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Neues aus dem Fernsehrat (79): (Nicht nur) Wahlberichterstattung frei lizenziert für alle

Screenshot Bild TV überträgt ARD und ZDF

Das Netz war voller Hohn: Ausgerechnet „Bild TV“, der neue Sender aus dem Hause Axel Springer, übernahm auf dem Höhepunkt der Wahlnacht immer wieder Bilder der ansonsten von Bild heftig kritisierten öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF. Wegen der unterschiedlichen Ergebnisprognosen – ARD mit SPD und CDU/CSU gleich auf, ZDF näher am Endergebnis – war das zeitweilige Nebeneinander von ARD- und ZDF-Hochrechnungen dabei durchaus informativ. Öffentlich-rechtlicher Binnenpluralismus in der Auslage von Bild TV.

Die Übernahme der öffentlich-rechtlichen Signale war offenbar ohne Genehmigung der Öffentlich-Rechtlichen erfolgt. In einer Stellungnahme gegenüber dem NDR-Medienmagazin Zapp rechtfertigte man sich bei Bild wie folgt, ohne auf den Vorwurf einer Urheberrechtsverletzung einzugehen:

Die Bundestagswahl war ein zeithistorischer Moment. Wir haben im Rahmen unserer aktuellen Wahlberichterstattung die stark unterschiedlichen Prognosen mit klarem Quellenhinweis live zitiert und ausgewählte Sequenzen aus der ‚Berliner Runde‘ übernommen und für unsere Zuschauer eingeordnet. Bei diesem Gesprächsformat handelt es sich um ein nachrichtliches Ereignis von überragender Bedeutung, das von ARD und ZDF als gebührenfinanzierter Rundfunk zentral veranstaltet wird, aber auch für Menschen relevant ist, die sich am Wahlabend auf anderem Wege informieren möchten.

In der Tat stellt sich bei öffentlich-rechtlicher Berichterstattung über zeithistorische Ereignisse die Frage, warum diese Bilder nicht ganz allgemein unter freien Lizenzen bereitgestellt werden. Auf diese Weise könnten nämlich nicht nur Bild TV, sondern auch freie Medien, Wissensplattformen wie die Wikipedia oder auch Blogger:innen die Bilder nutzen. Wikimedia Deutschland kritisierte in einer Aussendung deshalb auch, dass „die Nutzung von Bildern der ‚Elefantenrunde‘ nur mit extra angefragter Erlaubnis möglich ist.“

Mit freien Lizenzen neue Zielgruppen erreichen

Freie Lizenzen bieten sich vor allem für solche öffentlich-rechtlichen Eigenproduktionen an, bei denen es üblicherweise keine nachfolgende Verwertungskaskade mehr gibt – also Informationsinhalte, Magazine, Talkshows und dergleichen. Hier verlieren die öffentlich-rechtlichen Sender bei freier Lizenzierung keine Einnahmen aus Zweit- oder Drittverwertung, erreichen aber mehr Menschen mit ihren Inhalten. Das ZDF hat mit der Doku-Reihe Terra X bereits gezeigt, dass sich zum Beispiel via Wikipedia neue Zielgruppen erschließen lassen. 

In einem allerersten Schritt könnte das ZDF (und die ARD) zumindest davon absehen, für simple Ergebnisdiagramme die restriktivste aller Creative-Commons-Lizenzen CC BY-NC-ND vorzusehen. Wie bereits nach der Bundestagswahl 2017 kritisiert, ist damit selbst ein bloßes Beschneiden des Bildes – wie ich es mit dem untenstehenden Ausschnitt getan habe – eine Lizenzverletzung.

Ausschnitt von Wahlergebnis-Grafik mit CC-Lizenz
Dieser Ausschnitt widerspricht der CC-Lizenz des Bildes, dürfte aber vom allgemeinen Zitatrecht des Urheberrechts gedeckt sein.

Was ich damals geschrieben habe, kann ich als 2021 nur noch einmal wiederholen:

Diese Lizenzwahl ist schwer nachzuvollziehen und verhindert beispielsweise auch, dass die Bilder in die Wikipedia beziehungsweise Wikimedia Commons eingestellt werden können. Kein Grund kann jedenfalls die Angst vor Manipulationen sein, denn auch Lizenzen, die eine Bearbeitung zulassen (zum Beispiel CC-BY oder CC-BY-SA), erfordern die Offenlegung von Bearbeitungen – ganz abgesehen davon, dass sachliche Richtigkeit ohnehin kein Gegenstand einer urheberrechtlichen Lizenz sein kann.

Klarerweise können frei lizenzierte Inhalte auch von kommerziellen Anbietern wie Bild TV genutzt werden. Das gilt aber für alle Formen von öffentlich finanzierten Wissensgütern wie zum Beispiel bei Open Data oder Open Science. Wenn die Nutzung nicht nur auf eigenes rechtliches Risiko wie im aktuellen Fall von Bild TV, sondern offiziell via freier Lizenz ermöglicht wird, sind viele neue Nutzungsweisen und -formate zu erwarten. Die öffentlich-rechtlichen Medien wiederum würden auf diese Weise ihren Grundversorgungsauftrag digital erneuern.


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