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Recht auf schnelles Internet: Abgeordnete pochen auf ambitioniertere Grundversorgung

Recht auf schnelles Internet
Vor allem in ländlichen Bereichen könnte ein starkes Recht auf schnelles Internet die Lage verbessern. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Westend61

Bescheidene 10 MBit/s im Download und 1,3 MBit/s im Upload, bei einer maximalen Latenz von 150 Millisekunden: Das hatte die Bundesnetzagentur als Mindestvorgabe für eine Internet-Grundversorgung Ende Dezember zur Diskussion gestellt. Das entspricht etwa Geschwindigkeiten von ADSL-Anschlüssen, die vor 20 Jahren im Massenmarkt angekommen waren.

Der Aufschlag sei „wenig ambitioniert“, sagt die Bundestagsabgeordnete Tabea Rößner. Schon lange setzt sich die Grüne für eine flächendeckende Internetversorgung und einen starken Universaldienst ein. Als Teil der Regierungskoalition und frisch bestellte Vorsitzende des Digitalauschusses im Bundestag hat ihr Wort nun neues Gewicht: Ohne den Segen des Ausschusses kann die Regelung nicht in Kraft treten.

Lang umkämpfte Regelung

Das Recht auf „schnelles“ Internet hatte die Vorgängerregierung im Rahmen der Novellierung des Telekommunikationsgesetzes (TKG) auf den Weg gebracht, gelten soll es ab dem Sommer. Für Nutzer:innen entsteht der Anspruch, nachdem die BNetzA die Unterversorgung eines bestimmten Gebiets festgestellt und ein Unternehmen zum Ausbau verpflichtet hat.

Im Gesetz sind nur grobe Leitplanken festgelegt, was als Unterversorgung gilt, Details soll die BNetzA festlegen. Schon das sorgte für heftiges Gerangel zwischen Ministerien, Wirtschaft und Verbraucherschützer:innen. Letztlich hat es die von „mindestens 80 Prozent der Verbraucher im Bundesgebiet genutzte Mindestbandbreite, Uploadrate und Latenz“ als Mindestanforderung ins Gesetz geschafft, einige Schlupflöcher lassen eine weitere Absenkung zu. Die Opposition, darunter auch Rößner, sprach von einer „Mogelpackung“ und von einem „Recht auf lahmes Internet“.

Doch damit die erfahrungsgemäß oft wirtschaftsfreundliche BNetzA nicht das letzte Wort hat, verhandelte der Bundestag noch weitere Klauseln in das fertige Gesetz: Zum einen bedarf die Rechtsverordnung der Zustimmung des Digitalausschusses, Mitspracherecht haben auch der Bundesrat sowie das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV). Zum anderen verweist die Gesetzesbegründung ausdrücklich auf ein „30-Mbit-Produkt“, mit dem essenzielle Dienste wie Videoanrufe oder VPN-Verbindungen aus dem Home Office möglich sein sollten. Im Regierungsentwurf war noch die Rede von nur 10 MBit/s als Orientierungshilfe.


Die vom Bundestag vorgegebene Richtschnur wischt der Vorschlag der BNetzA nun mit einer abenteuerlichen Begründung vom Tisch: Die Formulierung „30-Mbit-Produkt“ sei nicht mit der konkreten Geschwindigkeit von Internetanschlüssen gleichzusetzen, vielmehr handle es sich um „Bis-zu“-Angaben aus den Werbebroschüren der Anbieter. Regelmäßig durchgeführte Untersuchungen zeigen jedoch, dass viele Kund:innen nicht die Internetgeschwindigkeit erreichen, die ihnen die Zugangsanbieter verkaufen.

Angaben der Industrie

„Fairerweise muss man eingestehen, dass der Universaldienst sich ja nach der von der Mehrheit, beziehungsweise 80 Prozent genutzten Bandbreite errechnet“, sagt Tabea Rößner. Allerdings sei hier schon fraglich, welche Daten für den Konsultationsbericht herangezogen wurden.

So habe die BNetzA für ihre Berechnungen die Diensteanbieter befragt, „obwohl wir seit vielen Jahren wissen, dass hier große Diskrepanzen zwischen Angaben der Unternehmen und tatsächlich zur Verfügung gestellten Bandbreiten bestehen“, sagt Rößner. Dabei müsste die Behörde doch längst auf Grundlage eigener Messverfahren einen Überblick über die verfügbaren und genutzten Bandbreiten haben.

Ende Januar endete die erste Phase der Konsultation. In seiner Stellungnahme zum BNetzA-Vorschlag machte schon der Bundesverband der Verbraucherzentralen (Vzbv) auf das fragwürdige Datenmaterial aufmerksam. „Anbieter können die minimalen Bandbreiten selbst festlegen. Es wundert daher nicht, dass die genutzte Mindestbandbreite entsprechend gering ausfällt“, sagt Susanne Blohm, Referentin im Team Digitales und Medien.

Zudem hätte die BNetzA nicht einkalkuliert, dass üblicherweise mehrere Personen in einem Haushalt leben und häufig gleichzeitig das Internet nutzen. Die Verbraucherschützer:innen fordern, die Mindestbandbreite im Download zunächst auf 30 Mbit/s festzulegen. Detail am Rande: Der langjährige Vzbv-Chef Klaus Müller soll Nachfolger des scheidenden BNetzA-Präsidenten Jochen Homann werden.

Schneller Ausbau erwünscht

Auf Unmut stößt der Diskussionsvorschlag der BNetzA auch bei den anderen Koalitionspartnern. Zunächst müsse man die im Anhörungsverfahren vorgelegten Stellungnahmen auswerten, sagt Jens Zimmermann, digitalpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. „Ich hoffe sehr und gehe auch davon aus, dass die Mindestversorgung am Ende flächendeckend höher ausfallen wird und ausfallen muss“, sagt der SPD-Politiker.

Wichtig sei zudem, so Zimmermann, dass mit jedem weiteren Ausbauschritt die Universaldienstverpflichtung mitwachsen werde – das Gesetz sieht eine regelmäßige Überprüfung und etwaige Anpassung vor. Der eigenwirtschaftliche und öffentlich geförderte Gigabitausbau müsse daher „massiv beschleunigt und intensiviert“ werden, um flächendeckend ein wirkliches Recht auf ein schnelles Netz erreichen zu können. „Dies kann der Universaldienst, der lediglich eine Mindestversorgung gesetzlich garantiert, nicht leisten“, sagt Zimmermann.

Auch Maximilian Funke-Kaiser, digitalpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, betont den Vorrang des eigenwirtschaftlichen Ausbaus. Der Universaldienst zur Gewährleistung von Mindestanforderungen müsse die „absolute Ausnahme bleiben“ und soll nur eine Grundversorgung mit Telekommunikationsdiensten sicherstellen.

Dennoch sei es nicht nur im Sinne des Ausschusses, sondern auch der Bundesregierung, so schnell wie möglich flächendeckendes Internet zu verwirklichen. Sämtliche weißen Flecken gehören erschlossen, „notfalls mit weiterführenden Technologien wie beispielsweise dem Satelliteninternet“. In jedem Fall werde die Konkretisierung der endgültigen Vorgaben „auf Grundlage des Konsultationsdokuments in enger Abstimmung mit den Koalitionspartnern erfolgen“, sagt Funke-Kaiser.

Öffentliche Debatte steht bevor

Die nun in der Opposition sitzende CDU gibt sich eher zurückhaltend. In der letzten Legislaturperiode habe sich die Union „immer für eine stabile und in der Praxis funktionierende, aber nicht überzogene Ausgestaltung des Rechtsanspruchs eingesetzt“, sagt der digitalpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Reinhard Brandl. Eines der Kernanliegen der Unionsfraktion während der TKG-Novelle sei es aber gewesen, dass es vor der Fachentscheidung der Behörde eine intensive Diskussion im Fachausschuss des Deutschen Bundestages dazu gibt.

Auf die öffentliche Diskussion und somit „größere Wahrnehmung des Themas“ freut sich auch die Grüne Rößner. Als Ziel stehe aber fest: „So selbstverständlich, wie der Strom oder die Post in jedes Haus geliefert werden, egal wo jemand wohnt, so selbstverständlich muss auch ein leistungsfähiger Breitbandanschluss sein“, sagt Rößner. „Und dieser Anspruch muss auch durchgesetzt werden können.“


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