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Dateninstitut: Versprechen auf Gemeinwohl aus der Start-Up-Garage

Die Gründungskommission des Dateninstituts hat heute auf dem Digitalgipfel ihren Empfehlungsbericht vorgestellt und an die Bundesminister:innen Robert Habeck und Nancy Faeser übergeben. Alle Seiten betonten, dass das Dateninstitut das Gemeinwohl im Blick haben werde. Wie das aber – ohne Beteiligung der Zivilgesellschaft – erreicht werden soll, ist völlig offen.

Illustration mit menschlichen Köpfen und Daten und Verbindungen zwischen diesem
Verschiedene Stakeholder soll das neue Dateninstitut der Bundesregierung miteinander vernetzen (Symbolbild) – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Ikon Images

Zum Auftakt des zweiten Tages des Digitalgipfels hat Bundesdigitalminister Volker Wissing (FDP) dazu aufgerufen, eine „neue Datenkultur“ zu etablieren. Die Richtung soll das neue Dateninstitut weisen, für das die Gründungskommission heute auf dem Digitalgipfel einen gut 20-seitigen Bericht mit Empfehlungen (PDF) vorgestellt und symbolisch an die Bundesminister:innen Robert Habeck (Grüne) und Nancy Faeser (SPD) übergeben hat.

Laut den zuständigen Ministerien soll das Institut „Datenverfügbarkeit und Datenstandardisierung vorantreiben sowie Datentreuhändermodelle und Lizenzen etablieren“. Dabei soll es helfen, die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Potenziale von Daten besser auszuschöpfen, so der Wunsch von Innen- und Wirtschaftsministerium.

Auf der Veranstaltung sprach sich die fünfköpfige Gründungskommission für einen niedrigschwelligen Ansatz aus: Man wolle mit Use-Cases beginnen, die keine Gesetzesänderung benötigen und so – statt Organigramme zu zeichnen – schnell über einen praktischen Nutzen einsteigen.

In der Pressemitteilung aus den Ministerien heißt es dazu, dass die Gründungskommission drei exemplarische Use-Cases identifiziert habe, bei denen Verbesserungspotenzial hinsichtlich des Zugangs, Teilens und der Standardisierung von Daten bestehe. Die Anwendungsfälle kommen aus den Bereichen der Mobilitäts- und Gesundheitsdaten sowie der stärker referenzbasierten politischen Entscheidungen.

Das Dateninstitut als Start-up

Der Gründungskommission gehören fünf Personen an: die Unternehmerin Nicole Büttner-Thiel für die Wirtschaft, für die Zivilgesellschaft Stefan Heumann vom Think-Tank Stiftung Neue Verantwortung, die Rechtswissenschaftlerin Louisa Specht-Riemenschneider, der Makroökonom Andreas Peichl und Katja Wilken vom Statistischen Bundesamt für die Verwaltungsperspektive.

Menschen mit Papp-Plakat in der Mitte, das die Empfehlungen darstellen soll.
Symbolische Übergabe der Empfehlungen. - Alle Rechte vorbehalten BMI / Bundesfoto

Stefan Heumann betont die geteilte Vision des „diversen Gründungsteams“, nämlich das „Datenteilen über Sektorengrenzen“ hinweg. Laut Specht-Riemenschneider soll das Dateninstitut dabei vor allem dem Gemeinwohl dienen: Die Bereitstellung von Daten darf kein Selbstzweck sein, sondern muss der Gesellschaft zugutekommen. Nur so lässt sich das „reichte Datenökosystem“ auch sinnvoll nutzen, ergänzt Büttner-Thiel. Die Unternehmerin versteht das Institut vor allem als „Startup“, das klein „in der Garage“ beginne und dann „entlang der Use-Cases“ wachsen soll. Die Gründungskommission will daher auch „ins Tun kommen“, wie Andreas Peichl betont – und dabei dezidiert unabhängig agieren und nicht als „verlängerte Werkbank eines Ministeriums“ dienen.

Diesen Bottom-up-Ansatz lobt Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck auf gleicher Bühne: Indem die Kommission zunächst die zu lösenden Probleme definiere, könne das Dateninstitut auch am „Konkreten lernen“ und zugleich ein „ein Institut für die Regierung, für die Gesellschaft, für alle sein“. Bundesinnenministerin Faeser sekundiert und unterstreicht darauf einmal mehr das Ziel des Instituts, Daten im Sinne des Gemeinwohls möglichst schnell transparent verfügbar zu machen.

Zivilgesellschaft als Mangelware

Auf Grundlage der Empfehlungen der Kommission soll nun „in den nächsten Wochen“ das Gründungskonzept des Dateninstitutes erarbeitet werden, heißt es in der Pressemitteilung. Ob und wie das Gremium das vollmundige Versprechen auf Gemeinwohlorientierung einlösen wird, bleibt daher abzuwarten. Fest steht: Sollen Daten vorrangig nicht dem Profit, sondern der breiten Gesellschaft dienen, muss dafür die Zivilgesellschaft eingebunden werden. Eben davon war auf dem diesjährigen Digitalgipfel wenig zu sehen und zu spüren.

Stattdessen trifft man bei Veranstaltungen, in den die Bundesregierung die Umsetzung ihrer Digitalstrategie vorstellt, immer wieder auf altbekannte Gesichter: So gehören etwa Stefan Heumann und Louisa Specht-Riemenschneider nicht nur der Gründungskommission des Dateninstituts, sondern auch dem Beirat für die Digitalstrategie an. Und der Thinktank Agora Digitale Transformation, der für die Wirkungsmessung der Digitalstrategie verantwortlich ist, wird ebenfalls von Heumann geleitet.

Dabei besteht kein Zweifel, dass es hierzulande beim Thema Digitalisierung Expertise in Hülle und Fülle gibt. Man muss diese nur einbeziehen. Das Bündnis F5 fordert angesichts der wirtschaftspolitischen Ausrichtung von Digitalstrategie und Digitalgipfel einen digitalpolitischen Neustart: Künftig müsse „[f]ür jedes Treffen, jede Anhörung, jedes Panel, zu dem ein Unternehmen oder Wirtschaftsverband eingeladen wird, […] auch eine Einladung an die Zivilgesellschaft gehen.“ Dass die Podienbesetzung auf dem Digitalgipfel suggeriert, ausgerechnet das Thema Open Data könne vorrangig nur von Unternehmen abgebildet werden, zeige „ein falsches Verständnis des Open-Source-Ökosystems“.

Das ist wohl auch der verschleppten Debatte hierzulande geschuldet: Als zentrales Vorbild des deutschen Dateninstituts gilt das britische Open Data Institute (ODI) von World-Wide-Web-Erfinder Tim Berners-Lee. Es prägt bereits seit mehr als zehn Jahren und weit über Großbritannien Daten-Debatten wesentlich mit.


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