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Mauernde Behörden: Das Drama um Luxemburgs illegale Zebrastreifen

Wie gefährlich sind Luxemburgs Zebrastreifen wirklich? Seit mehr als zwei Jahren kämpfen die Aktivist*innen vom „Zentrum für urbane Gerechtigkeit“ für Transparenz. Auf dem 37. Chaos Communication Congress zeigen sie, warum ihre Geschichte auch außerhalb Luxemburgs relevant ist – und was Interessierte mit Hilfe offener Daten herausfinden können.

Abstrakte Illustration im Bauhaus-Stil. Eine Figur geht über einen Zebrastreifen.
Luxemburgs Zebrastreifen stehen für etwas Größeres (Symbolbild) CC0 DALL-E-3 („undercover agent, zebra crossing, bauhaus style reduced minimalist geometric shape“)

Es stimmt etwas nicht mit den Zebrastreifen in Luxemburg, der Hauptstadt des gleichnamigen Großherzogtums westlich von Rheinland-Pfalz. Da sind sich die Aktivist*innen vom Zentrum für urbane Gerechtigkeit rund um Thorben Grosser sicher. Seit mehr als zwei Jahren ringen sie mit den zuständigen Behörden. Im September 2024 soll der Konflikt sogar bis zum Verwaltungsgericht eskalieren.

Knapp 500 der rund 1.800 Zebrastreifen in Luxemburg entsprechen nicht den Vorgaben, wie die Aktivist*innen herausgefunden haben. Der Vorwurf: Auto-Parkplätze im direkten Umkreis sollen die Sicht auf Fußgänger*innen versperren. Das gefährde nicht nur Menschen, die über die Straße gehen wollen, sondern verstoße auch gegen die luxemburgische Straßenverkehrsordnung. Die Stadt sieht das ganz anders, wie Grosser berichtet. Sie halte nur 37 Zebrastreifen für fragwürdig. Und sie weigere sich beharrlich, interne Dokumente herauszurücken, die das belegen.

Von ihrem bis heute andauernden Kampf haben Grosser und sein Mitstreiter Federico am heutigen Donnerstag auf dem 37. Chaos Communication Congress in Hamburg berichtet. Auf den ersten Blick könnte man die Geschichte von Luxemburgs (mutmaßlich) illegalen Zebrastreifen für eine kleine Lokalgeschichte halten. Welche überregionale Bedeutung haben schon die Fußgängerüberwege einer Stadt mit rund 133.000 Einwohner*innen? Doch hinter dem Engagement der beiden Entwickler steckt etwas Größeres. Es geht um die „schleichende Intransparenz“ des Staates, wie Grosser erklärt. Und darum, dass Angriff die beste Verteidigung sei.

25.000 Datenpunkte gesammelt

Screenshot von Zebrastreifen-Tinder.
Ein Tinder für Zebrastreifen. - Zentrum für urbane Gerechtigkeit

Am Anfang stand eine Recherche mit offenen Daten und der Fleiß einer engagierten Community. Denn die rund 1.800 Luxemburger Zebrastreifen haben die Aktivist*innen nicht zu Fuß erkundet. Das Projekt OpenStreetMap lieferte die genaue Position der Zebrastreifen; dank das Werkzeugs Overpass Turbo ließ sich das Kartenmaterial systematisch durchforsten. Hochauflösende Satellitenaufnahmen kamen vom Staat Luxemburg selbst, und zwar von der Website geoportail.lu.

Um die Zebrastreifen zu überprüfen, haben die Aktivist*innen eine App nach dem Tinder-Prinzip entwickelt: Auf dem Bildschirm erschien die Satellitenaufnahme eines Zebrastreifens und ein Kreis mit einer Größe von fünf Metern. Dieser Kreis ließ sich frei verschieben. Auf diese Weise konnten Freiwillige überprüfen, ob rund um einen Zebrastreifen genügend Freiraum ist, wie das Gesetz es verlangt – oder ob sich dort Kennzeichnungen für Parkplätze befinden.

Etwa 25 Helfer*innen haben dieses Zebrastreifen-Tinder gespielt. Dabei haben sie 25.000 Datenpunkte gesammelt, wie Federico berichtet. Um Fehler zu vermeiden, mussten für jeden Zebrastreifen mindestens fünf voneinander unabhängige Bewertungen vorliegen. Das Ergebnis: 475 Zebrastreifen sind augenscheinlich nicht konform mit dem Gesetz.

Dokumente über Zebrastreifen angeblich vertraulich

Die Stadt Luxemburg kommt zu einem anderen Ergebnis, möchte dazu aber keine internen Unterlagen vorlegen. Eine Anfrage der Aktivist*innen nach dem Informationsfreiheitsgesetz blieb erfolglos, wie Grosser und Federico berichten. Solche Gesetze gibt es auch in Deutschland. Eigentlich verpflichten sie staatliche Stellen dazu, Informationen offenzulegen. Nur in Ausnahmefällen dürfen sie solche Anfragen zurückweisen.

Ein solcher Ausnahmefall sind nach Auffassung der zuständigen Behörden offenbar die Papiere über Luxemburgs Zebrastreifen. Sie würden als vertraulich betrachtet, wie Federico berichtet. Es gehe um den Schutz personenbezogener Daten und ums Urheberrecht.

Das macht den Fall zu einem anschaulichen Beispiel für staatliche Intransparenz. Zahlreiche Fälle aus der Vergangenheit, auch außerhalb von Luxemburg, zeigen: Solche Begründungen sind typisch dafür, wenn Behörden keine Dokumente herausrücken wollen. Wenn sie versuchen, Bürger*innen das Recht auf Informationsfreiheit zu verwehren. Im Zweifel müssen Gerichte entscheiden, ob Dokumente wirklich vertraulich sind oder nicht.

Genau das steht nun auch den Aktivist*innen bevor. Per Crowdfunding haben sie zunächst Geld gesammelt; innerhalb weniger Wochen seien etwa 8.000 Euro zusammengekommen. Genug für einen Anwalt und eine Klage vor dem Verwaltungsgericht. Der Showdown vor Gericht steht noch bevor: Im September 2024 – dem vierten Jahr des Zebrastreifen-Dramas – soll der Termin sein. „Das Ganze dauert einfach furchtbar lange“, sagt Frederico.

„Ermutigung von uns für euch alle“

Aus einer Recherche über Zebrastreifen ist also ein Kampf gegen mauernde Behörde geworden – und für Informationsfreiheit. Die Aktivist*innen vom Zentrum für urbane Gerechtigkeit hoffen derweil, dass auch andere an ihre Arbeit anknüpfen. Mit Luftbildern und Daten von OpenStreetMap lassen sich ähnliche Recherchen auf der ganzen Welt starten, wie Federico erklärt. „Darum auch die Ermutigung von uns für euch alle: Wenn ihr so was macht, kontaktiert uns, wir helfen gerne.“

Wer sich für Transparenz und Informationsfreiheit engagieren will, brauche aber einen langen Atem. Federico empfiehlt, öffentlich sichtbar zu arbeiten und sich Hilfe von Anwält*innen zu holen. „Wenn man sich als Einzelner oder auch als kleine Gruppe gegen eine Verwaltung oder einen Staat stellt, dann ist man einfach an der schwächeren Position“, gesteht Federico ein. Er sagt aber auch: „Man findet immer Verbündete“. Ob beim Coding oder beim Crowdfunding: „Es gibt Leute, die euch unterstützen wollen“.


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