemacht werden dürfen, um Diskriminierung entgegenzuwirken. Gleichzeitig gestehen andere Auslegungen den Vermieter:innen einen großen Entscheidungsspielraum zu. Diese rechtliche Unklarheit ist ein großes Problem. So wird die Vorschrift auch vom UN-Ausschuss für die Beseitigung der Rassendiskriminierung und der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz kritisiert.
Doch es gehört mehr dazu, einen diskriminierungsfreien Wohnungsmarkt zu schaffen, als nur Schlupflöcher in Gesetzen zu schließen. Der Fall Brebau hat die Größe und das Ausmaß des Problems nun so deutlich offengelegt, dass es nicht weiter ignoriert werden kann. Klar ist, dass es insgesamt Veränderungen auf dem Wohnungsmarkt bedarf. Dieser ist in deutschen Großstädten – gelinde gesagt – angespannt. Für die wenigsten ist es einfach, eine bezahlbare Wohnung zu finden.
Wie schwer es ist, gegen den Wohnungsmangel anzukommen, zeigt die jüngere Geschichte der Gegenmaßnahmen: die Mietpreisbremse, der gekippte Berliner Mietendeckel oder zuletzt das Referendum „Deutsche Wohnen & Co. Enteignen“.
Auch wenn der Wohnungsmarkt für nahezu alle Menschen in Deutschland ein Problem darstellt, ist die Situation vor allem für jene ein Problem, die ohnehin schon marginalisiert sind. Denn diese Gruppen sind vom bestehenden Wohnungsmangel zwangsläufig noch stärker betroffen als andere. Weiterhin könnte sich die Brebau ein Vorbild an der Internetplattform Airbnb nehmen.
Hier wurden Anfragen Schwarzer Nutzer:innen wiederholt durch Gastgeber:innen abgelehnt, die angaben, die Unterkunft sei bereits gebucht. Die Nutzer:innen bemerkten jedoch, dass die Unterkunft ihnen in den Tagen darauf weiterhin als verfügbar angezeigt wurde. Stellten die Nutzer:innen eine erneute Anfrage von einem Account, in dem sie nicht als Schwarz zu erkennen waren, wurde die Anfrage angenommen. Als Reaktion ergriff das Unternehmen weitreichende Maßnahmen.
Unter anderem wurde ein Mechanismus entwickelt, der den Kalender des:der Gastgeber:in für den angefragten Zeitraum blockiert, sobald ein:e Gastgeber:in eine Anfrage mit der Begründung ablehnt, die Unterkunft sei bereits gebucht. So kann der:die Gastgeber:in für diese Tage keine weiteren Reservierungen annehmen. Abgelehnte Nutzer:innen werden unmittelbar über die Antidiskriminierungsstandards aufgeklärt und ihnen wird die Möglichkeit gegeben, sich bei auf Diskriminierung spezialisierten Mitarbeiter:innen zu beschweren. Diese Mitarbeiter:innen helfen den Nutzer:innen außerdem dabei, eine alternative Unterkunft zu finden. Auch hat Airbnb die Anzahl von Mitarbeiter:innen, die von Diskriminierung betroffen sind, deutlich erhöht. Solche Schritte sollte auch die Brebau gehen.
Darüber hinaus gilt es, bei der Aufklärung des Sachverhalts den Aufsichtsrat der Brebau zur Verantwortung zu ziehen, der bisher – auch in dem Untersuchungsbericht – nur sehr begrenzt
berücksichtigt wurde. Die Pflicht des Aufsichtsrates besteht darin, die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Überwachers und Betrachters walten zu lassen. Es ist zu überprüfen, ob der Aufsichtsrat diese Pflicht verletzt hat, indem er die Implementierung der rassistischen Praxis nicht verhinderte.
Diese Untersuchung ist insbesondere deswegen wichtig, weil der Aufsichtsrat der Brebau aus Politiker:innen des Bremer Senats besteht, die somit eine besondere Verpflichtung gegenüber den Bremer:innen haben. Damit könnte beispielsweise eine Antidiskriminierungsbeauftragte des Landes befasst werden, wie es in Berlin bereits gängige Praxis ist. Diese müsste mit einem Verbandsklagerecht ausgestattet werden, um Fälle wie den hier geschilderten konsequent zu verfolgen. So könnte bei einer Aufklärung die rassistische Dimension in den Mittelpunkt gestellt werden. Denn gerade bei einem öffentlichen Träger muss gewährleistet sein, dass Wohnungen nicht nach rassistischen Kriterien vergeben werden.
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