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Selbstversuch: Wie gut schützt Ebay Kleinanzeigen Minderjährige vor sexualisierter Gewalt?

„Angriff auf unsere Kinder“, so hieß eine TV-Doku zu Übergriffen gegen Minderjährige auf Ebay Kleinanzeigen. Mehr als ein Jahr danach haben wir geschaut, was sich geändert hat. Vieles scheint besser, nicht alles ist perfekt.

Mutter und Tochter am Laptop
Auf Ebay Kleinanzeigen bieten auch Jugendliche ihre Dienste als Babysitter:innen an (Symbolbild) – Hintergrund: Imago / Westend61, Screenshot: Ebay Kleinanzeigen; Montage: netzpolitik.org

„Bitte pass auf dich auf“, schreibt uns eine Nutzerin auf Ebay Kleinanzeigen. Sie bietet dort ihre Dienste als Babysitterin an, genau wie wir. Und sie warnt uns vor sexualisierter Gewalt durch Fremde: „Die schreiben zum Beispiel: Kannst du mich wickeln?“ Eine andere Nutzerin habe mal diese Nachricht bekommen: „Kann ich dir deine getragenen Socken abkaufen?“ Aber das sei schon eine Weile her.

In den vergangenen Jahren hatten Nachrichtenmedien wie RTL und die Zeit über das Problem berichtet. Vor allem junge und minderjährige Frauen seien betroffen. RTL zufolge sei sexualisierte Gewalt bei Ebay Kleinanzeigen „an der Tagesordnung“. Ebay Kleinanzeigen hat seinen Sitz in Brandenburg und steht im Juli auf Platz 10 der meistbesuchten Websites in Deutschland, noch vor spiegel.de oder Twitter. Wir wollten wissen, ob es die Probleme dort immer noch gibt. Erhalten junge Nutzer:innen auf Ebay Kleinanzeigen weiterhin sexualisierte und übergriffige Nachrichten?

Für unseren Test haben wir im Frühjahr 2022 eigene Kleinanzeigen für Damenbekleidung und Babysitting veröffentlicht. Vorbild waren vergangene Recherchen anderer Medien. Auf einem Account haben wir uns als 16-jährige „Charlotte“ aus Berlin vorgestellt und drei Wochen lang ein Angebot für Babysitting in Berlin präsentiert. Als Profilbild nutzten wir das Porträt eines Mädchens von thispersondoesnotexist. Die Website zeigt täuschend echte, künstlich generierte Gesichter. Auf einem zweiten Account haben wir auch als „Charlotte“ drei Angebote für jugendliche Damenbekleidung veröffentlicht: ein Minirock, ein Spitzentop und ein bauchfreies Oberteil. Diese Anzeigen waren zwei Wochen lang online.

Das Ergebnis: Im Postfach unserer Test-Accounts ist keine einzige übergriffige Nachricht gelandet. Die teils alarmierenden Ergebnisse früherer Recherchen konnten wir nicht reproduzieren.

Ebay Kleinanzeigen überprüft jetzt Handynummern

Unser Versuch ist nur eine Momentaufnahme. Er schließt nicht aus, dass es weiterhin sexualisierte Gewalt auf der Plattform gibt. Aber die Beobachtungen sprechen dafür, dass sich etwas geändert hat. Wir haben mit anderen Nutzer:innen gechattet, die Kinderbetreuung auf Ebay Kleinanzeigen anbieten. Mit insgesamt 19 von ihnen kamen wir ins Gespräch. Fünf schrieben von übergriffigen, sexualisierten Nachrichten in der Vergangenheit. Es gab aber keine Hinweise, dass das Problem aktuell noch akut sei.

Ebay Kleinanzeigen hat nach eigenen Angaben im Sommer 2021 eine Handynummernpflicht für neue Accounts eingeführt. Das war nach den kritischen Medienberichten. Neue Nutzer:innen müssen bei der Registrierung also eine Telefonnummer angeben und per SMS bestätigen. Für Nutzer:innen in Deutschland heißt das, dass sie nicht mehr anonym sind. In der Regel muss man beim Kauf einer SIM-Karte Namen und Adresse vorlegen. Lassen sich damit übergriffige und gewaltsame Nutzer:innen abschrecken?

„Hemmschwelle erhöhen“

Wir haben den Kriminologen Thomas-Gabriel Rüdiger um eine Einschätzung gebeten. Er leitet das Institut für Cyberkriminologie der Polizei-Hochschule Brandenburg. Er schätzt, die Angabe einer Handynummer könnte die „Hemmschwelle für eine Tatbegehung“ erhöhen, da die Wahrscheinlichkeit einer Strafverfolgung steige. „Meiner Einschätzung nach kann gerade auf Plattformen, auf denen vorher vielleicht nur geringe Schutzmechanismen vorhanden waren, so eine Handynummern-Pflicht durchaus eine abschreckende Wirkung haben“, schreibt Gabriel-Rüdiger.

Jedoch sollte eine solche Maßnahme stets von weiteren begleitet werden, etwa Melde- und Hilfesystem und geschulten Mitarbeiter:innen, so der Kriminologe. Täter:innen würden sich dort aufhalten, wo die Wahrscheinlichkeit für eine potenzielle Kontaktaufnahme für sie am höchsten sei. Und auf Verkaufsplattformen treffe man Frauen und Jugendliche, schreibt Gabriel-Rüdiger mit Blick auf Ebay Kleinanzeigen.

Ebay Kleinanzeigen lässt sich nicht in die Karten schauen

Auf Anfrage von netzpolitik.org gibt Ebay Kleinanzeigen nur wenig Einblick in die eigenen Bemühungen. Ob die Handynummernpflicht sexualisierte Gewalt eingedämmt hat, beantwortet das Unternehmen nicht direkt. Genaue Zahlen teile man nicht. „Wir stellen jedoch fest, dass die Zahl entsprechender Vorfälle seit Einführung der SMS-Verifizierung zurückgegangen ist.“ Die Berichterstattung von unter anderem RTL habe dazu geführt, dass die SMS-Verifizierung „noch zügiger“ vorangetrieben wurde, schreibt ein Sprecher.

Aktuell gebe es noch nicht in allen Bereichen auf Ebay Kleinanzeigen eine Handynummernpflicht. Zuerst sei sie in Kategorien wie „Babysitter & Kinderbetreuung“ und „Nachhilfe“ eingeführt worden sowie für neu angelegte Accounts. Nun werde sie ausgeweitet. „Ziel ist es, alle Nutzerkonten auf diese Weise zu verifizieren“, schreibt der Sprecher. Bevor wir mit unseren Test-Accounts andere Nutzer:innen kontaktieren konnten, mussten auch wir eine Handynummer angeben.

Zuständige Bundeszentrale: „keine Hinweise auf Verstöße“

Nutzer:innen können Accounts auf Ebay Kleinanzeigen melden. Die Pressestelle schreibt: „Wir schließen auffällige Nutzer nicht nur vom Handel bei eBay Kleinanzeigen aus – Fälle, in denen der Anfangsverdacht einer strafbaren Handlung vorliegt, bringen wir zur Anzeige.“ Außerdem arbeite Ebay Kleinanzeigen mit automatisierten Filtern, um verdächtige Anzeigen und Nutzer:innen zu finden.

Für Kinder, Jugendliche und Eltern gebe es zudem eine eigene Themenseite. Dort gibt es Aufklärung, Ratschläge und Hilfsangebote. Nur – diese Themenseite haben wir selbst nicht gefunden, als wir auf Ebay Kleinanzeigen unterwegs waren. Weder unter „Alle Hilfethemen“, noch auf der FAQ-Seite. Die Pressestelle von Ebay Kleinanzeigen schreibt: „Wir weisen regelmäßig mittels aufmerksamkeitsstarker Banner auf unsere Informationsangebote hin.“ Ein solches Banner ist uns nicht begegnet.

Die Aufsicht über Kinder- und Jugendschutz bei Ebay Kleinanzeigen hat in Deutschland die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ). Sie gehört zum Geschäftsbereich des Familienministeriums. Die Bundeszentrale wacht über die Maßnahmen von Anbietern, dazu gehören etwa ein Beschwerde- und Hilfesystem. „Konkrete Hinweise auf Verstöße von Ebay Kleinanzeigen sind nicht bekannt“, schreibt eine Sprecherin auf Anfrage von netzpolitik.org.

Handynummernpflicht wirft neue Probleme auf

Die verpflichtende Angabe von Handynummern hat auch eine Kehrseite. Sie gefährdet die anonyme Nutzung des Internets und damit die Privatsphäre von Nutzer:innen. Als Verkaufsplattform hat Ebay Kleinanzeigen zwar eine andere Bedeutung als soziale Netzwerke oder Messenger. Vertrauliche Gespräche mit Familie und Freund:innen gibt es hier wohl nicht. Im Mittelpunkt steht die Suche nach Schnäppchen und interessierten Käufer:innen. Dennoch: „Das freie Internet lebt davon, dass Nutzer_innen sich frei und unkontrolliert darin bewegen können“, schreibt ein Sprecher des Landesdatenschutzbeauftragen Baden-Württemberg auf Anfrage von netzpolitik.org.

Hier sei eine gesellschaftliche Debatte enorm wichtig. „Je mehr Menschen von sich preisgeben müssen, um einen Dienst zu nutzen, desto wahrscheinlicher ist, dass strafrechtliche Handlungen nicht vollzogen werden“, schreibt der Sprecher. Aber hundertprozentige Sicherheit gebe es nicht. Andererseits solle die Telefonnummer nur für den bestimmten Zweck verwendet werden, Straftaten zu verhindern. Eine zweckfremde Nutzung, beispielsweise ein Abgleich der Telefonnummern oder eine Weitergabe an andere Unternehmen, müsse ausgeschlossen werden. Tracking, Kontrolle und Profilbildungen seien „oftmals unnötig, nicht selten rechtswidrig“.


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