Ticker

6/recent/ticker-posts

Ad Code

Responsive Advertisement

Neues aus dem Fernsehrat (99) auf der #rp23: Von der Rundfunkbeitrags- zur Vergesellschaftungsdebatte

Warum muss ich für öffentlich-rechtliche Medien bezahlen, obwohl ich sie selbst nicht nutze? Wie groß ist der Unterschied zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Medien wirklich? Warum halbieren wir nicht einfach den Rundfunkbeitrag? Schlaglichter auf diese oft gestellten Fragen im Nachgang zur re:publica-Konferenz zum Thema „Cash“.

Bild vom rp23-Vortrag von Leonhard Dobusch
Thema auf der re:publica waren auch die Unterschiede zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Medien – Alle Rechte vorbehalten Jens Matheuszik

Die Serie „Neues aus dem Fernsehrat“ beleuchtet seit 2016 die digitale Transformation öffentlich-rechtlicher Medien. Hier entlang zu allen Beiträgen der Reihe.

Das Motto der diesjährigen re:publica-Konferenz war „Cash“, was mich zu einem vergleichsweise grundsätzlichen Vortrag inspiriert hat, der den Bogen vom Dauerbrenner Rundfunkbeitrag hin zu öffentlich-rechtlichen Medien als wichtigstem Beispiel für Vergesellschaftung in unserer Zeit schlägt. Eine Videoaufzeichnung ist bereits online, die Slides sind als PDF-Download verfügbar. Im folgenden deshalb kein Transkript des Talks, sondern Schlaglichter auf drei Fragen, die in der Debatte zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk immer wieder gestellt werden und im Vortrag Thema waren.

In diesem Fenster soll ein YouTube-Video wiedergegeben werden. Hierbei fließen personenbezogene Daten von Dir an YouTube. Wir verhindern mit dem WordPress-Plugin „Embed Privacy“ einen Datenabfluss an YouTube solange, bis ein aktiver Klick auf diesen Hinweis erfolgt. Technisch gesehen wird das Video von YouTube erst nach dem Klick eingebunden. YouTube betrachtet Deinen Klick als Einwilligung, dass das Unternehmen auf dem von Dir verwendeten Endgerät Cookies setzt und andere Tracking-Technologien anwendet, die auch einer Analyse des Nutzungsverhaltens zu Marktforschungs- und Marketing-Zwecken dienen.

Zur Datenschutzerklärung von YouTube/Google

Zur Datenschutzerklärung von netzpolitik.org

Warum muss ich für öffentlich-rechtliche Medien bezahlen, obwohl ich sie selbst nicht nutze?

Auch vor Einführung der Haushaltsabgabe 2013 war das wahrscheinlich eine der meistgestellten Fragen. Die Standardantwort darauf ist, dass öffentlich-rechtliche Medien einen Beitrag zur Vielfalt demokratischer Öffentlichkeit leisten, von der auch jene profitieren, die sie selbst nicht oder nur sehr selektiv nutzen.

Es gibt aber noch ein anderes Argument: Hochgradig arbeitsteilige Gesellschaften sind immer auch Solidargemeinschaften. Und in einer Welt mit maßgeblich über Werbung finanzierten Medien und Medieninfrastrukturen, finanzieren wir immer – ob wir wollen oder nicht – auch solche Angebote mit, die wir selbst nicht nutzen, ja vielleicht sogar massiv ablehnen. Auch wer, so wie ich, nie RTL II schaut, aber, so wie ich, eine Nintendo Switch gekauft hat, finanziert damit diesen Trash-TV-Sender mit (siehe dazu z. B. einen Buchbeitrag von Charleton et al.). Einfach, weil Nintendo im dortigen Kinderprogramm massiv Werbespots schaltet. Dasselbe gilt natürlich für werbefinanzierte Online-Plattformen.

Wir finanzieren also jedenfalls Medien, die wir nicht nutzen. Es macht aber einen Unterschied hinsichtlich Abhängigkeiten, Ausrichtung und Angebot, auf welche Weise Medien finanziert werden, mit jeweils unterschiedlichen Stärken und Schwächen. Wenn wir also schon Medien finanzieren, die wir nicht nutzen, dann ist es ein Vorteil, wenn wir das nicht nur vermittelt über den Markt, sondern auch vermittelt über demokratische Verfahren und Institutionen tun.

Wie groß ist der Unterschied zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Medien wirklich?

Anteil journalistischer Information in ÖRR und Privatsendern
Programmanteil journalistischer Information in öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehprogrammen - Alle Rechte vorbehalten Maurer et al. (2022)

Anhand von systematischen Programmanalysen lässt sich auch sehr gut belegen, dass öffentlich-rechtliche und private Medien zu sehr unterschiedlichen Programmprofilen führen. So liefern ARD und ZDF im Durchschnitt mehr als doppelt soviel journalistische Information wie die großen Privatsender RTL, Sat.1 und Pro7.

Noch größer ist der Unterschied bei den Themen, die in diesen journalistischen Programmsegmenten behandelt werden. Denn hier geht es bei den Privaten dann primär um „Human Touch: Zerstreuungs- und Angstthemen“. Politische Themen hingegen sind bei ARD und ZDF fast fünfmal so viel vertreten wie im Durchschnitt bei der privaten Konkurrenz. Die Öffentlich-Rechtlichen machen also nicht nur doppelt soviel Journalismus wie die Privaten, sie machen auch inhaltlich anderen Journalismus.

Themenstruktur journalistischer Information
Themenstruktur journalistischer Information in öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehprogrammen - Alle Rechte vorbehalten Maurer et al. (2022)

Warum halbieren wir nicht einfach den Rundfunkbeitrag?

Bleibt die Frage, warum sich öffentlich-rechtliche Medien nicht einfach auf genau diese Stärken im Bereich (politischer) Journalismus und Kultur konzentrieren, Unterhaltung aber den privaten Überlassen – und so eine radikale Kürzung des Rundfunkbeitrags ermöglichen. Die FDP in Nordrhein-Westfalen hat erst Ende letzten Jahres in einem Positionspapier die Halbierung des Rundfunkbeitrags gefordert.

Zunächst einmal bringen Unterhaltungsangebote sowohl linear als auch online Reichweite, die auf Informations- und Bildungsangebote einzahlen. Außerdem werden zentrale gesellschaftspolitische Fragen auch – wenn nicht sogar primär – in und über fiktionale Unterhaltungsformate verhandelt, was wiederum von demokratischer Relevanz ist.

Hinzu kommen aber auch handfeste ökonomische Konsequenzen für die Medien- und Kulturindustrie in Deutschland und Europa. Der Anteil an Eigen-, Auftrags- und Koproduktionen an fiktionaler Unterhaltung – von Krimi-Serien bis Fernsehfilmen – beträgt bei ARD und ZDF knapp 80 Prozent. Bei den größten Privaten sind es gerade einmal 8 Prozent, also ziemlich genau ein Zehntel. Auch wenn die Privaten einen höheren Anteil an Reality-TV-Formaten haben, die auch als Eigenproduktionen laufen, so ändert das nur wenig an diesem enormen Ungleichgewicht.

Dieses Ungleichgewicht hat massive Auswirkungen darauf, wo das Geld im Bereich fiktionaler Unterhaltung ausgegeben wird. Bei ARD und ZDF nämlich zu 92 Prozent in Deutschland und Europa, 82 Prozent entfallen allein auf Deutschland. Bei den großen Privatsendern hingegen entfallen gerade einmal 14 Prozent auf Deutschland und Europa, der Löwenanteil wandert vor allem in die USA.

Im Ergebnis profitieren deshalb auch private Medienanbieter von einem medien- und kulturindustriellen Ökosystem, das maßgeblich durch kontinuierliche und teilweise auch risikoreichere öffentlich-rechtlichen Nachfrage stabilisiert und weiterentwickelt wird.


Die Arbeit von netzpolitik.org finanziert sich zu fast 100% aus den Spenden unserer Leser:innen.
Werde Teil dieser einzigartigen Community und unterstütze auch Du unseren gemeinwohlorientierten, werbe- und trackingfreien Journalismus jetzt mit einer Spende.

Enregistrer un commentaire

0 Commentaires