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10 Milliarden für Start-up: Wofür braucht OpenAI so viel Geld?

OpenAI war mal die gemeinnützige Alternative in einem Forschungsfeld, das von extrem reichen Tech-Konzernen beherrscht wurde. Jetzt wird es selbst zu einem der wertvollsten Start-ups der Welt. Was ist passiert?

OpenAI-Logo vor einem Hintergrund aus Dollarnoten
Kommerzielle Ziele oder nicht: Wer sehr große KI-Modelle entwickeln will, braucht Rechenleistung und Geld. – Alle Rechte vorbehalten Logo:OpenAI, Hintergrund: Pixabay/ QuinceCreative, Montage: netzpolitik.org

Die Nachricht zirkuliert als Gerücht schon seit Tagen, seit gestern ist sie bestätigt: Microsoft investiert 10 Milliarden US-Dollar in das Start-up OpenAI. Die Partnerschaft verkündeten Microsoft und OpenAI am Montag ohne eine Summe zu nennen, die Nachrichtenseite Bloomberg lieferte danach die Zahlen dazu.

Ein Tech-Konzern investiert also eine hohe Summe in ein KI-Start-up, das derzeit mit seinen Systemen ChatGPT und DALL-E 2 das halbe Internet in Aufregung versetzt und die Konkurrenz zum Zittern bringt. Das klingt zunächst nach einer üblichen Businessmeldung aus der Branche. Nur ist OpenAI kein übliches Start-up.

Das Unternehmen ist 2015 mal als Non-Profit angetreten, ein nicht-kommerzielles Forschungslabor mit dem hehren Ziel, die erste „echte“ Künstliche Intelligenz zu entwickeln und sie dem Wohle der Menschheit unterzuordnen. „Unser Ziel ist es, die digitale Intelligenz so voranzutreiben, dass sie der Menschheit als Ganzes zugute kommt, und zwar unabhängig von der Notwendigkeit, einen finanziellen Gewinn zu erzielen.“ So schrieben es sich die Gründer einst in ihr Manifest. Die erste Milliarde als Startkapital lieferten damals Tech-Milliardäre wie Peter Thiel und Elon Musk.

Als außenstehende Person kann man das schon etwas verwirrend finden: Wie wurde aus einem Non-Profit mit dem Ziel, der Menschheit mithilfe von KI zu dienen, eines der wertvollsten Start-ups der Welt?

Ohne Rechenleistung läuft nichts

Microsoft und OpenAI sind schon länger finanziell im Geschäft. Schon 2019 investierte der Tech-Konzern eine Milliarde in OpenAI, 2021 schoss er weiteres Geld zu. Für Microsoft bedeutet der Zugang zu den Produkten von OpenAI einen Vorteil vor der Konkurrenz: Google, Amazon und Meta arbeiten ebenfalls an KI-Modellen, die auf einen kurzen Befehl hin Texte, Bilder oder Antworten auf Fragen ausspucken.

In einem Blogpost erklärte Microsoft, dass es mit seiner Investition die Forschung von OpenAI beschleunigen will und die KI-Systeme von OpenAI in Zukunft in seine eigenen Produkte übernehmen wird. Unter anderem hat Microsoft vor, ChatGPT in seine Suchmaschine Bing einzubauen. Auch Word, PowerPoint oder Outlook sollen mit der Chat-KI ausgestattet werden.

OpenAI wiederum braucht für sein selbst gestecktes Ziel, als erstes Forschungslabor eine sogenannte starke, mit menschlichen Fähigkeiten vergleichbare künstliche Intelligenz zu entwickeln, vor allem eines: Rechenleistung. Sprachsysteme wie ChatGPT oder auch der Text-zu-Bild-Generator DALL-E- 2, den Open AI vergangenes Jahr veröffentlichte, sind vor allem deswegen so gut, weil sie mit Abermillionen von Texten und Bildern trainiert wurden. Das erfordert eine immense Rechenleistung. Und auch der Betrieb der Dienste, die täglich von Millionen Menschen genutzt werden, wäre ohne das Geld und die Cloud-Server von Microsoft nicht möglich.

OpenAI beginnt den Spagat

Intern scheint der Wandel bei OpenAI schon vor vielen Jahren begonnen zu haben. Bereits 2017 hatte der Leiter der Forschungsabteilung festgestellt, dass die hehren Ziele von OpenAI nur erreicht werden könnten, wenn man mit der finanzstarken Konkurrenz  – Google, Meta, aber auch die chinesischen Labore von Tencent oder Baidu – und deren Rechenstärke mithalten kann. Dafür brauche das Non-Profit vor allem schnell Geld.

2019 wurde das Finanzierungsmodell daraufhin angepasst und OpenAI begab sich fortan in eine Art Spagat: Geld verdienen und dabei doch den eigenen Zielen treu bleiben. Das Unternehmen, das angetreten war mit der Überzeugung, dass die mächtigsten Technologien nicht in den Händen von Tech-Konzernen liegen sollten, zeigte sich nun kompromissbereiter.

Konkret bedeutete das: Neben dem Non-Profit schuf OpenAI einen kommerziellen Arm, OpenAI LP, der die Produkte vermarkten und Investorengeld einsammeln sollte. Die Aufsicht darüber hat weiter ein Beirat, der zum Non-Profit gehört. Nicht alle Mitarbeiter:innen waren glücklich mit dieser Entwicklung. Über all das berichtete damals eine Reporterin des MIT Technology Review, die monatelang mit der Führungsriege und Mitarbeiter:innen gesprochen hatte.

Microsoft-Gewinne „gedeckelt“ bei einer Billion

Kurz nach der Umstellung im Jahr 2019 verkündete OpenAI damals die erste Milliarden-Investition von Microsoft – ein Teil davon bedeutete schlicht, dass Microsoft seine Cloud-Server zur Verfügung stellte, damit OpenAI darauf Modelle trainieren konnte. Microsoft sicherte sich außerdem das Recht, die Entwicklungen von OpenAI zu lizenzieren.

Auch nun soll ein Teil der 10 Milliarden US-Dollar in Form von Gutschriften fürs Cloud-Computing fließen, berichtet Bloomberg. Die besondere Struktur von OpenAIs kommerziellem Zwilling bedeutet außerdem, dass Microsofts Gewinne gedeckelt sind: Microsoft kann demnach insgesamt maximal das Hundertfache seiner Investition zurück bekommen. Bei einer Summe von 10 Milliarden wären das eine Billion US-Dollar – eine Summe, die man sich kaum vorstellen kann. Schon bei der Ankündigung des „Deckels“ für den kommerziellen Arm im Jahr 2019 fragten Nutzer:innen im Fachforum auf Hacker News, ob man in so einem Fall überhaupt noch von einer Deckelung sprechen könne.

In der Höhe dieses Deckels steckt damit auch ein Selbstverständnis: OpenAI geht offenbar davon aus, dass es einmal eines der wertvollsten und mächtigsten Unternehmen der Welt werden könnte.

Was OpenAI erreichen will

Das erklärte Ziel von OpenAI bleibt auch nach der Milliardenspritze das gleiche: Das Unternehmen will als erstes eine sogenannte Artificial General Intelligence (AGI) schaffen. Gemeint ist damit ein System, das Menschen bei allen Aufgaben überlegen sein soll – etwas, wovon die Chefs von OpenAI selbst sagen, dass sie noch nicht wissen, wie es am Ende genau aussehen wird.

In der KI-Forschung gibt es derzeit verschiedene Theorien dazu, ob und wie man eine solche Intelligenz entwickeln kann und wie lange so etwas dauern würde. Einige Forscher:innen glauben, dass wir noch sehr weit von einem solchen Ziel entfernt sind, und dass es mit den derzeitigen Technologien sowieso nicht zu erreichen sei. Es brauche erst eine neue, noch unbekannte Erfindung. Vermenschlichende Begriffe wie „Künstliche Intelligenz“ können außerdem davon ablenken, dass es sich bei aktuellen KI-Systemen vor allem um ausgefeilte Rechenprogramme handelt.

Eine andere Schule glaubt, dass man das sehr wohl mit den heute schon existierenden Technologien des Deep Learning zur Erkennung von Sprache, Texten und Bildern hinbekommen könne. Es gehe nur noch darum, die verschiedenen Modelle immer größer zu skalieren und miteinander zu kombinieren.

OpenAIs Strategie verfolgt genau diesen Ansatz: Der Forschungsleiter hatte ihn als ein „Portfolio von Wetten“ beschrieben. Verschiedene Teams arbeiten intern an Projekten, und treten mit unterschiedlichen Theorien in einer Art Wettbewerb gegeneinander an. Wird das Sprachmodell-Team es zuerst schaffen oder die Robotik? Nicht alle Wetten seien dabei gleich aussichtsreich, aber alle werden einmal durchgespielt. Am Ende soll aus den vielen Teams ein großes werden, in dem alle am gemeinsamen Ziel arbeiten: Artificial General Intelligence.

Während die Öffentlichkeit noch von ChatGPT und dem Bildgenerator DALL-E-2 beeindruckt ist, werkelt OpenAI hinter verschlossenen Türen weiter an einem großen Wurf. Die Erzählung einer großen Vision ist dabei gewiss nicht ganz unpraktisch, um Investor:innen an sich zu binden. Doch während das Unternehmen jahrelang mit Ankündigungen im großen Stil den Hype und seine Forschungsergebnisse befeuert hat, ist man derzeit eher bemüht, die Erwartungen zu dämpfen. Mitgründer und Chef Sam Altman sagte zuletzt, er wünsche sich weniger Hype.


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