Ticker

6/recent/ticker-posts

Ad Code

Responsive Advertisement

Frankreich: Selbstgemachte Ersatzteile aus dem 3D-Drucker

Die deutsche Politik unternimmt erste zaghafte Schritte hin zu einem Recht auf Reparatur. Das Nachbarland Frankreich wagt hingegen einen geradezu revolutionären Vorstoß: Die dortige Regierung hat das 3D-Drucken von Ersatzteilen erlaubt und zeigt damit, wie eine fortschrittliche und nachhaltige Politik aussehen kann.

3D-Drucker bei der Arbeit Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Rob Wingate

Medien haben 3D-Drucker in den vergangenen Jahren immer wieder als subversive Zukunftstechnologie gefeiert. Viel ist aus dieser Vision hierzulande nicht geworden. Dabei könnten die Maschinen gerade bei der Reparatur von technischen Geräten eine wichtige Rolle übernehmen. Denn ein großes Problem ist hier die Verfügbarkeit und der Preis von Ersatzteilen.

Selbstgedruckte Ersatzteile sind in der Regel günstig, steigern die Verfügbarkeit und könnten dafür sorgen, Technik länger in Betrieb zu halten. Im hiesigen Diskurs wird dieses Potential bislang verkannt. Dabei könnte sich die Bundesregierung ein Beispiel am Nachbarland Frankreich nehmen – das vor knapp einem Jahr eine geradezu revolutionäre Gesetzesreform verabschiedete.

Deutschland: Kleine Schritte hin zu einem Recht auf Reparatur

Erste Schritte sind hierzulande zwar erfolgt, allerdings nur zögerlich. Das soll sich nun ändern. Das kommende Jahr will die Bundesregierung dem Thema “Recht auf Reparatur” widmen. Schon jetzt warten etwa der Runde Tisch für Reparatur oder der Sachverständigenrat für Verbraucherfragen sehnsüchtig auf dessen Umsetzung. Letzterer hatte im September einen Policy Brief an das BMUV übergeben, der auch Antworten einer strukturierten Befragung von Verbraucher:innen enthält. Das Ergebnis zeigt, „dass in Deutschland noch erhebliche Potentiale in Bezug auf die Sensibilisierung und Befähigung der Verbraucherinnen und Verbraucher für das Reparieren bestehen.“ Der Sachverständigenrat empfiehlt daher, diesen Misstand zu beheben und Ersatzteile gesetzlich auch Konsument:innen für die DIY-Reparatur zur Verfügung zu stellen. Außerdem plädiert er dafür, die Handlungsspielräume der Mitgliedsstaaten zu erhalten und nicht einen EU-weiten „One-size-fits-all-Ansatz“ durchzusetzen. Doch noch kommt das Thema nur schleppend voran. Denn die Bundesregierung hält sich mit weiteren Initiativen zurück und wartet stattdessen auf EU-Initiativen.

Zuletzt einigten sich die EU-Staaten und die EU-Kommission auf neue Regeln für Smartphones. Das sind wichtige Schritte hin zu langlebigeren Produkten. Allerdings beziehen sich diese Regelungen auf Produkte, die in der Zukunft verkauft werden. Am Status quo ändert sich dadurch erst einmal wenig. Wie aber halten wir die zahlreichen Geräte in Gebrauch, die schon jetzt im Umlauf sind? Und wie halten wir den Preis für entsprechende Ersatzteile so niedrig, dass sich Reparaturen auch lohnen?

Frankreich als europäische Avantgarde

Und gerade hier kommt Frankreich ins Spiel, das Antworten auf diese Fragen gegeben und damit einen anderen Weg als Berlin eingeschlagen hat.

Am 1. Januar 2022 trat dort ein neuer Artikel im Verbrauchergesetzbuch in Kraft, der weitreichende Folgen haben kann. Artikel L111-4 verpflichtet Hersteller zum einen dazu, verbindliche Auskünfte über die Verfügbarkeit von Ersatzteilen zu geben. Damit lässt sich kontrollieren, ob die vorgeschriebene Verfügbarkeit von Ersatzteilen von den Herstellern auch eingehalten wird. Zum anderen schreibt das neue Verbrauchergesetz vor, dass die Fertigungszeichnung eines Ersatzteils vom verantwortlichen Unternehmen zur Verfügung gestellt werden muss. Das gilt dann, wenn es auf dem Markt nicht mehr verfügbar ist und mithilfe eines dreidimensionalen Druckverfahrens hergestellt werden kann.

Diese Regel ist schlichtweg revolutionär. Denn dadurch öffnet Frankreich den Markt für Ersatzteile all jenen, die über geeignete 3D-Drucker verfügen. Zugleich löst es die klare Unterscheidung von Produzierenden und Konsumierenden auf. Denn wer über einen 3D-Drucker verfügt, kann damit anhand von Fertigungszeichnungen selbst Ersatzteile produzieren.

Die Regelung ermöglicht es also, Ersatzteile on demand – bei Bedarf – zu fertigen, lokal vor Ort, wo sie auch benötigt werden. Die dezentrale Produktion hat auch Vorteile für die Hersteller: Sie können einen Teil der Ersatzteilverfügbarkeit mit all ihren Kosten auslagern – an Firmen, die darauf spezialisiert sind, oder an offene Werkstätten, in denen sich Bürger:innen ihre Ersatzteile selbst herstellen. Das ist insbesondere bei älteren Produkten attraktiv, für die sich das Vorhalten von Ersatzteilen aus Sicht der Unternehmen nicht mehr rentiert.

Offene Hardware

Der Vorstoß ist ein Beispiel dafür, welche Rolle offene Hardware im Wirtschaftssystem spielen kann. Open-Source-Hardware ist ein Ansatz des Technologietransfers, bei dem Hardware-Designs öffentlich zugänglich gemacht werden, so dass alle sie nutzen, verändern und vermarkten können.

Gerade wenn wir alle nachhaltiger wirtschaften und konsumieren möchten, ist es sinnvoll, lokaler und in Kreisläufen zu wirtschaften, Produkte anzupassen und effektiver zu verwerten. Ein offener Ansatz ist dafür besonders effektiv. Denn Technologien, die darauf ausgerichtet sind, lassen sich erheblich leichter in zirkuläre Systeme integrieren, etwa dann, wenn sich einzelne Teile aufgrund eines offenen Designs und einer guten Dokumentation an die Verfügbarkeit von regionalen Materialien anpassen lassen.

Der Vorstoß aus Frankreich zeigt, wie eine ökologisch nachhaltige und verbraucherfreundliche Politik aussehen kann. Noch bleibt allerdings abzuwarten, wie sich die neue Regelung bewährt, die das Veröffentlichen von 3D-Designs vorschreibt. Denn das Gesetz ist zwar seit Januar 2022 in Kraft, aber seit mehr als 11 Monaten teilweise unwirksam, da wichtige Dekrete noch unveröffentlicht wurden. Sie regeln Begrifflichkeiten und müssen zunächst vom französischen Wirtschaftsministerium geschrieben werden. Hier scheint es aber zu haken, unter anderem weil eine notwendige Definition von Produktgruppen noch aussteht, schreibt die Initiative „3D-Reparieren“ in ihrem Policy Brief „3D-gedruckte Ersatzteile für die Reparatur“.

Trotz des noch offenen Prozesses sollte Deutschland es seinem Nachbarland gleichtun. Denn offene Fragen lassen sich gemeinsam leichter lösen. Und ohne experimentellen Veränderungswillen werden zirkuläre Systeme und damit nachhaltige Wirtschaftsweisen ihr Potential nicht entfalten können.


Die Arbeit von netzpolitik.org finanziert sich zu fast 100% aus den Spenden unserer Leser:innen.
Werde Teil dieser einzigartigen Community und unterstütze auch Du unseren gemeinwohlorientierten, werbe- und trackingfreien Journalismus jetzt mit einer Spende.

Enregistrer un commentaire

0 Commentaires