Mit seinem weit verbreiteten Heim-Überwachungssystem sammelt Amazon auf seinen Servern umfangreiches Videomaterial. Ohne Rechtsgrundlage gibt das Unternehmen die Daten an die Polizei weiter, wenn diese danach fragt.
Dass Amazon und sein Heim-Überwachungssystem Ring eine besonders enge Verbindung zur Polizei pflegen, ist seit langem bekannt. Im Sommer stellte sich heraus: Die Nähe geht so weit, dass das Unternehmen Daten von Ring-Nutzer:innen, zum Beispiel Videoaufzeichnungen, auch ohne richterliche Anordnung an die Polizei in den USA herausgibt. Jetzt zeigt das Handelsblatt [€]: Die umstrittene Praxis findet auch in Deutschland statt.
Die Daten würden weitergegeben, „wenn die Strafverfolgung eine unmittelbare Bedrohung nachweisen kann und die Zeit drängt“, sagte ein Amazon-Sprecher der Zeitung. Dies komme jedoch nur selten vor. Wie oft genau, wollte Ring dem Handelsblatt nicht sagen. In den USA bietet das Unternehmen für diesen Zweck eine eigene Schnittstelle an, über die Polizist:innen mit einem einfachen „Notfall“-Knopf schnell an die Videoaufzeichnungen gelangen können.
Amazon-Angestellte und die Polizei schauen zu
Ring stellt sogenannte smarte Systeme zur Videoüberwachung an der eigenen Haustür her, die mit dem Smartphone bedient und mit dem Türöffner gekoppelt werden können. Auch Geräte zur Überwachung innerhalb von Wohnungen gehören zum Repertoire. 2018 von Amazon aufgekauft, sind die Heimüberwachungsprodukte von Ring in den USA in den vergangenen Jahren sehr populär geworden. In einer gemeinsamen Marketing-Kampagne hatte die US-Polizei immer wieder explizit für Ring und die zugehörige Neighbors-App des Unternehmens geworben.
Mittlerweile sind die Überwachungssysteme von Ring auch in Deutschland und Europa verbreitet. Das anfallende Material weckt jedoch nicht nur bei Ermittlungsbehörden Interesse. So will Amazon etwa eine Fernseh-Show mit kuriosen Aufnahmen aus den Überwachungskameras ausstrahlen. Pikant an dem System ist zudem, dass die Aufzeichnungen der Kameras auf Amazon-Servern liegen und standardmäßig nicht Ende-zu-Ende-verschlüsselt sind.
Das Unternehmen ist anhaltender Kritik ausgesetzt, weil es die Aufnahmen nicht ausreichend schützt. Amazon musste etwa eingestehen, dass Mitarbeiter:innen unbefugt auf die Videos von Kund:innen zugegriffen haben. Außerdem klagt die US-Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation, weil Ring Aufnahmen herausgab, die die privaten Überwachungskameras von Black-Lives-Matter-Demonstrationen gemacht hatten.
Kritik an fehlender Rechtsgrundlage
In dem Handelsblatt-Artikel kritisieren der SPD-Digitalpolitiker Jens Zimmermann und der baden-württembergische Datenschutzbeauftragte, Stefan Brink, das Unternehmen. „Kritisch dürfte vor allem die anlasslose, längere Speicherung und Verarbeitung der Aufnahmen ohne Einwilligung sein“, so Zimmermann. Besucher:innen könnten kaum erwarten, dass ihre Daten auf Dauer von Amazon gespeichert werden, wenn sie einfach nur an einer Haustür mit Ring klingeln.
Auch Datenschützer Brink warnt das Unternehmen vor Rechtsverletzungen. „Von der eigenmächtigen Herausgabe ihrer Daten betroffene Kunden können sich bei der Datenschutz-Aufsichtsbehörde über solche Unternehmen beschweren, denen Untersagungen, Bußgelder und Schadensersatzpflichten drohen.“
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